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Keine Angst vor Kritik

Kritik ist eine heikle Sache. Denn unangemessenes Feedback kann gute Beziehungen zerstören. In einer Umfrage von 2014 fühlten sich 55 % der Arbeitnehmer unfair oder unzutreffend bewertet.
Kritik wird oft als verletzend empfunden. Gerade Führungskräfte, die auf offenes Feedback für ihre Persönlichkeitsentwicklung angewiesen sind, blocken häufig kritische Bemerkungen ab. Im Spannungsfeld zwischen dem Bedürfnis zu lernen und dem Bedürfnis nach Anerkennung reagieren wir oft emotional und abwehrend, weil wir den Inhalt als falsch empfinden, den Feedbackgeber für ungeignet halten oder uns in unserem Selbstbild angegriffen fühlen.
Wenn wir also kritische Rückmeldungen positiv nutzen wollen, müssen wir bereit sein, uns mit den eigenen Emotionen auseinanderzusetzen und in jedem Feedback eine Lernchance zu sehen. Denn nur durch Feedback können wir den sogenannten „blinden Fleck“ im Selbstbild entdecken, indem wir uns darauf einlassen, das Selbstbild mit dem Fremdbild abzugleichen.

1. Das eigene Reaktionsmuster durchschauen
Von Kindesbeinen an leben wir mit Feedback. Mit der Zeit haben wir verschiedene, typische Muster entwickelt, darauf zu reagieren:

  • Verteidigung auf der faktischen Ebene („Das stimmt doch gar nicht!“)
  • Kritik an der Art der Übermittlung („Musstest Du mir das ausgerechnet per E-Mail mitteilen?“)
  • Zurückschlagen („Du hast es gerade nötig, mir so etwas zu sagen.“)
  • Weglächeln von Kritik, obwohl man innerlich kocht
  • In Tränen ausbrechen
  • Der Wut freien Lauf lassen

Mit dem Wissen um das eigene Reaktionsmuster ist man in der Lage, sich selbst erst einmal zu beruhigen und sich zu fragen, ob man nicht überreagiert. Es ist in aller Regel hilfreich, die Sache erst einmal zu überschlafen. Mit ein wenig Abstand fällt es leichter, zu beurteilen und zu entscheiden, was man aus dem kritischen Feedback machen kann oder will.

2. Zwischen Sach- und Personenebene trennen
Reagieren wir auf der Beziehungsebene, also rein emotional, sind wir außerstande, die Kritik sachlich zubeurteilen. Automatisch verknüpfen wir das Feedback mit den Gefühlen, die wir dem Sender gegenüber empfinden. Dies macht jeden Lernprozess unmöglich. Um das zu verhindern, muss man sich bemühen, die Botschaft vom Botschafter zu trennen und beide Ebenen getrennt voneinander zu betrachten.

3. Nachfragen
Um ein Feedback akzeptieren oder ablehnen zu können, muss man den Inhalt ganau verstehen. Auf welche konkrete Situation bezieht sich das Feedback? Bitten Sie Ihren Kritiker um Beispiele oder fragen Sie nach, wie genau er zu dieser Meinung kommt. Denn Feedback sollte immer so konkret wie möglich gegeben werden. Wenn es gelingt, den Vorgesetzten davon zu überzeugen, dass einen nur ehrliches und klares Feedback voranbringt, entfaltet Feedback den größten Nutzen. Dann kann auch Feedback mit negativem Inhalt zu einem positiven Effekt führen.

4. Nach blinden Flecken Ausschau halten
Blinde Flecken sind Eigenarten, die jeder an uns wahrnehmen kann, uns selber aber verborgen bleiben. Wenn andere Sie wiederholt auf eine bestimmte Schwäche hinweisen, die Sie an sicher selber gar nicht erkennen, handelt es sich wahrscheinlich um einen blinden Fleck. Haken Sie also nach: „Was genau mache ich, das diesen Eindruck hervorruft?“ Dazu sollte man beobachten, wie der eigene Gesichtsausdruck, die Stimme, die Emotionen auf andere Menschen wirken und welche Reaktionen sie hervorrufen. Denn hier bewegen wir uns im klassischen Bereich der blinden Flecken.

5. Feedback als Coaching verstehen
Es gibt drei unterschiedliche Arten von Feedback: Wertschätzung, Bewertung und Coaching. Eine Wertschätzung ist ein Lob, eine Anerkennung der geleisteten Arbeit. Eine Bewertung zeigt auf, wo man steht, was man zu erwarten hat und was von einem erwartet wird. Coaching bietet einem die Möglichkeit, etwas zu lernen, sich zu verbessern und weiterzuentwickeln.
Nur zu oft stufen Menschen gut gemeintes Coaching als Bewertung ein und fühlen sich persönlich angegriffen. Dadurch wird jedes Lernen im Keim erstickt. Aufrichtiges Feedback sollte als Coaching verstanden werden. Es lohnt sich also, die Hilfen und Ratschläge aus der Kritik herauszuhören.

6. Den Chef coachen
Wenn Sie Feedback erhalten mit dem Sie wenig anfangen können, liegt dies eventuell daran, dass der Feedbackgeber – etwa Ihr Vorgesetzter – zu wenig über Sie weiß. In diesem Fall empfiehlt es sich, das Gespräch zu suchen und ihn darüber aufzuklären,

  • was Ihnen hilft,
  • was Sie verletzt,
  • was Sie motiviert,
  • was Sie entmutigt,
  • an welchen Entwicklungen Sie arbeiten,
  • was Sie im Moment zurückstellen möchten.

7. Um Feedback bitten
Erfahrungsgemäß ist Feedback weniger verunsichernd, wenn man ausdrücklich darum bittet. Es ist also weder notwendig noch zielführend, auf die alljährliche Leistungsbeurteilung zu warten. Man sollte vielmehr über das ganze Jahr verteilt jede Gelegenheit nutzen, Feedback in kleinen Portionen von verschiedenen Personen einzuholen. Beispielsweise wenn man als Projektleiter erfolgreich eine Herausforderung gemeistert oder für den erkrankten Vorgesetzten vorübergehend die Abteilung geführt hat. Untersuchungen belegen, dass Menschen, die ausdrücklich um Feedback bitten, im Durchschnitt bessere Leistungsbewertungen bekommen. Das liegt vor allem daran, dass jemand, der aktiv konstruktive Kritik einfordert, eher bereit ist, ernsthaft an sich zu arbeiten.

8. Professionelle Unterstützung suchen
Wenn Sie das Gefühl haben, dass die Feedbackkultur in Ihrem Unternehmen nicht so fruchtbar ist, wie sie sein könnte, oder gar ein Problemthema darstellt, kann gegebenenfalls ein professioneller Coach Unterstützung geben. Er kann den verantwortlichen Führungskräften dabei helfen, die Feedbackprojekte optimal zu gestalten. Zudem kann er ihre eigene Rolle und die der Feedbacknehmer reflektieren und optimieren. Und letztendlich kann er fachlich und methodisch die operative Umsetzung von Feedbackprozessen unterstützen.

Reinhard F. Leiter, Executive Coach bei der Selecteam Deutschland GmbH
www.selecteam.de

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