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Handwerker auf Höhenflug

In schwindelerregender Höhe hängt Marc Peschel an einem Seil am Turm der Düsseldorfer Rochuskirche. Er sucht nicht den ultimativen Kick, sondern Schäden am Dach, die ausgebessert werden müssen. Durch einen Sturm haben sich Bleche an den Dachkanten angehoben und müssen neu befestigt werden. Als einer der wenigen in seiner Branche hat der gelernte Dachdeckermeister eine Zusatzqualifikation als Industriekletterer. Nach der Ausbildung zum Dachdeckergesellen im väterlichen Betrieb und der Meisterausbildung arbeitete er zunächst im Familienbetrieb, bevor er seine eigene Dachdecker-Firma gründete. Heute beschäftigt Marc Peschel drei Dachdeckergesellen und drei Auszubildende.

Als Dachdecker, der auch Bauklempnerleistungen anbietet, ist für Marc Peschel Metall „ein Werkstoff, der zum Dachdeckerhandwerk gehört wie der Schieferhammer oder der Dachziegel“. Für Abdichtungs- und Bauklempnerarbeiten vertraut Peschel Produkten von branchenbekannten Firmen wie Enke, Prefa und Rheinzink. Sein Leistungsspektrum rund um Dach und Fassade reicht von Dachfenstern und Dachbegrünungen über Abdichtungen, Installation von Solaranlagen über Metalldächer und Fassadenbekleidungen bis hin zu Gerüstbau, Personensicherung und Industrieklettern.

Was macht ein Industriekletterer?

Industrieklettern – oder auch Höhenarbeit oder seilgestützte Arbeitsverfahren genannt – bedeutet laut Wikipedia „die Arbeitsplatzpositionierung unter planmäßiger Belastung von Seilen zur Verrichtung von handwerklichen, überwachenden oder anderen Aufgaben. Der Seilzugang im Arbeitseinsatz erfolgt unter Verwendung von Techniken, die sich aus der Einseiltechnik der Höhlenforschung, aus Abseil- und aus Klettertechniken entwickelt haben“. Höhenarbeiter springen dort ein, wo aus Platzgründen kein Gerüst oder Hubsteiger aufgestellt werden kann oder wo deren Einsatz zu gefährlich oder zu teuer wäre.

Typische Einsatzgebiete sind etwa die Montage von Windenergieanlagen, Stahlbaumontagearbeiten u. a. im Hochhausbau, Brückenbau oder bei Bohrinseln. Sie erledigen Dachreparaturen und Holzschutzarbeiten, sanieren Schornsteine oder Fassaden, montieren Vorrichtungen zur Taubenabwehr und Blitzschutzanlagen, bringen Korrosionsschutz an Metall und Beton an und verrichten Anstricharbeiten, Fugensanierung und Dichtungsarbeiten. Zu ihrem Portfolio gehören außerdem Wartungsarbeiten an hohen Gebäuden, Fenster- und Dachrinnenreinigung sowie Reinigungsarbeiten im Industrie- und Kraftwerksbereich. Andere Tätigkeitsfelder sind z. B. die Sicherung von Felsen oberhalb von Verkehrswegen oder Wohngebieten, die Durchführen von Fotodokumentationen und Baugutachten oder die Installation von Werbebannern.

Ein spektakuläres Beispiel: 1995 wurde der Berliner Reichstag mithilfe von Industriekletterern verhüllt. Dafür erhielten die Künstler Christo und Jeanne-Claude eine Sondergenehmigung für den Einsatz von seilunterstützten Arbeitsverfahren.

Wie wird man Industriekletterer?

Höhenarbeiter sind keine Extremsportler, die sich am Adrenalinstoß berauschen, sondern haben eine fundierte Ausbildung. Sicherheit hat absolute Priorität. Anders als beim Sportklettern wird deshalb immer eine zweite Sicherung verwendet, um ein Abstürzen auf jeden Fall zu verhindern. Nach geltenden Standards moderner Arbeitssicherheits-Gesetze ist ungesichertes Arbeiten nicht mehr zulässig. Industriekletterer setzen genormte Spezialausrüstungen ein, an denen sie sich abseilen, um ihren Auftrag auszuführen. Nach getaner Arbeit seilen sie sich entweder bis zum Boden ab oder steigen am Seil wieder nach oben. In der Ausbildung lernen sie auch Maßnahmen zur Selbstrettung und Rettung anderer Personen, falls es passieren sollte, dass sie mal im wahrsten Sinne des Wortes in den Seilen hängen.

Industriekletterer ist in Deutschland kein anerkannter Beruf. Ansprechpartner für Fragen rund um die Tätigkeit ist der Fach- und Interessenverband für seilunterstützte Arbeitstechniken FISAT. 1997 erstellte der Verband Richtlinien für die Ausbildung und Arbeitssicherheit für Industriekletterer. Die hier definierten Ausbildungsstandards entsprechen internationalen Standards und müssen innerhalb Europas anerkannt werden. Die Ausbildung besteht aus drei aufeinander aufbauenden Lehrgängen:

  • FISAT-Lehrgang SZP 1: Seilzugangstechnik Level 1 – Grundkurs Höhenarbeiter
  • FISAT-Lehrgang SZP 2: Seilzugangstechnik Level 2 – Aufbaukurs Höhenarbeiter
  • FISAT-Lehrgang SZP 3: Seilzugangstechnik Level 3 – Aufsichtsführender Höhenarbeiter

Voraussetzungen für die Ausbildung sind ein gültiger Erste-Hilfe-Grundlehrgang und eine arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchung G41. Die Lehrgangsteilnehmer müssen außerdem volljährig sein. Eine handwerkliche Vorbildung ist nicht notwendig, aber natürlich sinnvoll, wenn es sich bei den Einsatzgebieten um komplexe Montagearbeiten oder Reparaturen von Fassaden, Dächern oder Abdichtungen handelt.

Zwar führt der FISAT seit 2002 selber keine Ausbildungen mehr durch, aber es gibt in ganz Deutschland spezialisierte Ausbildungsunternehmen, wo die Lehrgänge stattfinden. Der Verband führt eine Liste, auf die nur Unternehmen aufgenommen werden, die zuvor von einem FISAT-Zertifizierer begutachtet worden sind. Derzeit sind beim FISAT über 30 Ausbildungsträger registriert, darunter auch einer in der Schweiz und einer in Österreich.

Am Ende der Lehrgänge steht eine theoretische und praktische Prüfung, die von FISAT-Zertifizierern abgenommen wird. Die Anforderungen hat der Verband in der Prüfungsordnung festgelegt. Wenn der Teilnehmer die Prüfung besteht, gilt er als zertifiziert. Allerdings ist die Zertifizierung nur ein Jahr gültig, daher ist eine jährliche Wiederholungsunterweisung für Höhenarbeiter zu absolvieren. Da Industriekletterer oder Höhenarbeiter kein anerkannter Ausbildungsberuf ist, kann sich auf diesem Markt theoretisch jeder tummeln – auch ohne Ausbildung. Die Zertifizierung hilft Auftraggebern bei der Auswahl der Auftragnehmer und gibt ihnen die Sicherheit, dass keine Abenteurer am Werk sind, die womöglich fahrlässig vorgehen und sich selber oder andere gefährden.

Auch für Kletterbegeisterte: Sicherheit geht vor

Als Industriekletterer ist Marc Peschel u. a. auf Hausdächern, Kirchendächern, Türmen, an Hochhausfassaden und Schornsteinen unterwegs. Im gesamten Bundesgebiet übernimmt er Aufträge für Glas- und Fassadenreinigung, die Montage von Mobilfunktechnik, Sprinkleranlagen, Sicherheitstechnologien, Megapostern, Reklameschildern oder Firmenlogos.

Dabei stehen Personenschutz und Arbeitssicherheit an erster Stelle. Er ist Sachkundiger für die Systemplanung, den Aufbau und die Wartung der Allinone-Produkte der Innotech Arbeitsschutz GmbH, die Sicherungssysteme und persönliche Schutzausrüstungen anbietet: von der Fensterabsturzsicherung über Sicherheitsdachhaken bis hin zu den Planungsgrundlagen für Anschlagpunkte. Und weil es so praktisch ist, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, betreibt der passionierte Alpinist nebenher in Düsseldorf einen Laden für Arbeitsschutz und Bergsport.

www.dachlatte.de

www.kletterladen.nrw

www.fisat.de