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Auf den Trichter gekommen

Die Pfarrkirche St. Valentin prägt die Ortsmitte von Waldmössingen bei Rottweil (Baden-Württemberg). Der alte Kirchenbau – der damals bereits auf eine 750-jährige Geschichte zurückblickte – brannte in der Nacht vom 3. auf den 4. Januar 1969 bis auf die Grundmauern ab und die Ruine musste gesprengt werden. Zunächst war beabsichtigt, die Kirche wieder wie vorher aufzubauen, d. h. im klassischen Stil mit einem einschiffigen Kirchenraum und Chor, gekrönt von einem Satteldach. Kurz darauf kam es dann aber zu der Entscheidung, ein von Grund auf neues Gotteshaus zu errichten. Dieses sollte dem Zeitgeist der späten 1960er- und 1970er-Jahre entsprechen – einer Epoche, als Althergebrachtes nicht mehr so hoch im Kurs stand und man lieber auf Modernität setzte. So wurde damals auch der Baustoff Beton als Zeichen des Fortschritts verstanden. Nach einem Wettbewerb erhielt der Entwurf der Architekten Gerold, Albrecht und Wilhelm Reutter den Zuschlag und 1970 erteilte Bischof Carl Joseph Leiprecht die Genehmigung für den Neubau. Dieser war Teil einer völligen Neugestaltung der gesamten Ortsmitte, die in enger Abstimmung mit der Gemeinde Waldmössingen erfolgte. Innerhalb von zwei Jahren Bauzeit entstand ein modernes kirchliches Zentrum, das die Ortsmitte architektonisch dominierte.

Der Geist ist willig ...... doch die Konstruktion ist schwach

Farbfenster, Altar, Ambo und Taufstein wurden von lokal ansässigen Künstlern gestaltet. Auf dem Kirchplatz wurde der Portalstein der alten Kirche mit dem Bild des guten Hirten wieder aufgestellt. Der neu entstandene, großzügige Kirchenraum, der immerhin 500 Menschen Platz bietet, sollte den Besuchern auf den ersten Blick mehrere Aspekte des kirchlichen Selbstverständnisses sichtbar bzw. erfahrbar machen. Zum einen können sich die Gottesdienstbesucher im Halbkreis um den Altar versammeln und so die Gemeinschaft besser erleben. Zum anderen soll der Blick vom Eingang in die Kirche nach allen Seiten geweitet und nach oben – quasi zum Himmel hin – geöffnet werden.

Dieses Konzept der Anordnung im Halbkreis und des allseitigen Strebens nach oben führte zu einer Dachkonstruktion, die wie bei einem Trichter nach innen auf einen tiefsten Punkt zuläuft. Damit wurde die traditionelle Dachform gewissermaßen auf den Kopf gestellt und die Spitze nach unten gekehrt. In diesem Punkt liefen nicht nur alle Streben zusammen, sondern auch das Regenwasser. Die spirituelle Idee wurde mit der Trichterform sehr gut wiedergegeben – aber sie brachte schon kurze Zeit nach der Einweihung erhebliche Probleme mit sich: Bei starkem Regen und bei der Schneeschmelze war das Dach an mehreren Stellen undicht. Nach vielen kleineren und größeren Ausbesserungen wurde immer klarer, dass das Dach mit seiner Kupfereindeckung einer vollständigen Erneuerung bedurfte.

Sintflut in der Sakristei

2012 ließ die Kirchengemeinde dafür eine umfassende Mängelerhebung durchführen. Dabei stellte sich heraus, dass die Verbindungen der Kupferscharen teilweise schadhaft waren. Auch hatten sich einige Profile vom Dachstuhl abgelöst. Sie wurden nur provisorisch wieder befestigt. Insbesondere der Umstand, dass das gesamte Abwasser an einer zentralen Stelle zusammenfließt und diese im Winter nach Schneeschmelze und erneutem Frost einen Rückstau bewirkt, führte zu zeitweise erheblicher Überschwemmung der Sakristei und des hinteren Kirchenbereiches. Um die konstruktiven Mängel zu beseitigen und die Dichte der Dachhaut wiederherzustellen, kam nur eine komplette Neueindeckung infrage. Mit der Planung und Ausführung des zukünftigen Dachaufbaus wurde nach einer Ausschreibung der Fachbetrieb Maurer & Kaupp, zusammen mit Architekt Harald Ganter, beauftragt. Die außergewöhnliche Dachform stellte die Projektbeteiligten vor mehrere Herausforderungen. Bisher waren die einzelnen Längen der Scharen über Aufschieblinge verbunden. Da sich dadurch die Dachneigung in einen Grenzbereich verschob und sich an diesem Bereich bei Starkregen Wasser anstaute, musste eine neue Lösung gefunden werden. Das Sanierungsteam entschied sich für eine aufgedoppelte Schalung der Dachkonstruktion. Somit konnte ein ausreichender Gefällesprung hergestellt werden. In diesem Zuge wurde der Wassersammler im Mittelpunkt des Daches (der bisher in Kupfer ausgebildet war) deutlich vertieft. Der neue und voluminöse Entwässerungsbereich verfügt über eine ausreichende Anstauhöhe. Zur Sicherheit wurde er mit einer Kunststoff-Abdichtungsbahn der Marke Sarnafil ausgekleidet.

An die Kehle gegangen

Die ursprünglich in den Kehlen verbauten Holzbalken dienten zur Trennung einzelner Dachflächen. Beim Ausbau entstand der Eindruck, dass diese Holzbalken erst nach der Fertigstellung der Kirche im Jahr 1972 montiert worden waren – eine Idee, die wohl aus der Not geboren war. Der neue Dachaufbau verzichtete auf diese Ausführung, denn die künftigen Scharen sollten fächerförmig gefertigt und angeordnet werden. Diese Art der Verlegung hat den Vorteil, dass keine Problembereiche wie die früheren Kehlen entstehen können. Gleichzeitig war damit aber auch die Herausforderung verbunden, die Falze von der Traufe inmitten des Daches bis zum 22 m entfernten First fluchtgerecht durchlaufen zu lassen. Da der Dachradius am First ungleich größer ist als an der Traufe, musste jeder zweite Falz unterhalb des Gefällesprungs enden, andernfalls wären die Falze an der Traufe zusammengelaufen.

Für die erfolgreiche Komplettsanierung des Dachs mitsamt Unterkonstruktion war eine kontinuierliche Abstimmung zwischen Holzbau und Metalleindeckung erforderlich. Eine reibungs- und lückenlose Zusammenarbeit war umso wichtiger, da die Kirche weiterhin in Betrieb bleiben sollte. Daher galt es, weitestgehend zu verhindern, dass während der dreimonatigen Bauzeit Wasser in die Kirche eindrang – bei einer ca. 820 m² großen Dachfläche, die auf einen Punkt entwässert, kein einfaches Unterfangen!

Schwierige Mission erfolgreich erfüllt

Die Leitung der Arbeiten auf der Baustelle und die Koordination mit der Zimmerei Holzbau Hess übernahm Vorarbeiter Roland King mit Team. Gemeinsam mit Projektleiter Frank Preuss hatte er zuvor die Details ausgearbeitet. Dank einer Kurvenschneidanlage, die in der Werkstatt von Maurer & Kaupp eingesetzt wird, gelang die Fertigung der bis zu 13 m langen Scharen problemlos. Werkstattmeister Berthold Kunz mit über 30 Jahren Erfahrung als Klempner- und Werkstattmeister konnte trotz der Fächerform der Scharen den Verschnitt optimieren und den Materialbedarf reduzieren: Dazu spaltete er das 1000 mm breite Kupferband der Marke Aurubis diagonal. Das Anformen des unter- bzw. überdeckenden Falzes erfolgte mittels eines eigens umgebauten Falzformers. Dieser ermöglichte es, konische und auch konvexe Scharen und Falze zu profilieren. In große Transportboxen verpackt konnte so Fläche für Fläche gemessen, gefertigt und montiert werden.

Nach Fertigstellung der Stehfalz-Metalleindeckung des Trichterdachs erfolgte die Sanierung der angrenzenden Flachdächer. Diese waren ursprünglich bituminös abgedichtet. Da in der bisherigen Ausführung keine Notüberläufe vorhanden waren, mussten zur Optimierung der Abflussleistung diverse Kernbohrungen gesetzt werden. Außerdem wurden die vorhandene Kiesschüttung sowie die Anschlussbleche abgetragen und dann eine Dämmung eingebaut. Die neue Abdichtung erfolgte mithilfe einer Kunststoffabdichtungsbahn der Marke Sarnafil – der Dachrandabschluss wurde abermals mit Kupferprofilen überdeckt. Insgesamt hat sich der Sanierungsaufwand geloht. Heute können die Kirchenbesucher wieder trockenen Fußes im Halbkreis am Gottesdienst teilnehmen und sich an der luftigen, himmelsgewandten Architektur erfreuen.

Drohnenfotografie auf dem Klempnertag

Wer sich für den Einsatz von Drohnen interessiert, sollte den Fachvortrag von Frank Preuss auf dem 19. Deutschen Klempnertag nicht verpassen. In Würzburg spricht der Drohnenpilot am 24./25. Januar 2018 über seine Erfahrungen. Die Themen Schadenserhebung an Dächern mithilfe von Drohnen und die Beachtung aktueller Regelungen stehen dabei im Vordergrund.

Außerdem informiert Preuss darüber, dass ein Führerschein als Voraussetzung für die Verwendung von Drohnen inzwischen verpflichtend ist.

Preuss gibt sein Fachwissen auch in BAUMETALL-Workshops weiter. Lesen Sie dazu den Bericht in BAUMETALL 4/2015. Außerdem bietet Preuss die Erstellung von Luftaufnahmen mit Drohnen als Dienstleistung auf www.anders-betrachtet.de an.

Bautafel

Projekt: Neueindeckung des Dachs der Pfarrkirche St. Valentin, Waldmössingen

Bauherr: Pfarrgemeinde St. Valentin, Waldmössingen

Fachbetrieb: Maurer & Kaupp GmbH & Co. KG, Schramberg, www.maurer-kaupp.de

Material: Kupferband von Aurubis, 1 m breit

Autor

Frank Preuss

ist im BAUMETALL FaceBUCK-Team aktiv. Außerdem ist er Drohnenpilot und leitender Klempnermeister bei der Maurer und Kaupp GmbH & Co. KG in Schramberg.

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