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Die Digitalisierung bedroht das Handwerk nicht …

Moderne und Tradition müssen kein Widerspruch sein, wie ein Besuch bei der Spenglerei Schnyder AG im Schweizer Städtchen Elgg zeigt. Die Digitalisierung ist hier bereits weit fortgeschritten. Doch Unternehmensleiter Valentin Schnyder ist sich der historischen Wurzeln seines Berufs durchaus bewusst, wenn er alte Fotografien aus vergangenen Zeiten des Betriebes zeigt. Schnyder, der noch vier Jahre lang unter Fredy Lattmann, dem Inhaber in der fünften Generation der Spenglerei Lattmann, arbeitete, durfte schließlich den Betrieb „für ein Sackgeld“ übernehmen: „Ein fließender Übergang. Ich hatte genug Zeit, die Kundschaft kennenzulernen und die Meisterprüfung zu absolvieren.“ Als Ein-Mann-Betrieb gestartet, entwickelte sich das Unternehmen rasch. Inzwischen sind 35 Mitarbeitende auf der Lohnliste. Der Fuhrpark besteht aus 28 Motorfahrzeugen, zwei Kranen, drei Lastkraftwagen und zwölf Lastanhängern. Im modernen Sitzungszimmer und im Gang der geräumigen Werkstatt sind große Flachbildschirme an Wand und Decken montiert, die beispielsweise über die Einsatzpläne der Belegschaft orientieren.

Vom Touchscreen auf die Maschine

Zum zentralen Digitalwerkzeug im Betrieb hat sich Bendex etabliert. Mit der leistungsstarken Entwurfs- und Produktionssoftware lassen sich per Mausbewegung am Bildschirm oder via Freihandeingabe auf dem Touchscreen der Anlage Biegeteile zeichnen. Bendex liefert so eine Unterlage für die Angebotsphase, zur Auftragsbestätigung sowie zur internen Arbeitsvorbereitung. Doch das ist nur der Anfang. Die Spenglerei Schnyder AG hat inzwischen ihre Produktion an Biegeteilen dank dieser Software rationalisiert. Sämtliche Produktionsdaten werden vollautomatisch erzeugt und an die entsprechenden Maschinen übermittelt.

Von beeindruckender Größe ist beispielsweise die Bandschneidemaschine des Typs Krasser Centurio. Diese Maschine (mit einem Lager von neun Coils zu je 5 t) ist in der Lage, unterschiedlichste Aufträge in kürzester Zeit durchzuführen. Das einzelne Coil wird vollautomatisch zur Schneidemaschine transportiert und mittels patentierter Vorrichtung eingespannt. Die Messer der Rollenscherpaare werden vollautomatisch positioniert. Das Bandblech wird in Längsstreifen gespalten und mittels einer Rollenschere quergeteilt. Der Personalaufwand reduziert sich dabei auf die Steuerung per Touchscreen.

Schnell und trotzdem präzise

Gleichwohl dient die digitale Anbindung des Maschinenparks nicht einfach dem Vergnügen an moderner Technik. Denn auch handwerkliche Betriebe sehen sich mit einer breiten Materialvielfalt, einer sich wandelnden Nachfrage nach individualisierten Bauteilen und eng getakteten Montagezeiten am Bau konfrontiert. Wer in diesem Umfeld schneller und dennoch präzise arbeitet, gewinnt den Auftrag. Valentin Schnyder blendet zurück: „Früher verbrachten wir viel mehr Zeit auf der Baustelle. Wir erstellten ein Modell-Werkstück. Dann prüften wir Schnitt, Stanzung und Biegung an der Baustelle und passten manuell an. Je nach Wetter und Platz auf der Baustelle ist das ja nicht immer so angenehm.“ Daraus ergibt sich ein frappanter Produktivitätsfortschritt, wie der diplomierte Spenglermeister weiter erläutert: „Jetzt können wir einen Großteil der Spenglerarbeiten in der Werkstatt erledigen. Überdies produzieren wir nicht mehr nur Profile, sondern ganze Bauteile, die wir nur noch auf der Baustelle montieren müssen.“

Der digitale Fortschritt ist auch einer verbesserten Koordination auf dem Bau förderlich. Valentin Schnyder denkt an die Vorfertigung im modernen Holzbau. Mit der vorgängigen Übernahme digitalisierter Baupläne sei es nun möglich, Metallteile herzustellen, bevor ein Holzbauwerk schon steht. „So helfen wir als innovativer Betrieb unseren Partnerfirmen, deren Zeitvorgaben zu erfüllen.“

Onlineshop für individuelle Bleche

Das Produkt Bendex basiert auf einem Software-as-a-Service-Konzept. Das heißt: Für die Nutzung und den Betrieb zahlt der Servicenehmer ein Nutzungsentgelt. Da inzwischen viele Spenglereien die Bendex-Software installiert haben, sind diese in der Lage, die topmoderne Werkstatt der Spenglerei Schnyder AG für ihre eigene Blechbearbeitung zu nutzen. Mit der digitalen Anbindung übers Internet wird die Spenglerei in Elgg zur digitalisierten Blechbearbeitungsfabrik im Kleinformat. Erstaunlicherweise braucht es für die Abwicklung dieser Fremdaufträge nach individuellen Vorgaben nur noch ein Minimum an menschlicher Interaktion; also weder Bestelladministration, noch E-Mail-Verkehr noch ein Telefonat. Denn die Kalkulation und der Materialverbrauch werden externen Bendex-Benutzern, die auf den Maschinenpark in Elgg zugreifen dürfen, direkt angezeigt. Über einen Onlineshop gelangen diese schließlich zur definitiven Auftragsbestellung. Bereits bei der Aufzeichnung des Blechprofils rechnet die Bendex-Software kostenrelevante Daten durch.

Der Werkstattchef braucht nur noch auf den Startknopf zu drücken, damit die einzelnen Prozesse termingerecht ausgeführt werden. „Mit der Angebotserstellung habe ich so gut wie nichts mehr zu tun. Wir stellen die produzierte Ware zum Versand bereit. Das ist wie bei einem Pizza-Service“, illustriert Valentin Schnyder den Ablauf. In der Regel wird der Auftrag über einen elektronischen Abgleich zwischen zwei Konti (zwischen dem Besteller und dem Ausführenden) bezahlt. Weder Einzahlungsschein noch Rechnung sind nötig. Die Administration wird auf ein Minimum reduziert, was für den Betrieb wirtschaftlich von Vorteil ist. Schnyder bringt es auf den Punkt: „Digitalisierung rationalisiert vielleicht das Büro weg, niemals aber das Handwerk.“

Optimierte Logistik

In der Werkstatt arbeiten drei bis zehn Personen in der Profil-Produktion und verpacken die Profile fachgerecht. Je nach Kundenwunsch kann man die bestellte Ware selbst abholen oder direkt aufs Dach bestellen. Die Baustellenlogistik der Spenglerei Schnyder AG machts möglich: Dazu wird mit dem Besteller oder der Bauleitung eine Zustellzeit vereinbart. Dank eines leichten LKW (bis 9 t Leergewicht) und einem Krananhänger ist das Spenglereiunternehmen in der Lage, die bestellte Ware mit einem einzigen Ladezug auf den Montageplatz aufs Dach zu bringen. Die Vorteile sind für den Chef offensichtlich: „Der Handwerker hat eine viel bessere Tagesleistung, wenn die Dachpappe, das Dämmmaterial und die Bleche übersichtlich auf dem Dach zwischenlagern.“

Dank einer Dispositionssoftware orchestriert der Chef seine Servicehandwerker und Logistiker. Die eingebaute Navigation kennt sogar die Staumeldungen und Fahreinschränkungen, die auf dem Weg zum Zielort auftauchen könnten, und wählt Alternativen aus. Mittels GPS-Ortung, Voicemail und Sprachsteuerung werden die Aufträge optimiert. Mithilfe der Digitalisierung kann also die Auslastung der Fahrzeuge optimiert werden und dank digitaler Vernetzung tauscht die Spenglerei Schnyder Kranaufträge mit Partnerfirmen aus der übrigen Schweiz aus.