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Vom Junge zum Mann

Jungs wollen echte Männer werden – fast alle, klar! Ich will es gendergerecht formulieren – es gibt ca. 1 %, die sich anders orientieren. Ich schreibe jetzt aber mal leidenschaftlich für die 99 von Hundert, die auch auf der Suche nach einem sinnvollen Erwachsensein sind. Mannwerdung ist heute keineswegs einfacher als früher, denn was ist heute schon ein „toller Kerl“ – ein „guter Mann“? Und wie soll man(n) eben gesellschaftlich und sozialverträglich werden?

Man sagt, unsere fest definierten Rollenbilder seien generell ins Wanken gekommen. Realistisch gesehen sind sie höchstens angeknackst. Die Mehrheit unserer westlichen Bewohner tickt, was die Traumbilder von Mann und Frau anbelangt, immer noch recht traditionell. Die Zuwanderer haben oft ein für uns erschreckend konservatives Männer- und Frauenbild, zu dem kein Europäer wirklich wieder zurückmöchte.

Wir haben genug vom Patriarchat, vom klassischen Ideal-Mann: Ein supermännlicher Mann, ein Beherrscher der Frau, ein Führer der anderen Männer, ein energiegeladener Tatmensch, der nicht kleinzukriegen ist, ein Durchsetzer von Interessen, ein Vertreter von Härte gegen sich und andere, ein brillanter Logiker, ein Beherrscher seiner Gefühle – der typische Herzinfarktpatient also.

Es ist schon wahr, dass diese Männer das Handwerk vorangebracht, Verbände gegründet, Baustellen durchgezogen und große Firmen aufgebaut haben – aber es hatte auch seinen Preis. Sie brauchten Frauen, die ihnen den Rücken freihielten, die ihnen die Kindererziehung abnahmen, Partnerinnen, die sie in sentimentalen Phasen durchgetragen haben. So will heute kein Mann und keine Frau mehr leben – auch im Handwerk nicht. Die Welt ist angenehmer geworden. Man(n) muss sich nicht mehr zu Tode rackern, um überleben zu können.

Und unsere jungen Männer?

Interessant, dass annähernd alle Computerspiele weiterhin genau dieses Männerbild verherrlichen, da werden Helden dargestellt ohne Kinder, ohne Rücksicht, ohne konstante Frauenbeziehungen. Aber diese Welt ist in nur wenigen Anteilen digital. Da muss viel mit der Hand gearbeitet werden. Das Leben dauert länger als ein PC-Spielchen oder ein Fernsehfilm. Da will ein Leben gemeistert werden. Da ist langfristiger Erfolg, Beziehungspflege und Mitarbeiterführung gefragt. Und kein Betrieb kann dauerhaft mit „der Kanone“ aufgebaut werden.

Jungs, die nicht mehr wissen, was man von einem guten (deutschen?) Mann erwartet, holen sich ihr Muster aus PC-Spielen: aufbrausen, dominieren, sich nichts sagen lassen, Frauen abwerten, Motoren aufheulen lassen und gegen Autoritäten sein. All das halten sie für Männlichkeit. Sie tun es um sich gut zu fühlen, weil ihnen niemand sagt (oder gendermäßig verordnet sagen darf), dass sie gute Jungs sind und sie mal tolle Männer werden können mit einem tollen glücklichen Männerleben im Handwerk.

Vielleicht sind unsere Nachwuchsprobleme genau hier begraben. Männer haben sich aus der Erziehung zu weit herausgehalten, die Mutter (oder Übermutter) will „ihren“ Jungen beschützen vor dieser rauen (und doch oft auch liebenswerten) Männerwelt. Sie will ihren verzärtelten „Schatz“ lieber im netten, gut temperierten Büro mit Anzug und Krawatte sitzen sehen. Kurz: Er soll immer ein braver Junge sein!

Das wollen Jungs!?

Jungs wollen das aber nicht. Sie sind aus einem anderen Holz geschnitzt. Jungs wollen gefährlich sein – wollen sich für was Wichtiges einsetzen. Jungs wollen mitgerissen werden, was Ursprüngliches, Aufregendes, Kräftiges tun und Blödsinn machen. Dabei kann die Jungen-Seele entspannen – endlich mal was körperlich tun und nicht immer im Stuhlkreis sitzen, schön schreiben, schön malen und mit wohlformulierten Worten Aufsätze schreiben (. . . so wie ich es grade tue). Jungs wollen Ängste überwinden und stark sein, Grenzen erweitern, Feinde fokussieren, herausfinden, was in ihnen steckt und sich beweisen.

Dem Handwerk eine Chance!

Unser Handwerk ist da ein richtiger „Männerspielplatz“! Und er ist so gut, dass auch immer mehr Mädchen ihn gut finden! Nicht jede junge Frau will nur tagein tagaus hübsch und fingernägellackiert sein. Ist denn ein braver Junge immer ein guter Junge? Ist nur ein „next Topmodel“ ein gutes Mädchen? Nimm Jungen ihre Wildheit und sie werden zu Schulverweigerern. Nimm Mädchen ihre Aufgaben und sie werden zu narzistischen „Luxusfrauchen“. Jungs und Mädchen bewundern es, wenn Männer was Männliches mit Leidenschaft machen. Jungs und Mädchen spüren, ob etwas gut, wahrhaftig, echt und funktionierend ist. Sie erkennen, ob der’s wirklich drauf hat! Genau das wollen sie sehen und sie beobachten uns Erwachsene ganz genau. Sie sind „Kopierer“ sozusagen. Jungs jedenfalls wollen Kraft einsetzen, Köpfchen haben, die Männerwelt erleben, ausprobieren, erforschen und – etwas alleine schaffen! Sie wollen das tun, was für die Gemeinschaft bedeutsam ist. Jungs wollen Anerkennung verdienen (... und nicht etwa sie geschenkt bekommen in Schulen ohne Noten)! Dadurch macht man doch eine Welt nicht besser!

Nur damit hier kein falscher Eindruck entsteht: Ich wende mich nicht gegen Mutterliebe, aber wenn diese Art der verwöhnenden Liebe nicht mit einer gesunden männlichen Härte ergänzt wird, werden aus unseren Jungs nie tolle Männer werden. Wie heißt es noch gleich? Die Welt ist kein Ponyhof – das Handwerk schon gleich gar nicht!

Der Aspekt geschlechtsgerechter Erziehung ist in den letzten 50 Jahren unserer Pädagogik völlig ausgeklammert gewesen. Dies hat unserem Schulwesen einen großen Schaden zugefügt. Einer Untersuchung der Times zufolge werden an den zehn besten Schulen der Welt bei neun Schulen die Kinder zumindest teilweise geschlechtsgetrennt unterrichtet. (S.  Biddulph: „Männer auf der Suche“, 2002, Heyne, 7. Aufl. 2006, Weltbestseller). Was passiert, wenn der männliche Part der Erziehung „abgeschafft“ wird, beschreibt M. Winterlich in seinem Buch, „Tyrannen müssen nicht sein – warum Erziehung nicht ausreicht!“ (Weltbild 2010). Die besten Kinder gedeihen in einer gesunden Spannung zwischen dem männlichen und dem weiblichen Erziehungspart (M.  Hofer: „Männer glauben anders“ – Männerspiritualität, Tyrollia 2003).

Nachdenken und unbedingt weiterlesen!

Das Hauptklientel unserer Handwerks-betriebe sind heute „untervaterte“ junge Männer in der Adoleszenz (Mannfindungsphase). Ich behaupte: Hätte diese Personengruppe einen „richtigen“ Vater gehabt, wären Probleme in Schule und Handwerk, wie wir sie heute antreffen, nicht vorhanden. Aber zum Lamentieren ist es nun zu spät! Umso wichtiger ist es, jungen Männern zukünftig das zu geben, was sie brauchen. Das Handwerk kann genau das bieten. Und wenn Sie mögen, finden Sie entsprechende Beispiele im zweiten Teil meines Beitrags. Ich freue mich auf Sie und ein Wiederlesen in der nächsten Ausgabe.

Ihr Hans-Peter Rösch ;-).

Autor

Hans-Peter Rösch

unterrichtet an der Fachschule für Metallbautechnik (staatlich geprüfte Metallbau-Techniker) und in der Meisterschule für Klempnertechnik an der Robert-Mayer-Schule, Stuttgart, die Fächer Statik, Stahlbau, Fassadenbau und 3D-Konstruktion.