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UNTER EINER KUPPEL AUS KUPFER

Dem Himmel ein Stück näher

Vom Wert der naturwissenschaftlichen Forschung an der Sternwarte Mannheim ist Spenglermeister Alois Baumann fest überzeugt. Deshalb ließ sich der Geschäftsführer des Fachbetriebs Baumann Dach und Wand auch nicht lange bitten, an der Rekonstruktion des Observationsturmes mitzuwirken. „Wir durften das Kuppeldach aus Kupfer auf das Türmchen aufsetzen und sind stolz auf ein sprichwörtlich weiteres Highlight auf dem denkmalpflegerisch besonders wertvollen Bauwerk“, erklärt der Geschäftsführer den Anteil seines Mannheimer Unternehmens am Projekt. Die 2019 montierte Haube entspricht in ihrer äußeren Form dem barocken Vorbild, das die Sternwarte gut 86 Jahre lang gekrönt hatte.

Die Anlieferung der Kuppel per Tieflader an der Mannheimer Sternwarte

Bild: Roland Rossner

Die Anlieferung der Kuppel per Tieflader an der Mannheimer Sternwarte

Witterungsbeständige Haube

Der Traditionsbetrieb bekleidete die ungefähr 35 m² große Fläche mit dem walzblanken Werkstoff in Stehfalztechnik. Die Entscheidung zugunsten des Halbedelmetalls fiel aus zwei Gründen: Zum einen orientiert sich die Bekleidung an der historischen Eindeckung. Weil die erste Kuppel aus Kupfer bestand, kam zur Rekonstruktion nur dieser Werkstoff infrage. Zum anderen ist das Metall korrosionsbeständig und garantiert eine lange Lebensdauer bei geringem Wartungsaufwand. Der Grundriss der Kuppel besteht aus einem regelmäßigen Achteck. Aufgrund der gleich langen Seiten sind alle acht Kuppelsegmente ungefähr gleich groß. Das Gewölbe wird durch acht bogenförmige Rippen geformt. Diese Rippen tragen eine vollflächige Holzschalung, auf der die Spengler die Kupferbekleidung fachgerecht mit Haften befestigten. Um die barocke Ästhetik zu wahren, legte der Fachbetrieb Wert auf ein symmetrisches Verlegebild mit vertikaler Falzführung. Die Stehfalze auf jedem Segment verlaufen von der Kuppelspitze hinab bis zum Sockel, an dem die Falze ausgeklinkt wurden. Ein waagerechter Querfalz auf jedem Segment stellt sicher, dass sich die Profile gegenseitig stabilisieren und die Bekleidung den Windlasten auf dem Turm standhält. Dieser Falz ermöglicht zugleich die thermische Längenausdehnung des Werkstoffs. Am Ende des Lebenszyklus lässt sich Kupfer recyceln, sodass das Metall in einen nachhaltigen Stoffkreislauf zurückkehren kann.

Vorfertigung auf dem Betriebshof der Zimmerer

Bild: Baumann Dach

Vorfertigung auf dem Betriebshof der Zimmerer
Ein Kran hievte die Kuppel am Haken auf das Bauwerk

Bild: Roland Rossner

Ein Kran hievte die Kuppel am Haken auf das Bauwerk
Der große Moment: Die Kuppel wird vom Haken gelöst

Bild: www.roland-rossner.de

Der große Moment: Die Kuppel wird vom Haken gelöst
Glänzend: die Kuppel kurz vor dem Abtransport zur Baustelle

Bild: Baumann Dach

Glänzend: die Kuppel kurz vor dem Abtransport zur Baustelle

Auf dem Tieflader unterwegs

Das Handwerksunternehmen, das Metalldächer verlegt, Fassaden installiert und Dachsanierungen ausführt, montierte die Kupferprofile nicht vor Ort auf der Sternwarte. Denn der Observationsturm wurde komplett vorgefertigt. Die Handwerker führten ihre Arbeiten ebenso wenig in der Werkhalle des Spenglerfachbetriebs aus, sondern auf dem Gelände des Mannheimer Holzbauunternehmens von Thomas Elsässer. Der Holzbauspezialist hatte das Tragwerk für den Observationsturm konstruiert, der genau genommen aus zwei Segmenten besteht, dem Kuppelgewölbe und der eingehausten Observationsplattform. Dieses Gehäuse zeichnet sich durch eine regelmäßige achteckige Holzrahmenkonstruktion aus, die exakt zum Grundriss der Kuppel passt. Weil in der Sternwarte heute keine astronomischen Beobachtungen mehr durchgeführt werden, verzichteten alle Projektbeteiligten auf die Rekonstruktion aufwendiger technischer Details. Daher mussten die Vorrichtung zur Öffnung des Kuppeldachs und ein Mechanismus zum Drehen des Observationsturms nicht wiederhergestellt werden. Der aufregendste Tag für die ­beteiligten Fachbetriebe, Planer und Initiatoren war der 15. Oktober 2019. Ein Tieflader transportierte die Kuppel und die Holzrahmenkonstruktion zur Sternwarte, vor der weitere Technik aufgefahren wurde. Ein mobiler Schwerlastkran hob zunächst den rund 2 t schweren Holzrahmenbau und anschließend die gut 1,5 t schwere Kuppel auf die Sternwarte. Nach der erfolgreichen Montage installierte das Team des Spenglerfachbetriebs, den der heutige Geschäftsführer bereits in dritter Generation führt, eine Kupferbekleidung am Fußpunkt des Observationsturms. Die passgenau auf die Sockelgeometrie des Bauteils abgestimmten Profile stellen den Anschluss zu den historisch erhaltenen runden Bodenplatten her. Mittlerweile bildet sich auf der Oberfläche sämtlicher Kupferprofile eine bräunliche Oxydschicht, die sich erst im Laufe vieler Jahre zur kupfertypischen grünen Patina entwickeln wird.

Bewegte Geschichte

Der Geschäftsführer des Fachbetriebs, der schon vor über 90 Jahren vom Großvater gegründet wurde, fühlt sich mit der Geschichte und der Architektur seiner Stadt verbunden und erklärt den Hintergrund der Sanierung: „Die Mannheimer Sternwarte wurde in den letzten zehn Jahren aufwendig restauriert und wieder mit dem historischen Kuppeltürmchen bestückt, das bereits im 18. Jahrhundert auf der Sternwarte zu sehen war und vor vielen Jahren entfernt wurde.“ Dieser Teilabriss vor gut 140 Jahren, Witterungsschäden und Vandalismus hatten gravierende Spuren am Gebäude hinterlassen. Dass der Turm überhaupt restauriert werden konnte, ist einer zweckgebundenen Spende von 100 000 Euro zu verdanken, die der Rheinhyp-Unterstützungsfonds (RUFE) der Deutschen Stiftung Denkmalschutz zukommen ließ. Die Spende war direkt an den Auftrag gebunden, den barocken Originalzustand denkmalpflegerisch wiederherzustellen, in dem sich das Bauwerk nach der Errichtung von 1772 bis 1774 befunden hatte. Pikantes Detail: Die ursprüngliche Kuppel, die zwischen 1774 und 1860 die Sternwarte schmückte, war keine Neuanfertigung gewesen. Das Gewölbe wurde seinerzeit aus Kostengründen von der Sternwarte in Schwetzingen abmontiert und in Mannheim wieder aufgebaut. Mit Beginn der astronomischen Beobachtungen Anfang 1775 erarbeitete sich das Mannheimer Institut einen hohen Stellenwert, indem die Forscher Sterne katalogisierten und die Umlaufbahnen von Himmelskörpern berechneten.

Herzogtum exakt vermessen

Ihre enorme gesellschaftliche Bedeutung erlangte die Sternwarte durch die Vermessung sämtlicher Flurstücke im früheren Großherzogtum Baden. Der badische Bauingenieur Johann Gottfried Tulla begann diese topografische Erfassung, bei der die Mannheimer Sternwarte den Fixpunkt bildete, im Jahr 1820. Der achteckige Turm, dessen vier Hauptseiten exakt nach den vier Himmelsrichtungen ausgerichtet sind, stellt den Nullpunkt in dem Koordinatensystem dar (geografische Lage: 48°29'15" Nord und 8°27'38" Ost). Im Jahr 1860 wurde die barocke Kuppel schließlich abgerissen und durch eine neue ersetzt, die aber schon 1880 wieder demontiert wurde. Mit dieser Demontage endete der astronomische Betrieb an der Sternwarte endgültig. Nachdem das Gebäude vielfach umgenutzt wurde und die barocke Kuppel gut 159 Jahre gefehlt hatte, ehrt der rekonstruierte Turm symbolisch die wertvolle Arbeit der Astronomen und ­Vermesser aus der Glanzzeit des Bauwerks. Wissenschaft und Spenglerhandwerk verbindet neben der Tatkraft auch ein freier Blick über das Land hinauf zum Himmel. Mit dem Ergebnis ist der Handwerksmeister deshalb sehr zufrieden: „Wir freuen uns ganz besonders, dass wir ein weiteres historisches Mannheimer Bauwerk mit unserem Kupferdach krönen konnten.“

Alle Kupferoberflächen haben mittlerweile ihre natürliche Patina gebildet

Bild: Thomas Henne, Mannheim

Alle Kupferoberflächen haben mittlerweile ihre natürliche Patina gebildet

Bautafel

Projekt: Kuppelbekleidung in Stehfalztechnik für den Observationsturm der früheren Sternwarte Mannheim

Bauherr: Stadt Mannheim / Land Baden-Württemberg

Architektur: Architekturbüro Schmucker & Partner, Mannheim

Fachbetrieb: Baumann Dach und Wand, Mannheim

Material: Kupfer walzblank

Fertigstellung: 2019

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