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14 000 Falze und ein Knick

Ein mehstöckiger Neubau auf dem historischen Gelände einer Mühle über einem Bach und in direkter Nachbarschaft zu einem Gebäude aus der Gründerzeit kann leicht zu einem stilistischen Bruch geraten. Nicht so beim Wohnhaus Hadermühle in Nürnberg, das farblich und gestalterisch mit seiner Umgebung harmoniert. Spenglermeister Jürgen Stifter und sein Team bekleideten das Wohnhaus mit Schindeln aus Aluminium. Das eindrucksvolle Ergebnis vereint klassisches Spenglerhandwerk und Montagetechniken des 21. Jahrhunderts. Die Ausführung des Dachs und der Fassade am Eckgebäude im Nürnberger Zentrum war aufgrund mehrerer geneigter Ebenen äußerst aufwendig. „Die Schindeln für das Dach und die Fassade wurden in unserer Werkstatt in Petersaurach gefertigt“, berichtet der Spenglermeister. Vom Firmenstandort aus, der zwischen Nürnberg und Ansbach liegt, gelangten die Bauteile zur Hadermühle.

Metall in Sandsteinoptik

Die Wahl fiel auf ein Material der Marke Prefa mit dem Farbton Bronze. Das Rechteckformat und die Farbe nehmen Bezug auf die Sandsteinquader eines benachbarten denkmalgeschützten Gebäudes aus der Gründerzeit. Die Schindeln sind vom Erdgeschoss bis zum Dachfirst am Wohnhaus installiert. Die Hülle umschließt das Bauwerk wie aus einem Guss, sodass eine optisch einheitliche Fläche von etwa 770 m² entsteht. Jürgen Stifter: „Das Deckmaß unserer 1 mm starken Tafeln beträgt in der Länge 640 mm und in der Breite 330 mm.“ Hochgerechnet sind demnach über 3640 Exemplare mit weit mehr als 14 500 Falzen am Neubau zu sehen. Hinzu kamen gekürzte Profile und Sonderkonstruktionen aus Aluminium in der gleichen Farbe. Die Bauteile waren für die 50 Fensterlaibungen, den Bereich rund um die 25 Dachfenster sowie für die Anschlüsse zu den benachbarten Bauwerken und an der Brandabschottung bestimmt. Die Bekleidung korrodiert nicht, sondern widersteht lange Zeit der Witterung und behält dabei ihren Farbton.

Geneigte Ebenen

Die Idee des „bewegten Hauses“ prägt die Architektur und fand ihre Inspiration im Goldbach, der direkt unter dem Wohnhaus entlangfließt. Die Fassade weicht vor allem rund um die Balkone von der lotrechten Geraden ab. Eine Linienführung jenseits der Waagerechten erstreckt sich von der Traufe bis zum First. Ein Knick verläuft über die Schindeln zur Straße und setzt sich auf der Seite über dem Bachufer fort. Dadurch neigt sich die Gebäudehülle dreidimensional in alle Raumachsen, sowohl zur Mitte des Bauwerks als auch nach außen in die Umgebung. Bereits beim Rohbau ragten die Betondecken eines jeden Stockwerkes verschieden weit über den darunterliegenden Grundriss hinaus. Der Fachbetrieb verwirklichte die Raumwirkung und den Knick mit einer kreativen Lösung: Zur Konstruktion und Montage spannten die Handwerker Drähte am Rohbau, die als Orientierung dienten. Die Grundstücksgrenzen durften auf keinen Fall überbaut werden und die Hinterlüftung musste überall gewährleistet sein.

Ausgefeilte Fassadentechnik

Die Spenglerei und Dachdeckerei Stifter, die sich auf Metalleindeckungen und -fassaden spezialisiert, stimmte die bemerkenswerte Unterkonstruktion komplett auf das Bauwerk ab. Die geneigten Linien fanden ihre Berücksichtigung bereits bei der Planung dieser Konstruktion, die das hinterlüftete Aluminiumkleid trägt. Der Fachbetrieb fertigte verschieden lange L-Profile und verschraubte diese auf Unterlegplatten an der Betonwand. Die Schienen, die an diesen Profilen befestigt wurden, erhielten so die gewünschte Neigung. Nachdem die Unterkonstruktion installiert war, befestigten die Handwerker die Dämmplatten mechanisch mit Dübeln an den Betonwänden. „Als Fassadendämmung wurde Rockwool-Fixrock-Mineralwolle mit einer Stärke von 160 mm verwendet, die vom Brandschutzgutachter vorgegeben war“, so der Spenglermeister. „Durch die Vor- und Rücksprünge der Geschossdecken, die natürlich auch gedämmt werden mussten, benötigten wir 170 m² Dämmung.“ An der Unterkonstruktion installierten die Spengler Trapezprofile. Zwischen Dämmstoff und Trapezprofilen bleibt so ein Raum zur Belüftung, der je nach Fassadenneigung unterschiedlich groß ist.

Maßarbeit mit Brand- und Sonnenschutz

An der Straßenseite verzichtete der Bauherr zwischen den Garageneinfahrten auf die Metallfassade. Die Installation der Schindeln begann deshalb im ersten Stockwerk, indem die Tafeln mit Haften aus Aluminium an den Trapezprofilen befestigt wurden. Die Montage erfolgte nach oben Richtung Dachtraufe. An der Seite über dem Bach reicht die Metallbekleidung hinunter bis zum Fuß des Gebäudes. Speziell gefertigte Profile, die Lüftungsöffnungen aufweisen und mit der Unterkonstruktion verschraubt sind, bilden den unteren Abschluss der Fassade. Im Bereich des Knicks, der über mehrere Schindeln hinweg verläuft, kanteten die Handwerker die Profile entsprechend. Darüber hinaus bekleidete die Spenglerei die Innenseite der Brüstung zweier Balkone, die sich an der Gebäudeecke im ersten und dritten Stockwerk befinden. Dort verbirgt sich eine Stahlkonstruktion mit Trapezprofilen außen und innen hinter den Schindeln.

„Aus Brandschutzgründen mussten die Fensteröffnungen, die Laibungen an den Balkonen und der Übergang von der Fassade zum Dach mit Brandabschottungen aus 2 mm starken Stahlprofilen ausgestattet werden“, erklärt der Unternehmer. „Wir verarbeiteten 4 t Stahlblech, was ebenfalls bei uns in der Werkstatt stattfand.“ Die Stahlprofile sollen das Risiko verringern, dass ein Feuer aus dem Inneren durch die Fenster hinter die Fassade vordringt. Die Dämmung trägt zusätzlich zum Brandschutz bei, da sie nicht brennt und ihr Schmelzpunkt über 1000 °C liegt. Die Handwerker befestigten die Abschottungen, die im Winkel von 90 Grad gekantet sind, nachdem die Unterkonstruktion montiert war. Der Fachbetrieb fertigte die Schotts mit integrierten Kästen aus 2 mm starkem Stahl für ein Sonnenschutzsystem. Der Bauherr ließ nach Vollendung der Gebäudehülle Raffstores an den Fenstern installieren. Im geöffneten Zustand finden diese Raffstores Platz in den Stahlkästen, die unsichtbar hinter der Fassade verborgen bleiben.

Fließender Übergang

Der Rohbau gab bereits die Form des Daches vor. Das gilt auch für die großzügige Loggia. Alle Seiten und ihre Neigungen sind in den vollflächigen Betondecken angelegt, die auf die benachbarten Gebäude Bezug nehmen. Der Neubau grenzt sowohl an die denkmalgeschützte Architektur als auch an ein Haus aus den 1960er-Jahren mit Satteldach. Die neue Dachlandschaft auf dem Wohnhaus stellt eine Verbindung zwischen der Eindeckung auf dem Gründerzeitbauwerk und dem Satteldach her. Auf den Betondecken verlegte der Fachbetrieb eine bituminöse Dampfsperre der Marke Mogat, welche mit Gasbrennern aufgeschweißt wurde. Darüber installierten die Spengler eine vollflächige Holzschalung mit zwischenliegenden Holzträgern. Auf der hinterlüfteten Schalung wurde eine diffusionsoffene Unterdeckbahn der Marke Difflex Thermo ND verlegt, auf der die Handwerker die Schindeln mit Haften aus Aluminium befestigten. Die Eindeckung auf der Hofseite erfolgte ebenfalls mit Schindeln.

Die Dachentwässerung ist ins Fassadenkonzept integriert. Eine kastenförmige Rinne wurde in geneigter Ebene entlang der Traufe verlegt und mit Profilen im Farbton der Schindeln bekleidet. Als funktionaler Teil der Entwässerung ist sie deshalb vom Boden aus kaum zu sehen. Die Fassade geht harmonisch zur Dachfläche über. Die Regenablaufrohre verbergen sich hinter den Schindeln und wurden mit Halterungen direkt an der Betonwand befestigt. Auf der Dachfläche montierten die Spengler ein Schneefangsystem im passenden Farbton. Zahlreiche Entlüftungsöffnungen und funktionale Dachbauteile sind ebenfalls im Farbton Bronze auf dem Bauwerk installiert. Diese Abstimmung verleiht der Gebäudehülle einmal mehr ihre optische Geschlossenheit.

Arbeit mit Hindernissen

Der Ausführungszeitrahmen war knapp bemessen und schwer zu kalkulieren. Der Fachbetrieb, der vor allem im Landkreis Ansbach und im Städtedreieck Nürnberg – Fürth – Erlangen arbeitet, bewältigte die Montage mit vier bis fünf Mitarbeitern vom Sommer bis zum Dezember 2015. Weil bereits Ende November der Winter einbrach, stiegen die Spengler auch bei Eis und Schnee aufs Dach. „Zum Schluss hat die ganze Familie mitgeholfen. Auch meine Ehefrau stand an der Maschine und stanzte Platinen, aus denen die Schindeln entstanden sind, damit wir das Projekt schaffen“, erinnert sich der Spenglermeister. „Am letzten Arbeitstag vor Weihnachten haben wir die Arbeiten abgeschlossen, sodass 2016 nur noch die Laibungsprofile an den Balkonen zu erledigen waren.“ Das Gerüst stand sehr dicht am Rohbau, auch über dem Steilufer des Bachs, und sorgte so für beengte Verhältnisse. Der Abstand beim Anheften der Schindeln betrug oft nur wenige Millimeter bis zum Pfeiler. Zudem war das Gerüst mit Stahlbolzen am Rohbau verankert. Rund um diese Berührungspunkte fügten die Spengler provisorische Lochungen in die Trapezprofile und hefteten die Schindeln erst nach dem Rückbau der Verankerungen an. Die Mühe lohnte sich für die neue Architektur auf dem historischen Gelände der Hadermühle und für die geneigte Fassade mit Knick.

www.stifter-spenglerei.de

Bautafel

Projekt: Fassade und Dacheindeckung am Wohnhaus Hadermühle, Nürnberg

Architektur: gpwirth Architekten, Nürnberg

Material: Aluminiumschindeln aus Prefa-Material, Stärke 1,0 mm, Farbton Bronze

Unterkonstruktion

Fassade: Hinterlüftete Metallkonstruktion mit Trapezprofilen

Dach: Vollflächige Holzschalung

Fachbetrieb: Spenglerei / Dachdeckerei Stifter, Petersaurach

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