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Klempnertechnik in Sankt Petersburg

Bunte Türme und goldene Kuppeln

Wer versucht, Russland und Klempnertechnik miteinander in Verbindung zu bringen, denkt unweigerlich an den Roten Platz in Moskau. Seit jeher staunen die Besucher über die metallgedeckten farbenfrohen Türme der Basilius-Kathedrale. Doch wie sieht Klempnertechnik an anderen Orten des riesigen Landes aus – beispielsweise in der Fünf-Millionen-Einwohnerstadt Sankt Petersburg? Das ehemalige Leningrad erlebt seit Beginn der 1990er Jahre so etwas wie ein Erwachen aus dem Dornröschenschlaf. Die nördlichste Millionenstadt der Welt ist Unesco Weltkulturerbe und entsprechend reich an Architekturdenkmälern, welche auch aus Klempnersicht einiges zu bieten haben. In einem Atemzug können die goldene Kuppel der Isaakskathedrale oder die nach Moskauer Vorbild gebauten bunten Türme der Auferstehungskathedrale genannt werden. Auch die beiden vergoldeten Türme der Peter-und-Paul-Kathedrale gehören zweifelsfrei zu den Klempnerschönheiten der Stadt. Was aber bietet Sankt Petersburger Klempnertechnik abseits der Touristenpfade, etwa auf den Wohnhäusern der Vorstadtbezirke? Und wer könnte solche Fragen besser beantworten, als ein Klempner aus Sankt Petersburg?

Kupferglanz auf stählernen Füßen

Anlässlich eines Besuches bei der BAUMETALL-Redaktion präsentierte Waldemar Schößler stolz sein jüngstes Projekt – eine 20 Minuten vom Stadtzentrum entfernte kupfergedeckte Wohnhaussiedlung. Präzise verlaufende Stehfalze und ausgeklügelte Kehlen dominieren die Dachflächen. Auch die Details zeugen von Fachkenntnis. Selbst geometrisch anspruchsvolle Anschlüsse, etwa an den Schornsteinverwahrungen, sind in akkurater Falztechnik ausgeführt. Überaus interessant, ist der Blick unter die sechs Stehfalzwalmdächer der Villensiedlung. Deren Dachkonstruktion besteht aus einem fachwerkartigen Tragwerk, wie man es hierzulande eher vom Trockenbau kennt. Stählerne Profile und Rahmen, die auf der massiven Betonzwischendecken verschraubt wurden bilden, den Dachstuhl. Die Betondecken wurden mit kaltselbstklebenden Bitumenbahnen versehen. Leider erfüllt die bituminöse Schicht die Funktion als Dampfsperre nur noch bedingt. Zu mangelhaft ist die Verklebung der Stoßbereiche. Hinzu kommen zahlreiche schlecht oder überhaupt nicht abgedichtete Durchdringungen sowie Dübelbefestigungen. Die Ausführungsfehler zeigen bereits erste Auswirkungen. Die lose aufliegende Wärmedämmung ist durchnässt und an der Holzplattendecke unter der Kupfereindeckung bildete sich an manchen Tagen Reif.

Dachrinnen auf russisch

Warum die fehlende Verklebung der Dampfsperre bislang ignoriert wurde? Waldemar Schößler winkt ab: „Das Wort eines Handwerkers ist bei uns nicht besonders viel wert. Wenn ein Ingenieur etwas behauptet, dann muss es eben so gemacht werden. Da hilft es auch nicht viel, wenn wir während der Bauphase auf Fehlerquellen hinweisen. Solange der bauphysikalische Fehler von außen nicht zu sehen ist, kümmert sich niemand ernsthaft darum. Vielleicht wurde aus diesem Grund auch auf den Einbau von Dacheinstiegsluken verzichtet.“ Diese Auskunft könnte erklären, warum die Dachrinnen an den Gebäuden fehlen. Die Planer der Siedlung sind der Meinung, dass die Rinnen bei entsprechendem Bedarf immer noch nachträglich angebracht werden können. Diese Unsitte scheint in Russland weit verbreitet zu sein. Selbst durch Niederschlags- und Schmelzwasser verursachte Bauschäden, etwa an tieferliegenden Terrassen oder Balkonen, ändern an dieser Grundeinstellung nichts.

Wer in Sankt Petersburg auf Dachrinnen nicht verzichten möchte, setzt oft Aufliegerinnen mit entsprechenden Dreikanthaltern ein. Das weit verbreitete Rinnensystem ist überaus stabil, hat jedoch den Nachteil, dass vor der Entwässerungsebene montierte Gesimse nicht kontrolliert entwässert werden können. An den Ablaufpunkten wird das Regenwasser in Rinnenkesseln, stets gleicher aber kunstloser und langweiliger Bauart gesammelt. Waldemar Schößler: „Fast immer fertigen die Klempner diese Sammeleimer ebenso wie Rinnenprofile, Halter und Blenden mit einfachsten Werkzeugen selber an. Zum Einsatz kommt dabei in den häufigsten Fällen verzinkter Stahl, der je nach Bedarf gefärbt wird.“

Weltstadt der Klempnertechnik

Neben der Liebe zum Beruf ist es vor allem der Berufsstolz, durch den Herzblutklempner aus aller Welt zueinander finden. Nützlichstes Werkzeug sind bei dieser Art von Zusammenarbeit nicht Blechschere oder Holzhammer, sondern vielmehr der PC und die Internetangebote von Skype oder Foren wie der Klempnerzukunft. Waldemar Schößler: „Per Skype telefoniere ich zum Nulltarif via Internet mit meinen Kollegen zwischen Süddeutschland, Skandinavien und Russland. Auch die neuesten Fotos unserer Arbeiten senden wir von einem Land in das andere oder zeigen sie den Kollegen auf https://www.baumetall.de“.

Im September 2009 rückt Klempnertechnik aus Sankt Petersburg ganz ohne Internetchat in das Öffentlichkeitsinteresse. Dann werden sich im Rahmen der IFD**-Weltmeisterschaft junge Dachdecker aus aller Welt beim Metalldachdecken messen und Waldemar Schößler ist schon heute gespannt, ob er auf der „Metalldach-WM“ neue Kontakte knüpfen kann. „Wer den Ehrgeiz besitzt, ständig Neues dazulernen zu wollen, der muss eben die Augen offen halten, auch dann, wenn die Kollegen der Dachdecker Metallschönheiten zaubern“.

Deutsche Klempnertechnik als Exportschlager

Waldemar Schößler lebt und arbeitet in Sankt Petersburg. Er ist leidenschaftlicher Klempner und erweiterte sein Fachwissen während eines zehnjährigen Aufenthaltes in München, wo er bis 2007 beim alteingesessenen Spenglerfachbetrieb Rudolf Höglmeier GmbH beschäftigt war. Noch immer ist er beeindruckt von der Präzision, mit der seine bayerischen Kollegen täglich Kupferdächer oder Titanzinkfassaden fertigten. Und im selben Atemzug beklagt er, wie wenige seiner Kollegen in Sankt Petersburg bis heute das nötige Gefühl für Metall und vor allem für anspruchsvolle Klempnertechnik entwickeln. Gut ausgebildete Kollegen kennt Waldemar Schößler nur eine Handvoll und er fügt an: „Leider sind auf vielen Dächern die mangelhaften Details weithin sichtbar. Wie ein roter Faden ziehen sich Ausführungsfehler durch unsere Baulandschaft. Fehlende Dampfsperren, triefnasse Wärmedämmung sowie keine oder viel zu gering dimensionierte Dachentwässerungsanlagen sind keine Seltenheit.“ Besonders tragisch empfindet der metallverliebte Sankt Petersburger das Fehlen von Gerüsten, wodurch die auf regennassen oder gefrorenen Dachflächen ohnehin gefährliche Arbeit zum unberechenbaren Risiko wird.

*Waldemar Schößler (li.) ist leidenschaftlicher Klempner in Stankt Petersburg

** Die IFD ist die weltweit höchste Interessenvertretung des Dachdeckerhandwerks

Waldemar Schößler*

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