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„Mal schnell ’ne Kugel machen – das geht nicht!“

Michael Messerschmidt steht breitbeinig vor seiner Werkbank wie gewiss schon Tausende Male im Laufe der letzten Jahre. In doppelter Schulterbreite halten seine Hände die Holzgriffe von mittlerweile als historisch anzusehenden Werkzeugen umschlossen. Während alles bisher in gewohnter Ordnung ablief, hält er nun mitten im Bewegungsablauf inne und blickt mit festem Blick in die Runde. Ebenso fest konzentriert und gespannt wie seine ganze Gestalt. Er weiß, dass es wichtig ist zu vermitteln, worauf es ankommt.

Um ihn herum haben sich die sieben Teilnehmer samt Laura Kornhaaß von der BAUMETALL-Redaktion mit möglichst guter Sicht auf die grün gestrichene Drückbank postiert. Mit der rechten Hand rückt Michael das Vorgelege ein, und das Spannfutter beginnt, sich zu drehen. In dieses war zuvor eine Form aus dem Kunststoff Pertinax geschraubt worden. Zwischen ihr und dem Reitstock findet sich eine Metallronde aus 0,7 mm dickem Titanzink. „Mit Zink geht es am leichtesten, wenn man es noch nie zuvor gemacht hat“, hatte Michael zuvor hinsichtlich seiner Materialauswahl Zuversicht verbreitet. Das erscheint auch angebracht, denn zu Zeiten, in denen per Europäischer Maschinenrichtlinie sämtliche frei drehenden Teile hinter Abdeckungen verschwinden, um keinen Nutzer zu gefährden, mutet die offen rotierende Metallscheibe, der mit massiven Werkzeugen zu Leibe gerückt werden soll, reichlich abenteuerlich an.

Das war schon immer so: Wenn der Meister etwas vormacht, dann gilt es aufzupassen 

Bild: BAUMETALL

Das war schon immer so: Wenn der Meister etwas vormacht, dann gilt es aufzupassen 

Wissen vermitteln ohne Lehrbuch

Doch ging es Meister Messerschmidt keinesfalls darum, Vorgaben der Brüsseler Bürokratie zu foppen. Vielmehr war es sein Ziel, Wissen zu vermitteln, das viele Jahrzehnte älter war als die europäischen Richtlinien: Ohne weitere Erläuterungen setzt er den hebelgesteuerten Rollenmechanismus nahe des Drehzentrums an und drückt ihn zugleich mit geschmeidig anmutender Bewegung zur Form hin. Das Metall folgt dem äußeren Druck scheinbar völlig widerstandslos und legt sich, von den Rollen geführt, mehr und mehr an die Form an.

Je weiter Michael dem äußeren Rand kommt, desto mehr verändert sich der Bewegungsablauf. Er wird später erläutern, dass das Material außen gestaucht werden muss. Doch er hat schon mehrere Seminare für BAUMETALL abgehalten und weiß, dass Erläuterungen zum passenden Zeitpunkt gegeben werden müssen, um nicht ungehört zu verhallen.

So stellt er kurz darauf die Halbkugel fertig, rückt das Vorgelege aus, die Drehbewegung kommt zum Stillstand. Er spannt das geformte Zinkblech aus und gibt es einem Nahestehenden. Der reicht es weiter, das Bauteil macht die Runde. „So – wer möchte es versuchen?“ Ein Teilnehmer stellt sich vor die Maschine, spannt seine Zinkronde ein und nimmt die Drückwerkzeuge in die Hand. Nach geringfügigen Korrekturen von Position und Handhaltung sieht sich der Kandidat gewappnet und schaltet die Drehbewegung ein. Was zuvor so spielerisch leicht aussah, wird nun nachzuahmen versucht. Obwohl sich das, was sich vor aller Augen zu formen beginnt, noch nicht wesentlich vom Vorführstück des Meisters zu unterscheiden scheint, weiß dieser, dass dem „Drück-Novizen“ der schwierigste Teil noch bevorsteht: „Es wird kaum aufs erste Mal gelingen. Ich habe gut zehn Jahre intensiver Arbeit gebraucht, bis ich sagen konnte, dass ich es kann“, bremst Michael die sich erkennbar beim Kandidaten breitmachende Euphorie.

„Schüsseln“ sind unerwünscht

Kaum ausgesprochen, verändert sich das Geräusch des drehenden Teils: Aus dem eher gleichmäßigen „Flirren“ wird nur innerhalb weniger Umdrehungen ein an die Rotoren eines Hubschraubers erinnerndes „flapp – flapp – flapp …“ – es „schüsselt“, wie der Fachmann zu sagen pflegt. Zeitgleich dazu löst sich die klare Randkontur zunehmend auf und wird als Detail nicht mehr erfassbar. Als die Drehbewegung abgestellt wird, hat sich die einst präzise Kante in eine mehr oder minder gleichmäßig gewellte Welle gewandelt.

„Noch können wir es retten – soll ich?“, bietet Michael Hilfe an. Selbstredend regt sich kein Widerspruch und jede(r) der Anwesenden hofft, es so hinzubekommen, dass die Hilfe nicht in Anspruch genommen werden muss. Aber das Wissen um diesen Rettungsanker beruhigt und so sehen alle zu, wie Michael ein Stück Holz in die Hand nimmt und das Blech wieder in Rotation versetzt. Er drückt das Holz gegen die Blechwellen. Diese scheinen bei jedem Anschlagen gegen den Widerstand zu protestieren, reißen kleine Stückchen aus der Oberfläche des Stabes, es beginnt aufgrund der Reibung zu qualmen. Aber das unangenehme Geräusch verschwindet, die Kontur dreht wieder zunehmend gleichmäßig.

„So – geschafft: Wenn es nach außen geht, muss das Material gestaucht werden. Sonst passiert genau das, was ihr vorhin gesehen habt. Wenn man dann nicht rechtzeitig gegensteuert, ist die Halbkugel nicht mehr zu retten. Da kann dann auch schon mal ein Blech zerstört werden.“ Da war es wieder, dieses Ins-Bewusstsein-Bringen der am Material waltenden Kräfte. Diese sind zwar notwendig, weil sich sonst keine Form bzw. Verformung einstellt. Allerdings müssen sie zielgerichtet eingesetzt werden und letztlich gegenläufig: In der Nähe des Zentrums drückend und ab der Mitte bis außen stauchend.

Selbst bei noch so ernster Arbeit darf der Spaß nicht zu kurz kommen: Der Meister hat den Zink-Hut auf

Bild: BAUMETALL

Selbst bei noch so ernster Arbeit darf der Spaß nicht zu kurz kommen: Der Meister hat den Zink-Hut auf
So soll es sein: Alles läuft rund 

Bild: BAUMETALL

So soll es sein: Alles läuft rund 
Noch sieht es nicht nach einer Halbkugel aus. Aber konzentriert arbeitet unser Autor Marc Warzawa darauf hin

Bild: BAUMETALL

Noch sieht es nicht nach einer Halbkugel aus. Aber konzentriert arbeitet unser Autor Marc Warzawa darauf hin
Nur die Handschuhe scheinen größer als die Aufgabe, der sich BAUMETALL- Redakteurin Laura Kornhaaß stellt

Bild: M.Warzawa

Nur die Handschuhe scheinen größer als die Aufgabe, der sich BAUMETALL- Redakteurin Laura Kornhaaß stellt
Für Armin Dobler und Manfred Hofmann ist die Vorgehensweise klar. Nun folgt deren Umsetzung

Bild: BAUMETALL

Für Armin Dobler und Manfred Hofmann ist die Vorgehensweise klar. Nun folgt deren Umsetzung

Können erfordert Wollen

Obwohl das alles bekannt ist und gleichsam spielerisch leicht aussieht, erfordert es viel Übung. Übung, die eben den Meister macht. Das zeigte sich bei allen Folgenden und obwohl sich jeder die Worte des Meisters „zu Herzen nahm“, erforderte es mehr oder minder intensiv dessen Eingreifen. Als alle ihre erste Halbkugel erstellt hatten, wurden belegte Brötchen gereicht. Während alle mehr oder minder damit „die Schnauze voll“ hatten, erläuterte Michael Messerschmidt, wie er zu Nakra gekommen war: Nachdem er bereits mehrere Jahre mit Ralf Schmidt und Nakra zusammengearbeitet hatte, bot sich 2016 für Messerschmidt die Möglichkeit, die Nakra in sein bestehendes Unternehmen zu integrieren. Er zögerte daraufhin nicht lange und holte deren Maschinenpark in die 1000 m2 große Lager- und Fertigungshalle.

Dass dieser Schritt richtig war, zeigen die vollen Auftragsbücher. Denn das Know-how der Blechspezialisten aus Fambach ist überall da gefragt, wo Blech in nicht alltäglicher Art für Dach und Fassade benötigt wird. Üblicherweise hat er die Aufgabe, bestehende und dem Zahn der Zeit anheimgefallene Dachornamente, Fassadenteile oder Gauben zu demontieren und möglichst originalgetreu nachzubauen. Dass dabei konstruktive Schwachstellen des Originals quasi nebenbei ausgemerzt werden, versteht sich für den Blechspezialisten aus Thüringen von selbst. Er und seine Mitarbeiter haben sich ein breites Spektrum von Techniken angeeignet, um Originale abzuformen und so die Voraussetzung zu schaffen, dass Neues den Glanz des Alten fortbestehen lässt. Ein Teil dessen sind auch die gedrückten Kugeln, welche die Teilnehmer des BAUMETALL-Kurses erstellen.

Zunächst noch unbekannte Werkzeuge sollten im Laufe des Tages bald zu vertrauten werden

Bild: BAUMETALL

Zunächst noch unbekannte Werkzeuge sollten im Laufe des Tages bald zu vertrauten werden
Der Friedhof alternder Schönheiten weckt Begehrlichkeiten: Bei Nakra türmt sich im Hinterhof mehr als in den Vitrinen mancher Museen

Bild: M.Warzawa

Der Friedhof alternder Schönheiten weckt Begehrlichkeiten: Bei Nakra türmt sich im Hinterhof mehr als in den Vitrinen mancher Museen

Wenn aus Öl Sommersprossen werden

Zwischenzeitlich hat ein anderer Lernwilliger seine Blechronde eingespannt, meint zu wissen, wie es geht, und legt zügig los. Messerschmidt mahnt zu Ruhe und Geduld: „Ich muss mal schnell ’ne Kugel machen – das geht nicht“, so seine Erfahrung. Ebenso gilt darauf zu achten, mit Öl sparsam umzugehen. Denn während das Sprichwort besagt, dass derjenige gut fahre, der gut schmiere, ist beim Metalldrücken „nur ein Hauch“ des genannten Stoffs gefragt. Was zunächst etwas widersinnig klingt, zeigt seinen Sinn nach dem Einschalten der Rotation: Wer nicht hören wollte und zuvor reichlich ölte, bekommt fein verteilte Spritzer ab, die im Gesicht stark an Sommersprossen erinnern. Nicht nur das sorgt für Belustigung. Insgesamt ist die Stimmung locker und die Vorfreude groß, die selbst gedrückten Kugelhälften mit nach Hause nehmen zu können. Damit sie außen zusammenpassen, wird mittels Sickenmaschine auf einer Halbkugel ein schmaler Streifen nach innen abgesetzt. Bevor sich alle nach einem erlebnisreichen Tag, der einem gar nicht wie ein Arbeitstag erschien, in den Feierabend verabschieden und auf den Nachhauseweg machen, führt Michael Messerschmidt durch seinen Betrieb: Es geht vorbei an Formen und Maschinen, an Werkzeugen und Rohteilen und all dem, was Nakra in der Welt der Spengler bekannt und für Architekten und Bauherrn interessant macht.

Jeder Teilnehmer konnte am Ende des Kurses seine selbst gedrückte Kugel mit nach Hause nehmen

Bild: BAUMETALL

Jeder Teilnehmer konnte am Ende des Kurses seine selbst gedrückte Kugel mit nach Hause nehmen

Metalldrückgrundregeln frei nach ­Michael ­Messerschmidt:

Zum Schluss fügt sich zusammen, was zusammengehört, und aus zwei Hälften wird ein Ganzes

Bild: BAUMETALL

Zum Schluss fügt sich zusammen, was zusammengehört, und aus zwei Hälften wird ein Ganzes

Mit diesen einfachen Tipps und Tricks fällt der Einstieg in die Arbeit mit der Drückbank leichter:

  • Keine Angst vor dem Metall!
  • Drückformen fertigt man selbst, und zwar auf der Maschine, auf der auch gedrückt wird.
  • Zuerst: zentrieren!
  • Falten entstehen durch gewaltige Kräfte und können somit auch nur mit gewaltigen Kräften wieder entfernt werden.
  • Es kommt auf das Gefühl an! Das Material kann man an ­Werkzeugen und Form spüren.
  • Mit roher Kraft kommt man nicht zum Ziel.
  • Zum Schluss drückt das Gehör immer mit: Es muss sich richtig anhören.
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