Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch

Damit Sie auch morgen noch …

Der Balkenbruch frustrierte das Team von Arlt & Hanisch sichtlich. Der Fachbetrieb des Dachdeckerhandwerks entdeckte diesen Schaden an der Unterkonstruktion eines begrünten Holzdachs in Böblingen. Mitte Juni 2019 schilderten die Handwerker aus Sindelfingen den Fall auf ihrer Facebook-Seite. Das Echo der Nutzer ließ nicht lange auf sich warten: Kein Einzelfall, so lautete der Tenor. Die Erkenntnis, dass die Bauphysik zu wenig berücksichtigt wurde, sorgte für Ernüchterung. Im Unterbau der Eindeckung stieß der Fachbetrieb auf Feuchtigkeit.

Hoher Sachschaden erforderte vollständige Sanierung

Nach Angaben von Arlt & Hanisch war die Dachkonstruktion erst acht Jahre alt. Die begrünte Auflast und die Dämmung zwischen den Sparren verhinderten, dass der Unterbau ausreichend trocknete. In die Eindeckung war so viel Wasser eingedrungen, dass sich die Schalung aus OSB-Platten verformt hatte. Einige Platten waren sogar stark beschädigt. Der Tragbalken hielt dem Gewicht der Begrünung nicht mehr stand. Dass die Dampfsperre nicht fachgerecht ausgeführt worden war oder andere Gewerke Schäden hinterlassen hatten, schlossen die Dachdecker als weitere Ursachen ebenfalls ein. Zur Rettung empfahl der Fachbetrieb eine vollständige Sanierung. Das Schadensbild tritt vor allem bei unbelüfteten Flachdächern mit Zwischensparren- und Vollsparrendämmung auf. Betroffen sind gedämmte Eindeckungen über beheizten Räumen.

Problematisch: unbelüftete Dächer in Holzbauweise

Das Problem ist seit Jahren bekannt. Der Systemgeber für die Baubegrünung Zinco rät seit 2014 in seiner Planungshilfe zur Vorsicht bei gedämmten Dächern in Holzbauweise. Schon ein Jahr zuvor informierten Bauportale im Internet über eine Mitteilung des Industrieverbands Kunststoff-, Dach- und Dichtungsbahnen (DUD). Darin warnte der DUD aus Darmstadt vor Feuchtigkeitsschäden, die bei nicht belüfteten Flachdächern in Holzbauweise mit Vollsparrendämmung auftreten. Die vollständige Befüllung des Sparrenzwischenraums mit Dämmung wirkt sich nachteilig auf die Belüftung aus. Deshalb eignet sich die Vollsparrendämmung nicht für Flachdächer mit Solaranlagen, Begrünung oder Kiesauflast. Der Verband riet Verarbeitern, bauphysikalisch sichere Konstruktionen zu wählen. Besser ist, Auflastdächer als belüftete Konstruktionen mit Zwischensparrendämmung auszuführen. Geeignet sind auch unbelüftete Dächer mit Dampfsperre, bei denen die Wärmedämmung oberhalb der Holzschalung liegt. Dadurch bleibt die Holzschalung auf der warmen Seite des Dachs.

Die Feuchtigkeitsfalle: Tauwasser, schlechte Trocknung und Baufehler

Die Infoschrift des DUD ist nach wie vor aktuell und abrufbar. Darin erläutert der Verband den bauphysikalischen Zusammenhang: Bei unbelüfteten Holzdächern mit Vollsparrendämmung befindet sich die oben liegende Holzschale im kritischen Tauwasserbereich. Mehrere Faktoren begünstigen, dass sich Wasser unter der Eindeckung sammelt: Durch feuchte Werkstoffe, Umwelteinflüsse und Restfeuchte aus der Bauphase kann Wasser in die Konstruktion gelangen. Eine falsch ausgeführte Dampfsperre verschärft das Problem. Trocknet das Dach im Sommer nicht ausreichend ab, bleibt das Wasser zu lange in der Konstruktion. Solaranlagen, Begrünungen oder Kiesauflast beeinträchtigen den Trocknungsprozess. Frei bewitterte Eindeckungen mit hellen Oberflächen trocknen ebenfalls schlecht. Aber auch ein Schattenwurf aus dem Umfeld kann die Trocknung verzögern, zum Beispiel hohe Nachbargebäude, Bäume und Sträucher oder große Attiken. Allzu dichte Dampfsperren lösen das Problem leider nicht. Vielmehr führen sie in eine Feuchtigkeitsfalle, weil die Nässe im Dach nicht nach innen wegtrocknen kann.

Die Feuchtigkeit in unbelüfteten Holzkonstruktionen bzw. in entsprechenden Eindeckungen hängt laut DUD zum Teil mit der strengen Energieeinsparverordnung (EnEV) zusammen. Infolge der immer weiter erhöhten Dämmstoffdicken suchten Planer nach bezahlbaren Lösungen, mit denen sich die Aufbauhöhe der Dachränder begrenzen lasse. Unbelüftete gedämmte Holzschalungen erschienen dabei wie ein günstiger Ausweg. Doch Feuchtigkeitsschäden dürften kaum ein Ziel der Verordnung gewesen sein. Vielmehr zeigt der Fall in Böblingen, dass die EnEV in der Praxis zu Fehlentwicklungen geführt hat. Nur Fachleute können eine bauphysikalische Funktionstüchtigkeit überhaupt nachweisen.

Unbelüftete Dachkonstruktionen erfordernhygrothermische Berechnungen

Zur Planung von unbelüfteten (Holz-)Dächern dient ein aufwendiger Nachweis gemäß DIN EN 15 026. Die Norm aus dem Jahr 2007 umfasst zwei Kernbereiche: „Wärme- und feuchtetechnisches Verhalten von Bauteilen und Bauelementen – Bewertung der Feuchteübertragung durch numerische Simulation“. Dieses Verfahren simuliert Feuchte- und Wärmephänomene an Eindeckungen für einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren. Die Simulation ist spätestens seit 2016 zur Planung von unbelüfteten Dächern mit Holzschalungen vorgeschrieben. Darstellen lässt sich nicht nur die Ansammlung von Nässe durch Tauwasserbildung im Winter. Die Simulation berücksichtigt auch die Austrocknung der Baufeuchte und eine Kondensation, die durch eine Feuchtewanderung von außen nach innen hervorgerufen wird. Phänomene wie eine Oberflächenkondensation, die auftritt, wenn ein Gebäude nachts Wärme abstrahlt und auskühlt, werden genauso erfasst wie Leckagen oder Wärmeverluste infolge einer Durchlässigkeit oder Verdunstung. Die Nachweisführung erfordert allerdings besondere Qualifikationen und eine Computersoftware, zum Beispiel Wufi (Wärme und Feuchte instationär).

Hersteller und ausführende Gewerke der Dachbegrünung empfehlen seit Langem eine jährliche Wartung oder Inspektion von Gründächern. In den „Grundsätzen zur Pflege und Wartung von Dachbegrünungen“ aus dem Jahr 2002, die der Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks (ZVDH) mitverfasst hat, ist diese Empfehlung enthalten. Gründlich durchgeführte jährliche Wartungen könnten dazu beitragen, Schäden an begrünten unbelüfteten Dächern besser aufzuspüren.

Autor: Henry Rasch

www.arlt-hanisch.de

www.facebook.com/DachhandwerkmitTraditionundLeidenschaft

www.zinco.de

www.wufi.de

Jetzt weiterlesen und profitieren.

+ BM E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
+ Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
+ Themenhefte
+ Webinare und Veranstaltungen mit Rabatten
uvm.

Premium Mitgliedschaft

2 Monate kostenlos testen

Tags