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Handhammered

Mit Kupfer bekleidet Hans Liebscher zur Zeit fünf Türme auf dem Old Vedanta Tempel in San Francisco. In den USA ist der Metallkünstler sehr gefragt, weil er mit seinen Dächern und Turmbekrönungen äußerst extravagante Wünsche erfüllt. Das Projekt umfasst filigranen Dachschmuck, Zierecken und neue Profile für die geschwungenen Bögen an den Arkaden. Seit 2013 arbeitet der Fachbetrieb Custom Copper Works & Sheet Metal aus Kalifornien an der Rekonstruktion des Tempels, die voraussichtlich im Sommer 2016 beendet wird. Bei der Anfertigung der Ornamente kamen traditionelle Techniken wie das Schweifen zum Einsatz.

Gewölbte Tropfen

Der Wahl-Amerikaner zählt zu den wenigen Menschen am Pazifik, die das Schweifen und Treiben von Metall beherrschen. Durch gleichmäßige Hammerschläge streckt der Fachmann das Material, sodass es dünner und sehr hart wird. Mit dem Schweifhammer, Polierstock und einer Richtplatte lassen sich Formen in den Werkstoff einarbeiten, die keine Maschine herstellen kann. Besonders zur Geltung kommen die Wölbungen und runden Oberflächen am Hershey-Turm. In einem äußeren Ring sind breite, tropfenförmige Plastiken angeordnet. Weiter innen und etwas erhöht stehen schmalere Skulpturen mit einem geringeren Durchmesser. Alle Tropfen, insgesamt 24 Exemplare, sind etwa 2,13 m hoch. „Damit die breiteren Hershey-Tropfen wirken, als wären sie aus einem Segment gefertigt, habe ich extra neue Werkzeuge und eine eigene Technik des Hämmerns entwickelt“, erklärt der Handwerker den Effekt: „Die großen Tropfen bestehen aus mehreren Segmenten, die ohne sichtbare Naht zusammengefügt wurden.“ Die Technik des Treibens ermöglicht es dem Profi, die Kupferprofile im kalten Zustand plastisch zu verformen. Damit sich das Metall unter den Schlägen nicht zu stark verfestigt, kann es zwischendurch erhitzt werden und bleibt elastisch. Auf allen zwanzig Plastiken befestigte der Metallkünstler jeweils zwei Kugeln und eine Turmspitze. Die größte Tropfenskulptur, eine Holzkonstruktion, die der Fachbetrieb per Falztechnik mit Kupfer bekleidete, bildet das Zentrum des Hershey-Turms.

Höchste Zeit zur Sanierung

Salzige Seeluft, Nebel sowie die intensive Sonneneinstrahlung beanspruchten jahrelang die Oberfläche der alten Plastiken und Dächer. „Das originale Material waren galvanisierte Metallplatten mit einer Stärke von etwa 0,4 mm“, erinnert sich der Fachmann. Diese Eindeckung blieb seit dem Bau der Türme über 100 Jahre auf den Dächern bestehen, obwohl vermutlich nur eine Dauer von 30 Jahren geplant war. Ihr Zustand verschlechterte sich immer mehr. Schäden und Verfärbungen waren kaum noch zu übersehen, während sich an einigen Stellen bereits die äußere Schicht abgelöst hatte und sich Löcher bildeten. „Die letzten 20 Jahre hielt alles nur noch durch Farbe, Dichtkitt und Glaube zusammen“, stellt der Experte fest. „Das Material wurde mehr oder weniger erfolgreich repariert. Doch es war, als ob man ein totes Pferd schlägt ...“

Kuppeln und Turmbekrönungen

Die Erneuerung präsentiert eindrucksvoll die ganze Bandbreite des Klempnerhandwerks: Auf dem runden Turm über dem Eckrondell rekonstruiert der Fachbetrieb die beiden zwiebelförmig gewölbten Kuppeln. Der Kupferspezialist bekleidet auch die stilisierten Zinnen auf dem Schlossturm. Der vierte, achteckige Turm erhält eine neue Eindeckung für das doppelte schirmartige Dach sowie eine Turmspitze mit Halbmond und Dreizack. Am fünften, kleinsten Turm, der etwas abseits steht, bekleidet der Klempner mit seinen Mitarbeitern die gewölbte Kuppel. Für diese Kuppel entstand eigens eine handgefertigte Bekrönung aus zwei Kugeln mit hoher Spitze. Direkt neben der Kuppel ersetzte der Handwerker vier kleine, rund gewölbte Tropfen mit umlaufendem Ring durch neue Exemplare aus Kupfer. Vier große Eckornamente unterhalb der Kuppel am Rand des Turms wurden ebenfalls erneuert. Jedes winkelförmige Ornament, das durch Schweifen und Treiben entstand, schmückt eine der vier Turmecken. Drei tropfenförmige Bekrönungen mit auffälligen Spitzen betonen die Kanten der Ornamente.

Harte Arbeit – hohe Risiken

Das Projekt könnte kaum aufwendiger sein. Die Auftragsvorbereitungen starteten bereits im August 2013, als der Kupferspezialist die Türme zum Maßnehmen besichtigte. Die anspruchsvolle Metallbearbeitung per Hand verlangt Zeit und reichlich Erfahrung. Hans Liebscher beherrscht die Techniken, neben dem Schweifen und Treiben auch das Bördeln, bis zur Perfektion, weil er seit 40 Jahren in dem Handwerk arbeitet. Viele der Plastiken, darunter die Tropfen und Eckornamente, entstanden bei Custom Copper Works in der Nähe von San Diego. Der Betrieb befindet sich ca. 700 km südlich von San Francisco, sodass eine Fahrt zur Baustelle sieben Stunden dauert, die Rückfahrt nicht mitgerechnet. Während der Rekonstruktion kam es zu Verzögerungen. Dann folgte der Schock, als sich Hans Liebscher ernsthaft verletzte und Silvester im Krankenhaus verbringen musste. Doch trotz des Rückschlags ging es weiter. Bleiben die Arbeiten im Plan, könnte der Tempel in einem halben Jahr fertig werden.

Kupferhauben für die Arkaden

An den etwa 21 Bögen über den Säulen am Balkon zeigten sich auch Schäden durch Korrosion und abgelöste Farbe. Der Handwerksmeister erhielt den Auftrag, die Bögen vor der Witterung zu schützen. Die unterschiedlich breiten Zierelemente, die der Mogul-Architektur entlehnt sind, zeichnen sich durch einen spitzen Scheitelpunkt und mehrere kreisförmige Bögen auf jeder Seite aus. Der Kupferspezialist fertigte neue Hauben, die aus jeweils zwei Segmenten bestehen, die im Scheitelpunkt miteinander verbunden sind. Für einen stabilen Halt befestigte der Fachmann seitliche Profile an den Segmenten, sodass die Kupfer-Ersatzteile auf die Bögen am Balkon aufgesteckt werden können. Interessantes Detail: Die Bögen am Eck-Rondell sind wie die Fassade gewölbt. Dazu stellte der Klempner gerundete Ersatzteile her, damit sie dem Rondell der Turmfassade entsprechen.

Auf den Spuren des Hinduismus

Die Kupferarbeiten gleichen den Vorlagen bis ins Detail, um die religiöse Bedeutung zu bewahren. Die Türme und Kuppeln symbolisieren das friedliche Nebeneinander verschiedener Religionen. Für diese Botschaft ließ die Vedanta-Gemeinde den Tempel von 1907 bis 1908 um die markante obere Etage aufstocken. Vorher bestand der 1904 erbaute Tempel lediglich aus dem Parterre und einem Stockwerk. Der Schlossturm repräsentiere das Christentum als europäische, westliche Religion, während das runde Eckrondell nach dem Vorbild eines Hindu-Tempels im indischen Bengalen gestaltet wurde. Der Hershey-Turm mit den Tropfen bildet die kleinere Version eines Hindu-Tempels in Benares (Indien). Gläubige können auch eine Ähnlichkeit zu den Zwiebeltürmen der russisch orthodoxen Kirche entdecken. Der achteckige Turm folgt der Architektur eines shivitischen Tempels in Indien, während sich der kleinste Turm am Taj Mahal orientiere und damit die islamische Religion verkörpere. Die Vedanta-Gemeinde Nordkaliforniens nutzte die religiöse Stätte von 1905 bis 1959 und weihte dann den New Vedanta Temple ein. Heute dient das alte Gebäude unter anderem als Studentenwohnheim mit Vorlesungssaal und Schulungsräumen.

Einzigartiger Geist

Bei Gästen und Bewohnern von San Francisco gilt der Old Vedanta Temple als Beweis für die gelebte Toleranz der Stadt. Seine charakteristischen Symbole, die über die Stadtgrenzen hinaus bekannt sind, verdanken ihren neuen Glanz dem Kupferspezialisten, der die Rekonstruktion jenseits von Massenfertigung und Fließband mit den Worten Elbert Hubbards resümiert: „Eine Maschine kann die Arbeit von fünfzig gewöhnlichen Menschen erledigen. Keine Maschine erledigt die Arbeit eines außergewöhnlichen Menschen.“

www.hanscopper.com