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VDSS-Spengler auf dem Weg in die Zukunft

Rund 30 eidgenössische diplomierte Spenglermeister trafen sich Ende August am Bodensee, um sich in einem zweitägigen Seminar über die heutigen und künftigen Möglichkeiten der Produktion mit digitaler Unterstützung bei Planung und Fabrikation von Blecherzeugnissen zu informieren und auszutauschen. Im Fokus standen die Modernisierung und Rationalisierung der Arbeitsmethoden, aber auch Machbarkeitsprüfungen von anspruchsvollen Konstruktionen und Gebäudehüllen mit Geometrien, die nur im 3D-Verfahren beherrschbar sind. Referenten und Teilnehmer waren sich einig: Die Frage ist nicht, ob die Digitalisierung im Spenglereigewerbe ankommt, sondern wie und wann …

Der Verein der diplomierten Spenglermeister der Schweiz (VDSS), Zusammenschluss der Metall- und Gebäudehüllenspezialisten des Landes, organisiert periodisch neben der Generalversammlung, der Goldenen Spenglerarbeit und der im Zweijahresrhythmus stattfindenden Auslandsexkursion auch zahlreiche Tagungen und Hearings zu aktuellen Themen des Berufes. Ziel der zurückliegenden Fachtagung war es, sich intensiv mit der Philosophie und den modernen Möglichkeiten des Einsatzes digitaler Instrumente im Spenglereibetrieb zu beschäftigen. Auf dem Programm standen drei Schwerpunkte und Referenten, die mit unterschiedlichen Erfahrungen und Angeboten auftraten.

In wenigen Jahren sind alle Prozesse digitalisiert

Der erste Referent, Michael Kirchen, Spenglermeister und Geschäftsführer bei Ferisol Sàrl in Bergbuerg (Luxemburg), ist Vorstandsmitglied des Internationalen Interessenbundes Baumetalle (iib) Er informierte über die Entwicklung seines Fachbetriebes vom Grundsatzentscheid bis zur vollständig digitalisierten und gänzlich papierlosen Projektbearbeitung. Was heute aus praktischen Gründen noch auf Papier entsteht, wird unmittelbar eingescannt oder fotografiert und sofort im digitalen Projektordner abgelegt. Jeder Auftrag, jeder Bau bekommt eine „Vignette“ und ist sofort restlos digital angelegt. Das ist für die tägliche Bearbeitung mit Zugriff durch alle Mitarbeitenden sowie bereits für die künftige Archivierung von Vorteil. Außerdem ermöglicht dieses Vorgehen, dass die Daten von jedem Standpunkt aus (Büro, Werkstatt, Baustelle, zu Hause, in den Ferien, im Krankenhaus) für die Bearbeitung oder Kommunikation abrufbar sind.

Die entsprechende Infrastruktur baute Kirchen mit nützlichen Apps von Apple (PC, iPhone, iPad) auf, da diese auf allen Personalgeräten koordiniert vorhanden sind. Kombiniert werden die Apps mit professioneller Planungssoftware wie z. B. Sema, Weto, S+S etc. Mit der heutigen Infrastruktur wird nach erfolgter Speicherung der Daten jede Leistung in 2D oder 3D darstellbar. Dies gilt für das ganze Gebäude bis hin zu jedem einzelnen Blechprofil samt allen Einzelbearbeitungen, Ausschnitten, Löchern oder individuellen Perforationen.

„Die Visualisierung ist heute ein wichtiger Kommunikationsfaktor gegenüber Architekten und Bauherren geworden“, so Kirchen. „Was man zeigen kann, bekommt ein Gesicht, wirkt ansprechend und fördert die Überzeugung, dass es gut kommt.“ Kirchen ist überzeugt davon, den richtigen Weg gewählt zu haben, und empfiehlt den Kollegen, es ihm gleichzutun. Er betont aber selbstkritisch und aufbauend: „Digital ist der richtige Weg und künftig unabdingbar. Aber: Die Organisation und die Arbeitsprozesse des Betriebes müssen schon vor der Digitalisierung – sprich analog – bedarfsgerecht sein und stimmen. Die Digitalisierung übernimmt Prozesse, das Denken muss weiterhin vom menschlichen Hirn und von den Verantwortlichen übernommen werden.“

Bilder und Plangrundlagen für Angebot und Umsetzung

Als zweiter Referent informierte Rainer Löber (Verkaufsleiter bei 3D-DachCAD) über die Möglichkeiten, 2D- und 3D-Plangrundlagen von Dächern und Fassaden herzustellen. Die früher für die Holzindustrie entwickelten Technologien wurden für das Spenglereigewerbe ausgebaut und berücksichtigen heute die verschiedensten planerischen Belange: Aufmaß und Erfassung (auf Wunsch auch mit Drohne aus der Luft), Grund- und Aufrissplanung, Dach- und Fassadeneinteilungen, Blechelemente-Einteilungen, Auszüge für Leistungsbeschreibungen und Angebote, Erstellung einzelner Positionen bzw. Materialauszüge, Präsentationen in 2D und in 3D.

Lässt die Präzision für die definitive Herstellung von Blechprofilen noch etwas zu wünschen übrig, so hat sich das Programm hingegen für die schnelle Erfassung von Bauübersichten und als Grundlage zur Angebotserstellung sehr bewährt und durchgesetzt.

Vom analogen zum digitalen Fachbetrieb

Gastgeber Daniel Spiegel und dessen Geschäftspartner Luigi Greco begrüßten die VDSS-Spenglermeister, zitierten die in den Fachmedien kommunizierten Siegeszüge der digitalisierten Blechbearbeitung und öffneten die Tore und die großzügige Ausstellung des Hauses, um die modernen Produktionsmaschinen der neuen Generation vorzustellen. In einem Parcours mit vier Posten und Referenten erklärten und demonstrierten die hauseigenen und zugezogenen Spezialisten der Gebrüder Spiegel AG aktuelle, aufeinander abgestimmte Softwarelösungen sowie entsprechende Maschinen für die moderne Spenglerei.

Beispielsweise liefert die zentrale Digitalsteuerung von Bendex wichtige Informationen zur Planung und Herstellung einschließlich erforderlicher Nebenaufgaben. Das Programm kann etappenweise und modulartig eingeführt werden. Dies macht Sinn, um die Prozesskette im Betrieb, aber auch die Finanzierung und die Schulung der Mitarbeiter schrittweise und kontrolliert erfolgen zu lassen. Bendex konzentrierte sich bei der Entwicklung auf praxisnahe, möglichst einfache und optisch übersichtliche Lösungen. Die erstellten Daten können zur Herstellung von Profilen direkt in modernen Spaltanlagen, Abkantmaschinen oder Rundmaschinen verarbeitet werden.

Digitaler Flachdachcheck

Weil es auch mit „digitaler Anwendung“ zu tun hat, präsentierte Stephan Muntwyler (Geschäftsführer des Handelshauses Gabs) ein neues System zur Lokalisierung von Leckstellen in Flachdächern. Möglich wird dies durch den Einbau von digitalen RFID-Fühlerelementen. Je nach Komplexität der Bauweise, der Gebäudenutzung (Sammlung von Kunstwerken, teure Informatikanlagen oder Maschinen usw.) sowie der potenziellen Schadenhöhe ist der Einsatz des Systems durchaus sinnvoll.

Schweizer Brancheninsider denkt nach

Als bekennender papierverliebter Autor und Spenglermeister betrachte ich die erfolgreiche Einführung der Digitalproduktion in Büro und Werkstatt durchaus kritisch. Klar ist, dass diverse Bedürfnisse zwingend gedeckt sein müssen, aber auch, dass völlig neue Horizonte anvisiert werden können:

  • Die analoge Organisation der Betriebsabläufe muss schon vor der Einführung digitaler Hilfsmittel funktionieren.
  • Die gewählten Softwarelösungen sollten erweiterbar und mit den übrigen digitalen Elementen des Betriebes (Büro, Angebotswesen, Bestellungen, Produktion, Lagerung, Transport und Montage) kompatibel sein.
  • Voraussetzung ist auch die Pflege einer offenen Kommunikationskultur im Betrieb. Dabei sollte genau definiert werden, wer wie und wann Zugriff auf relevante Informationen erhält und diese auch anwenden oder ändern kann.
  • Die Öffnung für Marketing- und Kommunikationsgedanken ist ebenfalls wichtig. Nur dann ist es möglich, digitale Kompetenz auch zur Auftragsgewinnung einzusetzen.
  • Digitalisierung ermöglicht es, rationeller zu arbeiten, aber auch Aufträge zu realisieren, die sich ohne moderne Technik gar nicht bewältigen ließen (siehe gewisse Aufträge wie auch das Siegerobjekt der letzten Goldenen Spenglerarbeit 2018).

Mein persönliches Fazit: Es hat enorme Bedeutung, sich für erprobte Systeme und Partner zu entscheiden bzw. auf bestmögliches Know-how und Servicebereitschaft zu setzen. Vorsicht ist dennoch geboten! Man denke nur daran, wie viele Konzerne immer wieder mit Negativschlagzeilen von sich reden machen, wenn sie Softwareentwicklungen nach immensen Investitionen mangels Praxistauglichkeit zu Grabe tragen. Für mittelständische Spenglerfachbetriebe ist es umso wichtiger, dass Systeme und Maschinen fehlerfrei funktionieren. Ausfälle oder sogar komplette Systemwechsel können den Fachbetrieb stark belasten. Ein Handwerker kann und soll dieses Risiko nicht eingehen.

www.vdss.ch

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