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Turmhoch

Wir haben Ehrfurcht vor den Arbeiten unserer Vorgänger!“ Mit dieser Aussage fassten Thomas Rütsche (Geschäftsführer Waga Spenglertechnik AG) und Andreas Kuster (A. Kuster AG) ihre Hochachtung gegenüber den vor 116 Jahren ausgeführten Spenglerarbeiten zusammen. Als Arbeitsgemeinschaft waren beide Fachbetriebe an der Dachsanierung des Turms der evangelischen Kirche Egelshofen in Kreuzlingen beteiligt. Die Tatsache, dass die Turmeindeckung derart lange gehalten hat, spricht eine deutliche Sprache und zeigt auf: Schon damals holten die Handwerker mit Fachkenntnis und den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten das Optimum an Qualität heraus. Gebührende Wertschätzung gegenüber alter Handwerkskunst an Turmspitze, Kuppel, Ornamenten und Gaubenbekleidungen versteht sich daher von selbst. Doch nicht nur die Kupferkunst, sondern auch die zahlreich vorhandenen handgeschmiedeten Nägel sorgten während der Restaurations- und Erneuerungsarbeiten immer wieder für erstaunte Gesichter. Wie immer bei solchen Aufträgen wurden alle Arbeiten in Absprache mit der kantonalen Denkmalpflege ausgeführt, denn nur dann kann Alt und Neu fachgerecht miteinander verschmelzen.

Kupfer: das Maß aller Dinge

Eine eingehende Prüfung brachte einen schlechteren Zustand der Turmabdeckung zutage als ursprünglich vermutet. Der Kirchenvorstand entschied sich daher zu einer Komplettsanierung der Turmdeckung. Zum Einsatz kam dabei erneut walzblankes 0,6-mm-Kupfer. Das Material hatte sich während all der Jahre bestens bewährt, die Bearbeitungseigenschaften sind hervorragend und die größtmögliche Sturmsicherheit bietet der Werkstoff auch aus heutiger Sicht, so die Experten. Kurz: Kupfer eignet sich nach Meinung der Schweizer Fachleute perfekt für Eindeckungen an extrem exponierten und beanspruchten Bereichen. Zur Verdeutlichung vergleichen sie einen Kirchturm mit einem Baum. Beide trotzen der Natur und widerstehen den Einflüssen von Kälte, Hitze, Sonne, Regen, Schnee, Gewittern und vor allem Wind. Doch nicht nur Bäume und Kirchtürme bewegen sich – auch ein Turmdach ist ständig in Bewegung. Und genau hier liegt auch die große Herausforderung für den Spengler. Die einzelnen Scharen müssen so dimensioniert werden, dass sie durch thermische und physikalische Einflüsse bedingte Längenänderungen aufnehmen können. Wie schon früher erfolgt die Befestigung daher mittels geeigneter Hafte, wobei Montage sowie anschließende Verfalzung viel Fingerspitzengefühl erfordern. Und weil von Hand gefalzte Scharen Bewegungen bekanntlich besser aufnehmen und zudem in der Lage sind, das Eindringen von Wasser effektiv zu verhindern, erübrigen sich an dieser Stelle weitere Worte.

Altes bewerten und neues Wissen anwenden

Die Erfahrung der Handwerker aus der Bauzeit ist in die Planung eingeflossen. In Bezug auf Verarbeitung, Schareinteilung sowie optisches Erscheinungsbild wurden die alten Fertigungsverfahren optimiert und dem heutigen Stand der Technik angepasst. Auf eine funktionale Be- und Entlüftung legten die Fachleute besonderen Wert. Mit zusätzlichen Lüftungselementen wurde eine Optimierung des durchströmbaren Luftraums und damit eine deutliche Klimaverbesserung im Dachstuhl angestrebt, was sich wiederum positiv auf die Lebensdauer der Holzkonstruktion auswirken soll. Durch diese Maßnahme trocknet eventuell eindringende Feuchtigkeit rasch wieder ab – Kondenswasser kann besser entweichen.

Der sorgfältigen Planung folgte die Demontage und fachgerechte Entsorgung der 116-jährigen Metalleindeckung. Gaubenbekleidungen und die mehrteilige, aufwendig gestaltete Turmspitze wurden ebenfalls demontiert und in der Werkstatt fachkundig restauriert beziehungsweise rekonstruiert. Außerdem stellten die Turmspezialisten rund 1000 Gratabdeckungskappen nach Originalvorlage her. Jedes einzelne Bauteil wurde ausgeglüht, vorgerundet, mit der Presse geprägt und anschließend von Hand ausgeschlichtet.

Herzblut und Geschick

Die an der Sanierung beteiligten Fachkräfte haben ganze Arbeit geleistet. In rund 70 m Höhe entstand durch handwerkliches Geschick und Erfahrung sowie das perfekte Zusammenspiel zweier Fachbetriebe ein Meisterwerk. Das sanierte Kirchturmdach wird erneut Generationen überstehen und es beweist einmal mehr, dass der Spenglerberuf eine besondere Faszination ausübt. Warum stolze Spengler unter derart massiven Nachwuchsproblemen leiden, ist den Fachleuten der Waga Spenglertechnik AG und der A. Kuster AG jedoch ein Rätsel. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt und vielleicht tragen weithin sichtbare Projekte wie die Sanierung des Kirchturmes in Kreuzlingen dazu bei, junge Menschen für den Spenglerberuf zu begeistern.

Übrigens: Die rund 40 kg schwere Turmkugel wurde im März 2014 aufgezogen. Einem alten Brauch folgend platzierten die Spengler in Anwesenheit aller am Bau beteiligten Personen sowie des Pfarrers Gunnar Brendler und Vertretern der Kirchengemeinde verschiedene Zeitdokumente darin. In einer eigens angefertigten Schatulle fanden unter anderem Zeitungsartikel, ein USB-Stick und ein Turmbuch Platz. Die Montage der Kugel erfolgte mit vereinten Kräften und bildete den krönenden Abschluss einer viermonatigen, herausforderungsreichen, unfallfreien und allseits befriedigenden Arbeit hoch über den Dächern Kreuzlingens.

Bautafel

Objekt:  Sanierung der Turmeindeckung der evangelische Kirche Egelshofen in Kreuzlingen, Schweiz

Fachbetriebe: Waga Spenglertechnik AG; Sirnach; Schweiz

 A. Kuster AG; Bürglen, Schweiz

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