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Von der Energieschleuder zum Plusenergie-Gebäude

Die Analyse der laufenden Energie, Reparatur- und Instandhaltungskosten im Rahmen eines durch die DBU geförderten Vorprojekts hat ergeben, dass die Schule inkl. Sportzentrum und Förderschule einen Energieverbrauch von ca. 5 000 000 kWh/a aufweist. 33 % der Reparatur und Instandhaltungskosten von ca. 6,33 Mio. € im Zeitraum von 1978 bis 2010 entfielen auf die Gebäudehülle, weitere 16 % auf Lüftung und Kühlung und 10 % auf die Heizung. Daher entschied sich der Zweckverband Schul- und Sportzentrum Lohr als Bauherr den Gebäudekomplex zu einer Plusenergieschule zu entwickeln

Das Modellprojekt „Energieeffiziente Schule“ wird von speziellen Projektteams begleitet, die in der Planungs- und Bauphase beratend tätig sind und in der Betriebsphase mit einer umfangreichen Messdatenerfassung und -auswertung unterstützen. Ziel des Projekts ist es, ein Plusenergiegebäude mit hohem Beitrag solarer Energie zu schaffen. Dabei sollen parallel das Raumkonzept, die Beleuchtungssituation und das Raumklima verbessert werden. Die Begleitforschung soll Antworten entwickeln zu ganz konkreten und praxisrelevanten Fragestellungen für die Sanierung und den Neubau von Schulen.

Ausgangslage – Gebäudebestand

Bei dem Schul- und Sportzentrum in Lohr am Main handelt es sich um einen Schulbau mit einer angegliederten Sport- und Schwimmhalle (Bild 1). Das Schulzentrum wurde 1978 in Stahlbetonbauweise entsprechend dem damaligen Baustandard errichtet. Das Gebäude war an den Fassaden mit blauen Aluminiumfensterbändern mit Lammellen-Raffstores und einer Fassade aus wetterfestem Baustahl (Corten) ausgestattet (Bild 2). Nach fast vier Jahrzehnten war die Oberfläche der Fenster stark verwittert, die Fenster und Raffstores an vielen Stellen defekt und die Dämmung hinter der Corten-Fassade war durch hinterlaufendes Wasser und Kleintiere stark geschädigt. Wie gewünscht hatte der Corten-Stahl in der Fläche eine durchgängige Sperrschicht ausgebildet (Bild 3), wies allerdings an Verschneidungen und Schweißnähten erste Mängel durch Durchrostungen auf. Die Dächer waren mit Schweißbahnen abgedichtet, lokale Undichtigkeiten wurden im Laufe der Jahre mit Kunststoff-Abdichtungsbahnen saniert. In das Flachdach waren 203 Lichtkuppeln integriert, die sich im Schulalltag zum Teil als störend erwiesen, wenn moderne Präsentationstechniken genutzt wurden. Insbesondere im Bereich der Klassenräume waren diese sehr häufig provisorisch abgedunkelt.

Die im Objekt vorhandenen Sheddächer waren einfache Stahlkonstruktionen mit in Drahtglas ausgeführten Einfachverglasungen. Die Konstruktionen des Lichtdaches wiesen erhebliche Undichtigkeiten auf. Durch Bauteilbewegungen und Spannungen waren diverse Scheiben gebrochen. Hinzu kam, dass fehlende Pflege und Wartung dazu geführt hatte, dass die Beleuchtung der Bereiche unter den Dächern unzureichend war. Allgemein war festzustellen, dass der Dämmstandard des Gebäudes und das gesamte Erscheinungsbild den heutigen Anforderungen nicht mehr genügte. Daher war es dringend angeraten das Gebäude energetisch zu ertüchtigen und bestehende Brandschutz- und Akustikprobleme zu beseitigen.

Energiekonzept / Klempnergie

Um das Schul- und Sportzentrum energetisch zu modernisieren, werden zum einen die Energieverbräuche drastisch reduziert und zum anderen zur Energieversorgung verstärkt regenerative Ressourcen genutzt. Die wichtigste Energiequelle im Sanierungskonzept ist die Energieeffizienz der Gebäudehülle. Hierzu werden die Außenwandflächen unter der neuen Metallfassade verstärkt gedämmt, hochwärmedämmende Holz-Aluminium-Fensterbänder mit Dreifachverglasung eingebaut, über den Gängen und Fluren die Sheddächer durch moderne dreifachverglaste Lichtdachkonstruktionen ersetzt und die Dachflächen mit einem rollnahtverschweißten zusätzlich gedämmten Edelstahldach versehen. Nach einer Studie des Ingenieurbüros Sorge reduziert sich allein durch diese Maßnahmen an der Gebäudehülle der Energieverbrauch des gesamten Gebäudekomplexes um ca. 53 %. Auf der Energieseite kann durch den Einsatz von Wärmepumpen in Kombination mit einem 1250 m³ großen Eisspeicher und einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung der Energieeinsatz drastisch gesenkt werden. Die Wärmeenergie für den Eisspeicher soll durch thermische Solaranlagen gewonnen werden. Die erforderliche Wärmemenge soll zukünftig zu ca. drei Vierteln aus Umweltwärme und zu einem Viertel durch WP-Strom überwiegend aus der 500-kWP-Photovoltaikanlage gedeckt werden. Der Eisspeicher ermöglicht zudem, im Frühjahr und Sommer die Schulräume energieeffizient zu kühlen.

Sanierungsmaßnahmen

  • <b>Rückbau</b>Die Fassaden inklusive der Unterkonstruktion und Dämmung wurden komplett demontiert. Die Fensterbänder samt den Lammellen-Raffstores wurden ausgebaut. Das bestehende Schweißbahndach wurde nicht verändert, sondern hierauf aufgebaut. Damit war die Dichtigkeit des Daches in der Bauphase gegeben und es mussten keine Wetterdächer gebaut werden. In Teilbereichen durchgeführte Sanierungen des Daches mit Kunststoff-Abdichtungsbahnen wurden zurückgebaut.
  • <b>Fenstersanierung</b> Die Fensterbänder wurden durch Holz-Aluminium-Fensterbänder und Pfosten-Riegel-Fassaden ersetzt, die im Mittel einen U-Wert von ca. 0,8 W/m²K ermöglichen. Die Eingangsanlagen wurden in wärmegedämmten Aluminium-Türkonstruktionen ausgeführt. Die Einbaulage der Fensterkonstruktion wurde nach außen in die Dämmebene verlegt, sodass sich ein möglichst linearer Isothermenverlauf ergibt. An den neuen Fensterbändern und Fassaden sind Lamellen-Raffstores mit Schienenführungen montiert, die eine individuelle Verschattung in den Klassenräumen ermöglichen. Der Sonnenschutz inkl. der Abdeckung (Kasten) ist an der untersten Konsole der Metallfassade montiert, die hierfür eine zusätzliche Abkantung aufweist. Die Sohlbänke der Fenster sind auf die Konsolen der Metallfassadenkonstruktion aufgelagert, die zu diesem Zweck an der Oberseite abgekröpft sind (Bild 4).
  • <b>Fassadensanierung</b>Zunächst wurde eine neue Attika gesetzt, die das Raster für die Fassade inkl. der Fensterbänder vorgibt. Da das Schweißbahndach in seiner bestehenden Form beibehalten wurde, ergab sich nur ein minimaler Eingriff in die Dachrandabdichtung. Ausgehend von der Attika wurde die Unterkonstruktion (UK) der Fassadenflächen montiert. Die UK aus bandverzinkten vertikalen Profilen und farbbeschichteten Konsolen ist thermisch getrennt, dreidimensional justierbar ausgeführt und zwängungsfrei mit Fest- und Lospunkten am Baukörper montiert. Die Fassadendämmung aus 200-mm-Steinwoll-Dämmplatten (WLG 035) mit einseitiger schwarzer Vlieskaschierung wurde zusätzlich mechanisch gesichert. Für die Fassadenbekleidung kommen farbbeschichtete Stahlblechkassetten mit 1,25 mm Materialstärke zum Einsatz, die horizontal mit Kassettenbreiten von 3774 mm im Verbund verlegt wurden. Es wechseln sich schmale (h = 192 mm) und breite (h = 298 – 500 mm) Kassetten unregelmäßig ab. Die horizontalen Fugen sind 20 mm breit, die vertikalen 3 mm. Durch die Verlegeform ergibt sich die gewünschte sehr lebhafte Fassadenstruktur (Bild 5 + 6).

Um eine komplett verdeckt liegende Befestigung der Paneele zu realisieren, kommt eine spezielle Ausführung des Fachbetriebs Lummel aus Karlstadt zum Einsatz. Die Verlegung der Kassetten erfolgt von oben nach unten. Dabei wird die Kassette oben jeweils über Laschen gehalten, die in Schlitze der darüber liegenden Kassette eingeführt werden (Bild 7). Dadurch verdeckt die obere Abkantung der Kassette die Nietbefestigung an der Unterseite des darüber liegenden Bekleidungselements. Hinter der Bekleidung ist ein Hinterlüftungsraum von ca. 30 mm angeordnet, der am Fußpunkt, unter den Sohlbänken, am Fenstersturz und an der Attika zum Außenklima geöffnet ist. Hierdurch können eingedrungenes Niederschlagswasser sowie Bau- und Nutzungsfeuchte problemlos abgeführt werden und trocknen nach Belastungen in kürzester Zeit wieder aus. Dadurch sind Durchfeuchtungen der Außenwand ausgeschlossen und die Leistungsfähigkeit der Dämmung wird über den Nutzungszeitraum sichergestellt.

Dachsanierung

Die vorhandenen Flachdächer waren mit lediglich 60 mm Syrodurdämmung ausgeführt. Durch zusätzliche Polystyroldämmstoffplatten (EPS WLG 035) wurde die Dämmstärke auf ca. 300 mm erhöht. Damit ergibt sich im Mittel ein Dämmwert der überarbeiteten Dachkonstruktion von 0,13 W/m²K. Die Dacheindeckung wurde mit rollnahtgeschweißten Edelstahlscharen ausgeführt. Zur Lagesicherung wurde das Dach mit 50 mm Kiesauflast versehen. In die Dachfläche sind diverse Dachgullys innen- und außenliegende Notüberläufe, Entlüftungsschächte, Dunstabzugsrohre, Sekuranten und ein Fortluftturm sowie ein Außenluftansaugturm der Lüftungsanlage integriert. Die Dachgullys, Notüberläufe, Entlüftungsschächte, Sekuranten und Dunstabzugsrohre aus Edelstahl sind Lummel-Eigenfertigungen (Bild 8 + 9). In einem regelmäßigen Raster wurden Schläuche unter der Dachhaut zur Attika verlegt, um im Schadensfall Undichtigkeiten leicht mittels Tracergas und einem auf das eingesetzte Gas abgestimmten Detektor zu orten (Bild 10). In die Attika ist ein temporäres Kollektivschutzsystem integriert, dass ein Arbeiten ohne Fanggerüst ermöglicht. Nach Abschluss der Dacharbeiten und vor Montage der Attikaabdeckung wird dieses demontiert (Bild 11).

Von den insgesamt 203 schlecht gedämmten Lichtkuppeln wurden 43 beibehalten und durch hochwärmegedämmte Lichtkuppeln ersetzt. Es kamen außenseitig wärmegedämmte verzinkte Stahl-Aufsatzrahmen zum Einsatz, die auf die bestehende Dachkonstruktion aufgesetzt wurden. Auf diesen wird ein für Edelstahldächer angepasstes hochwärmedämmendes Lichtkuppelsystem mit einem U-Wert von 0,72 W/m²K montiert (Bild 12). Die Dachhaut wurde umlaufend 200 mm an der Lichtkuppel mit ausreichend Luft für die Dehnung hochgeführt. Von oben her überdeckt ein Stulprahmen die Aufkantung. Die Sheddach-Konstruktionen wurden größtenteils wie die restlichen Lichtkuppeln abgebaut und die Öffnungen verschlossen und anschließend überdämmt.

Energieversorgung

Die Wärmeversorgung erfolgt zukünftig durch Wärmepumpen, die vorrangig mit selbst erzeugtem PV-Strom betrieben werden. Zur Abdeckung der Lastspitzen werden Gaskessel installiert. Als Wärmequelle für die Wärmepumpen dient ein 1250 m³ großer, in der Erde eingegrabener, ungedämmter Eisspeicher, der durch solarthermische Absorber beladen wird. Die PV-Anlage mit 500 kWP und die solarthermischen Absorber werden auf den Dachflächen positioniert. Die Lagesicherung der Photovoltaik-Solaranlagen auf den Dächern soll durch Auflast erfolgen. Die Wärme wird über Deckenheizflächen im Gebäude verteilt, darüber kann auch die sommerliche Kühlung erfolgen. Hierzu ist vorgesehen, von März bis Mitte Mai keine Regeneration des Speichers durchzuführen und stattdessen das Eis zum Vorkonditionieren der Luft für die Lüftungsanlage und die Deckenheizflächen zu nutzen. Erst danach soll der Eisspeicher für den kommenden Winter aufgeladen werden. Ziel des Projekts ist eine möglichst große Stromeigennutzung aus der PV-Anlage und ein bilanzieller Energieüberschuss des Schulzentrums.

Zusammenfassung

Der Schlüssel zum Erfolg des Bauvorhabens ist eine effiziente Gebäudehülle. Nur wenn die Energieverluste möglichst gering sind, kann der Energiebedarf aus solaren Quellen gedeckt werden. Dies wird durch die Fassaden-, Dach- und Fenstersanierung mustergültig erreicht. Unterstützt wird dies noch durch die Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung, die die Energieverluste weiter reduziert. Positiv ist, dass an dem Bauvorhaben große Dachflächen zur Verfügung stehen, um die benötigte Solarenergie auf dem Gelände der Schule zu erzeugen. Der Eisspeicher bietet die Möglichkeit, die im Sommer und Herbst erzeugte Wärme für den Winter zu speichern. Ein Zusatznutzen ist die Abfallkälte, die im Sommer zur Unterstützung der Gebäudeklimatisierung genutzt werden kann, sowie der deutlich verbesserte Blendschutz in den Klassenräumen durch Wegfall diverser Lichtkuppeln und die neuen Raffstores. Alle Maßnahmen gemeinsam tragen dazu bei, das Ziel einer positiven Energiebilanz des Gebäudes zu erreichen. Auch finanziell geht man davon aus, dass sich das Projekt für den Zweckverband rechnet. Durch die zukünftigen Energieeinsparungen wird ein wesentlich kostengünstigerer Betrieb des Gebäudes möglich. Durch die Einsparungen können die erforderlichen Investitionen abbezahlt werden.

Bautafel

Objekt:  Sanierung des Schul- und Sportzentrums Lohr am Main

Bauherr:  Zweckverband Schul- und Sportzentrum Lohr a.M.

Architektur:  Architekturbüro Werner Haase

Energieplaner:  Architekturbüro Werner Haase

TGA-Planer:  Reinhard, Engert, Albert – Beratende Ingenieure GmbH

Simulation:  Wolfgang Sorge, Ingenieurbüro für Bauphysik GmbH

Bedachungen und Fassaden:  Lummel GmbH & Co. KG

Begleitforschung: TU Dresden, Fraunhofer ISE Freiburg, EA Dresden, EASD Dresden

Baujahr der Schule:  1978

BGF:  ca. 25 000 m² gesamt über alle Gebäude

Fassadenfläche:  6280 m² Schulgebäude

Dachfläche:  11 100 m² Schulgebäude

Fensterfläche:  3070 m² Schulgebäude

Fläche Bodenplatte:  11 100 m² Schulgebäude

Projektförderer: BFU Vorkonzept EnOB – Projektträger Jüllich Monitoring

Geplante Energieeinsparung: Reduzierung des Energieverbrauchs um 85  –91 %

Gebäudetechnik

  • Eisspeicher 1250 m³ = 100 MWh
  • Wärmepumpe 30 – 200 kW Heizleistung modulierend
  • Lüftungsanlage mit WR
  • PV-Anlage 500 kWP
  • U-Wert der Außenwände: 0,19 W/m²K
  • U-Wert der Fensterbänder: 0,80 W/m²K
  • U-Wert der Dachflächen: 0,13 W/m²K
  • U-Wert der Bodenplatte: 0,80 W/m²K

Autor

Prof. Jörn P. Lass

ist seit 1. Oktober 2001 Leiter Studienrichtung Technik der Gebäudehülle an der Hochschule in Rosenheim. Vor seiner Berufung zum Professor war er 14 Jahre am Institut für Fenstertechnik (ift Rosenheim) als Geschäftsfeld- und Prüfstellenleiter für Fassaden, Fenster und Haustüren. Ferner war er in der Normung unter anderem in TC 33 (europäisch) und NA 005 (national) tätig. Davor war Lass in mehreren Unternehmen der Fenster-, Türen- und Fassadenbranche als Projekt- und Technischer Leiter beschäftigt.

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