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Kreisverkehrskunst am Neuenburgersee

Den Beginn dieser eindrucksvollen Bauaufgabe markiert eine Anzeige in der Lokalpresse zur Wettbewerbsteilnahme für eine Kreisverkehrsskulptur. Gebaut werden soll diese anlässlich der Autobahn-N5-Teilfertigstellung zwischen Neuenburg und der Gemeinde Milvignes (Ausfahrt/Einfahrt Nr. 10 der N5) in der Schweiz. Die knapp formulierten Vorgaben lauten:

  • Kreiseldurchmesser ca. 20 m, Nutzfläche ca. 8 m
  • Leicht schräge/abfallende Kreisfläche
  • Maximale Höhe 6 m
  • Auswahlverfahren im Rahmen einer öffentlichen Präsentation vor dem Gemeinderat Milvignes und der Bevölkerung

Die Wettbewerbseingabe erfolgt am 15. Dezember 2014 mittels eines angefertigten Modells im Maßstab 1 : 30. Inzwischen ist das Oloid von Milvignes fertiggestellt. Eindrucksvoll reckt es seine knallgelben Lamellen in den Wind, um je nach Windrichtung seine Position zu verändern. Wie viele inspirierende Gedanken und Überlegungen bis dahin erforderlich waren, lässt sich nur erahnen. Zunächst musste eine geeignete geometrische Form gefunden werden. Das von Paul Schatz Anfang des 20. Jahrhunderts erdachte Oloid eignet sich perfekt. Es besteht aus zwei Kreisen, die rechtwinklig, gegengleich verbunden sind. In kleineren Dimensionen kann das Oloid sogar vollflächig abgewickelt und z. B. aus Aluminium, Edelstahl, Kupfer oder Zink hergestellt werden.

Anforderungen

Die Idee, die Skulptur in Form eines Oloids als Mobile anzufertigen, hat der Jury und der Bevölkerung besonders gefallen. Der drehbare Körper wird durch den Wind bewegt – seine Farbe kontrastiert mit der Umgebung. Trotz der monumentalen Dimension wirkt die Figur filigran und schwerelos, was wiederum auf die thermolackierten Lamellen zurückzuführen ist. Viele Kreisverkehrsskulpturen werden als stabiles Objekt konzipiert. Damit das Oloid seine Position durch Windeinfluss ständig verändern kann, wurde es auf einer Drehachse montiert. Die Bewegung bzw. die langsame Drehung ist mit bloßem Augen erkennbar, doch bis es so weit war, mussten unzählige Experimente an einem Modell im Maßstab 1 : 20 durchgeführt werden. Letztlich wurde durch die Breite von 4,4 m ein absolutes Gleichgewicht geschaffen. Die Länge ist mit 7,60 m ebenfalls beachtlich. Die verblüffend einfache Funktionsweise beruht auf folgender Tatsache: Die Spitze des Oloids wird gegen den Wind gedreht – der gegenüberliegende hintere Teil der Skulptur verhindert jedoch die Umdrehung um die eigene Achse.

Darüber hinaus musste die Skulptur so positioniert werden, dass darunter ein 2 m hoher Freiraum entsteht. Die entsprechende Vorgabe stammt aus den Sicherheitsvorschriften des Schweizer Nationalstraßenbaus bzw. des Bundesamtes für Straßen (Astra). Künstler, Ingenieur, Astra-Mitarbeiter und Metallbauer mussten in der Folge die Schnittzeichnungen mehrmals ergänzen, anpassen und neu anfertigen. Unter Berücksichtigung aller genannten technischen Aspekte wurden nicht nur die Sicherheitsvorschriften zum Bau von Kreisverkehrsskulpturen, sondern auch gestalterische Anforderungen erfüllt.

Finanzierung und Realisierung

Der Kostenvoranschlag einschließlich Ingenieurkosten zur Berechnung der Statik (die Skulptur ist für Windgeschwindigkeiten von bis zu 160 km/h ausgelegt) sowie aller erforderlichen Transportkosten lag gering über dem Budget der Gemeinde. Der Fehlbetrag konnte jedoch durch Sponsoren ausgeglichen werden.

Die komplexen und anspruchsvollen Arbeiten wurden in den Werkstätten der am Bau beteiligten Metallbauer, Spengler oder Lackierer ausgeführt. Nach zuvor erfolgter Festlegung der Schnittstellen zwischen Künstler, Auftraggeber und Handwerker ging es los. Zunächst wurde der Kugellagerschacht angefertigt und zum Einbetonieren vorbereitet. Die Unterkonstruktion besteht aus einem Edelstahlrohr mit 60 mm Durchmesser. Die Fabrikation und Bekleidung der „Fassade“ in Form von Alulamellen erfolgte durch den Spengler. Außerdem musste der Kugellagerschacht provisorisch abgedeckt werden. Dann wurde die Konstruktion der Drehachse mit Querverstrebungen sowie die Montage der vorge-fertigten (noch unlackierten) Lamellen vorgenommen. Nach dem Einbau von Rotationsachse und Längsstabilisatoren wurden die Lamellen zur Thermolackierung wieder demontiert. Es folgte die Herstellung der konischen, wasserdichten Kugellagerabdeckung.

Besondere Sorgfalt wurde auf die Ausrichtung des Kugellagerschachtes gelegt. Vier Zentrierschrauben sorgen dort für die absolute Vertikalität der Drehachse. Das einbetonierte Rohr dient darüber hinaus zur Aufnahme von zwei Kugellagern und einem Drucklager. Das Gesamtgewicht der Skulptur beträgt 1150 kg.

Metallbau und Spenglertechnik

Die Trag- und Unterkonstruktion aus Edelstahlrohren entspricht der Grundform des Oloids. Um das „Gerippe“ zu stabilisieren, wurden zahlreiche (provisorische) Verstrebungen angeordnet. Aufgrund der Objektgröße und zur Einhaltung der Arbeitssicherheit wurde die Skulptur bzw. deren Unterkonstruktion rundum mit einem Gerüst versehen. Die Fabrikation der 2-mm-Aluminiumlamellen-Profile erfolgte in Spenglertechnik. Typischerweise wurden entsprechende Rückkantungen, Abbüge und Verstärkungen sowie verschiedene Schrägschnitte und Ausklinkungen angebracht. Die Lamellen-Baulänge beträgt rund 4 m – die Zuschnitte ca. 400 mm. Alle Abwicklungen sowie die erforderlichen Schrägschnitte, Ausklinkungen und Biegwinkel wurden per CAD ermittelt. Die Anordnung der Lamellen erfolgte schräg, von den Tangenten der Kreise ausgehend. Um eine gewisse künstlerische Ästhetik zu erzielen, wurden die Abstände absichtlich unregelmäßig angeordnet.

Eine besondere Herausforderung war die verdrehte Ausführung der Aluminiumlamellen. Damit entsprechende Schrägschnitte am Tragrohr flach aufliegen, wurde die diagonale Biegekante auf einer computergesteuerten Maschine fabriziert. Sämtliche Zuschnitte samt linker und rechter Ausklinkungen wurden mit vier verschiedenen Diagonalkanten gebogen, aber nur eine davon ist relevant: die konvex von links oben nach rechts unten verlaufende.

Bekleidung der Unterkonstruktion und Endmontage

Die Montage der Lamellen erfolgte mittels Verschraubungen zwischen dem 60-mm-Edelstahlrohr und den flach anliegenden Aluprofilen. Die gerundete Unterkonstruktion verlangte das Anschleifen bzw. Anpassen der Lamellen an die Rundung der Tragkonstruktion. Dem Ausdehnungskoeffizienten des Aluminiums wurde durch Vergrößerung der Bohrlöcher Rechnung getragen. Um den exakten Schwerpunkt für den Einbau zu bestimmen, wurde die Skulptur am Scheitelpunkt aufgehängt und die benötigten Gleitringe punktgenau verschweißt.

Der Transport erfolgte mittels eines Polizei-eskortierten Tiefbettanhängers – die Montage per Mobilkran. Dank der minutiösen Vorbereitung war bereits nach zwei Stunden alles erledigt. Heute dreht sich die Skulptur im Wind und begeistert dabei Passanten und Fachleute gleichermaßen.

Info

Künstlerische Idee, gestalterische und operative Ausführung sowie Texterstellung: Peter Müller, Dipl. Spenglermeister, VDSS-Mitglied und ehem. Inhaber/Geschäftsführer eines Spengler-Fachbetriebs in Neuchâtel (Schweiz). Videolinkwww.rtn.ch/rtn/Actualite/Region/20170426-L-Oloide-ou-l-union-de-deux-cercles.html

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