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Schindelquirl

Unser täglich Blech gib uns heute. Wer vor dem Paneum, der Wunderkammer des Brotes, steht, könnte beim Anblick der organisch geformten Edelstahlhülle leicht auf die Idee kommen, dass zur Montage der 3131 Edelstahlschindeln dieses und andere Gebete gen Himmel geschickt wurden. Warum? Weil das an einen gekneteten Brotteig erinnernde Edelstahlgebilde aussieht, als hätten höhere Mächte bei Planung, Vorfertigung und Montage die Finger im Spiel gehabt. Wieder einmal ist den Spenglern und Technikern der Fassaden- und Metalldachspezialisten von Lummel aus Karlstadt ein großer Wurf gelungen. Ganz nach dem Motto „Da staunt der Fachmann und der Laie wundert sich“ reckt sich die edelstahlumhüllte Wunderkammer gen Himmel. Die diagonal geknickten Edelstahlschindeln der dreidimensionalen Fassade reflektieren das Umgebungslicht und funkeln wie die Facetten eines geschliffenen Diamanten in der Sonne. Um die organische Bauform fachgerecht zu bekleiden, wurden verschiedene Schindeltypen gefertigt und schuppenförmig montiert. Je nach Position weisen diese flache oder tiefe Rückkantungen auf und greifen dadurch perfekt ineinander – schmiegen sich geradezu an den aus Brettschichtholz gefertigten Grundkörper.

Erlebnisarchitektur

Kanten und fließende Linien, Holz und Edelstahl, Tradition und Innovation, hell und dunkel: Die Architektur des Paneums lebt von der Kombination der Gegensätze – bezieht aus Kontrasten Dynamik und Faszination zugleich. Wer zufällig an dem innovativen Museumsgebäude vorbeifährt, kommt um folgende Frage nicht herum: Was ist das? Eine in der Sonne schimmernde Wolke? Ein silberner Teigklumpen? Oder vielleicht doch etwas ganz anderes? Wer die Wunderkammer des Brotes hingegen ganz bewusst besucht, stellt sich bereits im Vorfeld auf eine Reise in die Welt des Brotes ein. Errichtet, um dem wichtigsten Nahrungsmittel der Menschheit ein respektvolles Denkmal zu setzen, würdigt die herausragende Architektur das Grundnahrungsmittel des westlichen Kulturkreises. Die architektonische Entdeckungsreise im österreichischen Asten trägt die Handschrift von Wolf D. Prix, CEO von COOP Himmelb(l)au. Das zu den renommiertesten Architekturbüros der Welt zählende Planungskonsortium hat erneut ganze Arbeit geleistet. Schon beim ersten Treffen zwischen Architekt und Auftraggeber, Backaldrin-Inhaber Peter Augendopler, entstand eine Entwurfsskizze zum Gebäudekonzept:

Eine „Box“ bildet das Fundament des Bauwerks. Darin befindet sich das Kundeninformationszentrum und ein Veranstaltungsforum für bis zu 120 Gäste. Die Wunderkammer des Brotes selbst wird über eine spiralförmig angelegte, freitragende Treppe erschlossen. Das imposante Treppenauge erinnert dabei an ein gigantisches Windspiel. Prix zitiert damit den Mailänder Künstler Maurizio Cattelan, der dasselbe im Guggenheim-Museum in New York gemacht hat. Die Treppe führt hinauf in den Freiform-Gebäudeteil, der eine Kombination von Gegensätzen bildet. Der edelstahlumhüllte „Aufsatz“ kontrastiert nicht nur mit der rechteckigen Box aus Beton, sondern schafft auch einen faszinierenden Gegensatz zwischen innen und außen. Während außen über 3000 unterschiedliche Edelstahlschindeln silbern in der Sonne glänzen, wird innen die Holzstruktur des Gebäudes sichtbar. Geschwungene Linien ermöglichen dem Besucher – im wahrsten Sinne des Wortes – einen Rundgang durch alle Ausstellungsbereiche.

Die Ausstellung

Die Gestaltung basiert auf der Idee, ein Sammlungskonzept aus der Barockzeit umzusetzen. Dieses Konzept bietet sich aufgrund der ungewöhnlichen und kleinteiligen Objekte der Sammlung rund um das Thema Brot an und wird zeitgemäß interpretiert. Das Zentrum der „Wunderkammer des Brotes“ bildet dazu ein kreisförmiges Atrium, in dem ausgewählte Sammlungsstücke einzeln – wie bei einem Kristalllüster – von oben abgehängt sind. Der von einer spiralförmigen Treppe umgebene Raum erlaubt es dem Besucher, die Objekte von verschiedensten Blickpunkten aus zu betrachten. In beiden Ausstellungsebenen werden die Objekte mithilfe integrierter Wände, Tische und Vitrinen präsentiert. Zusätzlich sind alle Ebenen mit einem Lift erschlossen. Das Atrium ist von oben natürlich belichtet – die Ausstellungsflächen sind zusätzlich mit Kunstlicht illuminiert.

Hintergrund

Das Lebensmittel Brot spielt im Paneum und erst recht in der menschlichen Existenz eine herausragende Rolle. Es bestimmt das Überleben sowie den kulturellen und religiösen Alltag. Das Paneum verneigt sich symbolisch und mit entsprechendem Respekt vor dem Grundnahrungsmittel Brot. Auf der Internetseite des Betreibers heißt es: „Wer die Wunderkammer des Brotes betritt, begibt sich auf eine Reise in eine faszinierende Welt. Ausgehend von der Erfindung des Brotes führt der Weg bis zur Brotvielfalt dieser Tage. Kunst- und Kulturobjekte aus 9000 Jahren und vielen Teilen der Welt laden zum Staunen ein. Das Paneum ist ein Erlebnis, das alle Sinne berührt. Eine Ausstellung, die Augen, Ohren, Münder und Geist für das Wunder Brot öffnen will.“

Die Außenhülle

Das Kundeninformationszentrum und Veranstaltungsforum der Firma Backaldrin besteht aus zwei Baukörpern: Ebenerdig befindet sich ein quaderförmiges Sockelgebäude mit Foyer und Veranstaltungsräumen. Darauf aufgesetzt thront die zweistöckige Wunderkammer des Brotes, deren Freiform an einen gekneteten Teig erinnert. Die Materialwahl verstärkt den Kontrast beider Elemente: Das eckige Sockelgebäude zeigt eine Sichtbetonfassade, während die geschwungene Holzkonstruktion des Ausstellungsbereichs mit Edelstahlschindeln bekleidet ist. Für den frei geformten Ausstellungsbereich wurde eine selbsttragende Holzschalenkonstruktion aus Brettschichtholz entwickelt. Der hohe Vorfertigungsgrad führte zu kurzen Bauzeiten. Da die präzise in 3D-CNC-Technologie (Computerized Numerical Control) gefrästen Holzelemente im Inneren nur lasiert wurden, war ein zusätzlicher Innenausbau nicht notwendig. Außenseitig wurde eine kleinteilige Edelstahlhülle aus Schindeln vorgehängt. Der Fassadenaufbau von innen nach außen ist:

  • Holzschalenkonstruktion aus Brettschichtholz
  • Kaltselbstklebende Dampfsperre
  • Zweiteilige, verstellbare und formgebende Distanzkonsole
  • 240-mm-Zwischenraum-Wärmedämmung
  • 1,5-mm-Galvalume-Tragschale
  • Abdichtungstrennlage und Schallschutzbahn
  • Schuppenförmige Fassadenschindeln aus 1,0-mm-Edelstahl

Die Edelstahlschindeln schmiegen sich aufgrund ihrer unterschiedlich ausladenden Rückkantungen schuppenförmig und passgenau an die frei geformte Gebäudekontur an. Sie sind schindeltypisch ineinander eingehängt. Eine Diagonalkantung in der Ansichtsfläche stabilisiert und strukturiert jedes einzelne Fassadenelement.

Von der Idee zum Ergebnis

Georg Lummel und sein Team sind begeistert und zu Recht stolz auf das Ergebnis. Dass aus einer einfachen Handskizze, welche der versierte Spenglermeister bei der ersten Besprechung anfertigte, ein Projekt wie das Paneum entsteht, ist immer wieder erstaunlich. „Trotz 3D-Rendering und anderen hoch technologisierten Fertigungsverfahren ist traditionelles Spenglerhandwerk durch nichts zu ersetzen“, weiß Lummel. Noch immer folgt der Projektentwicklungsprozess einer strikten Reihenfolge: Nach ersten Entwurfsskizzen werden Muster gefertigt, die aufzeigen, was technisch überhaupt möglich ist. Erst dann werden die Konstruktionen im Büro geplant, die Statik erstellt und 3D-Pläne angefertigt. Handwerkliche Erfahrung ist somit durch nichts zu ersetzen, denn selbst der beste 3D-Zeichner kann nicht abschätzen, ob das von ihm visualisierte Bauteil technisch auch herstellbar ist. Lummel betont, dass die handwerkliche Umsetzung und die damit verbundene Erfahrung somit vom ersten Augenblick an das zentrale Element jedes Auftrages darstellen. So gesehen sind das Abwickeln eines geschwungenen Rinnenkessels und das Konstruieren beeindruckender Fassaden direkt miteinander vergleichbar. Fachgerecht ausgeführt veranschaulichen beide Ergebnisse, wozu Spengler und Klempner in der Lage sind.

Bautafel

HAUS DES BROTES II

Bauherr: Backaldrin Österreich, The Kornspitz Company GmbH

Architektur: COOP Himmelb(l)au,Wolf D. Prix & Partner ZT GmbH

Fachbetrieb: Lummel GmbH, Karlstadt

Design Principal: Wolf D. Prix

Designpartner: Karolin Schmidbaur

Projektleiter: Friedrich Hähle, Günther Weber (bis 2015)

Projektteam: Albara Arab, Martina Bighignoli, Daniel Bolojan, Donna Riedel, Benjamin Schmidt, Damian Witt, Denitsa Parleva, Risa Kagami

Design- und Projektarchitekt: Stephan Sobl

Projektzahlen: 3131 unterschiedliche Edelstahlschindeln aus 1,0-mm-Uginox-Edelstahl mit gestrahlter Mirror-Inox-Oberfläche, 1256 m² Fassade,393 m³ und 88 Schichten Brettsperrholz60 000 Holzbauschrauben, 125 t Betonstahl, 55 t Baustahl; 45-t-Stahltreppe

www.lummel.de

www.paneum.at/de/

Fassadenfachbuch

In seinem ab sofort bestellbaren Fachbuch berichtet Autor und Fassadenspezialist Josef Peter Münch auch über dieses beeindruckende Bauvorhaben. Das Buch kann ab sofort bestellt werden unter:

service@baumetall.de

Tel.: (07 11) 63 67 24 04

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