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Moderne Abwicklungen — Teil 3

Vorstoß in die dritte Dimension

Zunächst vielen Dank für die zahlreichen Tipps und Anregungen. Bekanntlich führen viele Wege nach Rom. Ähnliches trifft auf die Vorgehensweise bei der Abwicklung der gezeigten Stücke zu. Die aufgezeigten Lösungswege verstehen sich als Anregung, sie zeigen nur eine von vielleicht mehreren Möglichkeiten. Jeder, der sich mit Abwicklungen beschäftigt, baut auf unterschiedlichen Voraussetzungen auf. Insofern kann es auf dem Weg zur Lösung entsprechende Abweichungen geben. Das Ergebnis, die Abwicklung, muss am Ende dieselbe sein. Ein Anliegen der Beitragsreihe ist es, dieses alte Thema für die moderne Klempnertechnik etwas zu entstauben und Bezüge zu aktuellen Vorhaben herzustellen. Wie angekündigt ist unser Stück für den dritten Beitrag noch einen Tick komplexer. Mit einer Höhe von fast 80 cm und einem Durchmesser von 1,40 m fällt das Stück diesmal vergleichsweise groß aus. Die Größe beziehungsweise Länge der Flächen ermöglicht eine Verdrehung sogar um 90°. Die Abmessungen sind mehr oder weniger willkürlich gewählt. Wie die bisher gezeigten Stücke lässt sich auch dieses mit den gebräuchlichsten Baumetallen fertigen. Die Materialdicken sind wie üblich abhängig von der gewählten Verbindungstechnik. Wegen der Größe des Stückes sind mindestens 0,6 mm zum Falzen bzw. ab 0,8 mm bis 1 mm zum Löten oder Schweißen ratsam. Für die Abwicklung sind keine speziellen Hilfsmittel erforderlich. Natürlich können wir uns mit der Verwendung von MS Excel beispielsweise eine wesentliche Erleichterung bei der Erfassung und Berechnung der erforderlichen Maße verschaffen. Wichtig dabei ist, insbesondere wenn wir auf Papier arbeiten, die Übersicht zu behalten. Vor allem, wenn nach einer längeren Pause die Arbeit fortgesetzt wird, passiert es, dass über den vielen Linien und Markierungen die Orientierung verloren gehen kann. Wer die Möglichkeit hat, mit CAD 3D zu arbeiten, der kann die Abwicklung in wenigen Stunden und mit einer hohen Genauigkeit erstellen.

Sorgfältig arbeiten

A propos Genauigkeit, die Angabe aller Maße erfolgte wie üblich in Millimeter und Grad. Alle selbst gewählten Maße sind ganzzahlig, die daraus ermittelten Maße wurden auf zwei Dezimalstellen gerundet. Ein Stück mit möglichst vielen ganzzahligen Maßen/Abmessungen zu versehen, stellt eine echte Herausforderung dar. In der Praxis bleibt das ein Wunsch, der nur in äußerst wenigen Fällen umsetzbar ist. Spätestens wenn die Zahl Pi im Zusammenhang mit Bogenlängen eine Rolle spielt, ist es mit ganzen Zahlen vorbei. Für die Berechnungen wurden vier Dezimalstellen berücksichtigt. Mit dem Grundsatz „so genau wie nötig, nicht wie möglich“ sollte am Ende nichts schiefgehen. Bewährt hat sich, Ebenen und spezielle Punkte zu markieren bzw. mit Bezeichnungen zu versehen. Eine vertikale Unterteilung des Stückes in mehrere Abschnitte erscheint ebenfalls sinnvoll.

Der Trick mit dem Korbbogen

Wie unschwer zu erkennen ist, besteht das Profil unseres Stückes aus drei stetig ineinander übergehenden Kreisbögen. Diese zusammengesetzte Bogenlinie kommt dem Ellipsenbogen sehr nahe. Sie wird als Korbbogen bezeichnet. Ein Korbbogen kann aus beliebig vielen ineinander übergehenden Kreisbögen bestehen, drei müssen es jedoch mindestens sein. Mit Blick auf unsere Abwicklungen bietet der Korbbogen im Vergleich zur Ellipse viele Vorteile. Kreisbögen lassen sich beispielsweise über Winkel vergleichsweise einfach in gleiche Teile zerlegen. Zu beachten ist vielleicht noch: Der obere Bogen mit dem Radius R3 endet nicht im Zenit, sondern überschreitet ihn deutlich. Für eine einfachere Zuordnung der Ebenen und der Ermittlung der wahren Breiten wurde dieser Teil an der Geraden durch den Zenit nach oben gespiegelt. Das Ende unseres Profils geht in eine Wulst mit einem Radius von 30 mm über. Diese Wulstgröße lässt sich leicht auf einer Rundmaschine anfertigen. Eine Wulst auf Gehrung abgewickelt, wie im ersten Beitrag zu dieser Reihe beschrieben, erscheint als Abschluss am einfachsten. Möglich wäre auch ein runder Abschluss, geformt wie ein Blütenblatt, mit einer dicken Drahteinlage oder mit einer passend geformten und geschlitzten Rundstange. Den unteren Abschluss unseres Profils bildet eine einfache Rückkantung für die Aufnahme eines Fußes zur Verbesserung der Standfestigkeit.

Für die Verdrehung des Stückes um die Hochachse M ist es ratsam, das Profil in 30 Teile (Ebenen 0–30) zu unterteilen. Jede Ebene wird gegenüber der vorherigen um 3° gedreht, sodass sich in der Summe 90° ergeben. Dazu bieten sich uns im Wesentlichen zwei Möglichkeiten. Die einfachste Variante besteht in der linearen Teilung der Höhe, wie bei unserer Säule, dem Stück im zweiten Beitrag dieser Artikelreihe. Für dieses Stück hätte das allerdings zur Folge, dass das Profil/der Korbbogen in unterschiedlich lange Abschnitte unterteilt würde. Die Verdrehung unseres Stückes wäre somit ungleichmäßig. Geeigneter erscheint die zweite Variante einer polaren Teilung des Korbbogens in gleiche Abschnitte. Da er aus drei einzelnen Kreisbögen mit unterschiedlichen Durchmessern besteht, müssen diese auch jeweils für sich geteilt werden. Parallelen durch die Schnittpunkte ergeben die Ebenen.

Teiligkeit und Machbarkeit

Bis hierhin haben wir uns quasi mit Grundlagen beschäftigt. Jetzt entscheiden wir, wie groß der Abstand zwischen Hochachse und unserem Profil sein soll. Dieser Abstand wird von verschiedenen Größen beeinflusst. Eine davon ist unser ästhetisches Empfinden – bevorzugen wir eine eher schlanke Form, so wählen wir den Abstand kleiner. Kann unser Stück etwas stabiler sein, so wird der Abstand größer gewählt. Eine entscheidende Größe allerdings bildet unsere handwerkliche Meisterschaft. Je kleiner der Abstand, desto komplizierter wird die Montage. Eine weitere Entscheidung betrifft die Teiligkeit des Stückes. Mit einer Achter-Teilung kann man nichts falsch machen. Stücke mit sechs oder zwölf Mantelflächen sind auch eine Alternative, beide Varianten sind im Detail zu prüfen.

Für ein Stück mit acht Mantelflächen ergibt sich in der Aufsicht der Winkel von 45° für ein Segment. Damit sind aus der Aufsicht alle wahren Breiten der Mantelflächen ablesbar. Soweit erfolgen alle Schritte analog der Abwicklung gerade geschnittener Körper (siehe Beitrag BAUMETALL 7/2013). Nun gehen wir daran und drehen alle Ebenen einschließlich der jeweils dazugehörigen Längen um die Hochachse M, beginnend bei Ebene 1, um jeweils 3° weiter, sodass die Ebene 30 letztlich um 90 ° gedreht wird.

Aus dem Beitrag in BAUMETALL 8/2013 wissen wir, welche weiteren Angaben für die Erstellung der Abwicklung benötigt werden. Zur Erinnerung schauen wir uns die Isometrie der Ebenen 0 und 1 an. Aus der Aufsicht sind die Längen 00‘ und 11‘ bekannt. Zu ermitteln sind die Längen 0‘1‘ (diese entspricht der Länge 01) und die Länge 01‘. Diese können jeweils über die markierten Dreiecke mit dem Satz des Pythagoras errechnet werden. Die Höhen können der Profilansicht entnommen werden. Von jetzt an ist die Ermittlung der übrigen Maße für alle weiteren Ebene in gleicher Weise nur noch eine Fleißarbeit. Die Nutzung einer Excel-Tabelle kann dabei sehr helfen.

Abwickeln im Team

Wenn alle Maße ermittelt sind, kann es unverzüglich an die Zeichnung der Abwicklung auf ein ausreichend großes Stück Karton gehen. Die Gerade 00‘ bildet die Basislinie, von der aus alle weiteren Maße mittels Zirkelschlag im Dreieck angetragen werden. Die Schnittpunkte der Geraden 01‘ und 0‘1‘ bzw. 1‘1 und 01 ergeben die Einstichpunkte für die Maße der nächsten Ebene usw. Ist die Abwicklung der Mantelfläche komplett, so muss die Strecke 030 gleich der Strecke 0‘30‘ sein. Als Probe können mit etwas Geschick und drei Händen acht gleiche Teile aus stabilerem Karton stumpf mit Klebeband verbunden werden. Der Karton ist flexibel genug, sodass sich die Form des Stückes ohne größere Zwischenräume automatisch ergeben muss. Die Abwicklung der Wulst kann separat erfolgen. Beide Abwicklungen werden am Ende zusammengesetzt.

Das Stück ist ausreichend groß, sodass mehrere Personen gleichzeitig daran arbeiten können. Vielleicht kann das Stück Anregungen für eine Projektarbeit geben. Bleibt nur noch anzumerken: Das Stück ist zwar nicht himmelblau, wenn es der Beitragsreihe „Vorstoß in die dritte Dimension“ jedoch in anschaulicher Weise gelungen ist, dass sich interessierte Leser mit dem Thema beschäftigen, so wurde ein wesentliches Anliegen erreicht. Für Ihre Kritiken und Hinweise sind wir sehr dankbar.

Anmerkung der Redaktion

Joerg Hoyer gibt in seiner Broschüre „Gedrehte Mantelflächen“ zahlreiche Hinweise zum Thema. Das rund 30-seitige und DIN A4 große Nachschlagewerk enthält bereits vorgefertigte ausklappbare Abwicklungen zum Bau eines gedrehten Wasserfangkastens. Mit zahlreichen Illustrationen versehen ist das Werk praxisnah und leicht verständlich. Zu beziehen ist es direkt über die Internetseite http://www.cad-zeichnen-hoyer.de.

AUTOR: Joerg Hoyer

Autor

Joerg Hoyer

ist Klempnermeister und war viele Jahre Dozent/Trainer am KME-Schulungs­zentrum. Auf seiner Internetseite http://www.cad-zeichnen-hoyer.de gibt er wertvolle Hinweise zum Thema Abwickeln. Außerdem ist dort die 2013 erschienene und mit vielen Abbildungen versehene Broschüre „Gedrehte Mantelflächen“ erhältlich.

Joerg Hoyer

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