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Aus dem Dornröschenschlaf geweckt

Etwas versteckt, im Niendorfer Gehege in Hamburg liegt die Villa Mutzenbecher. Ein schöner Park, der früher das Haus umgab, verwandelte sich im Laufe der Zeit in einen stattlichen, bis auf wenige Meter an die Jugendstilvilla heranreichenden Wald. Sonntagsausflügler, Jogger und andere Besucher des beliebten Naherholungsgebiets erinnert das über 100 Jahre alte Landhaus immer wieder an die Kulisse eines Märchenfilms. Bei der Hamburger Finanzbehörde als Eigentümerin der sanierungsbedürftigen Immobilie dachte man ernsthaft über den Abriss der Villa nach – auch weil die Kosten für eine Instandsetzung nicht aufzubringen waren.

Chance für Villa und Jugendliche

Rettung in letzter Minute kam für die Villa Mutzenbecher, als der Bezirk, die Finanzbehörde und das Denkmalschutzamt Ende 2012 ein Interessensbekundungsverfahren auslobten, um doch noch einen Nutzer für das Haus zu finden. Weil das Konzept vom Verein Werte erleben e. V. überzeugte, bleibt das Denkmal erhalten. Der Verein hat die Villa für einen geringen Betrag langfristig gemietet und erklärte sich bereit, das Gebäude zu restaurieren.

Werte erleben e. V. setzt sich für die denkmalgerechte Instandsetzung ein und möchte dabei Jugendliche mit ungünstigen Startchancen sowie Flüchtlinge, die in die kooperierenden Schulen aufgenommen wurden, in Ausbildungsverhältnisse vermitteln. Die an den Arbeiten beteiligten Baufirmen sind ausbildende Innungsbetriebe und bereit, Praktikumsplätze zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus sieht das Konzept eine Kooperation der beteiligten ortsansässigen allgemeinbildenden Schulen mit vier beruflichen Schulen und den Studierenden der Fachbereiche Architektur und Bauingenieurwesen der HafenCity Universität vor.

Von der Theorie zur Praxis

Die Berufliche Schule Anlagen- und Konstruktionstechnik (BS 13) hat sich mit zwölf Klempnerauszubildenden des zweiten und dritten Ausbildungsjahres und ihrem Klassenlehrer Detlev Köster beteiligt. Nachdem die alte bituminöse Dachhaut entfernt wurde, planten die Schüler die Dachentwässerung sowie den neuen Aufbau der Terrassendachabdichtung und setzten diese um. Abschließende Arbeit war die Real­objektschulung mit Flüssigkunststoffabdichtung an Geländerpfosten einschließlich der Anleitung durch Gernot Harms (Leiter der Anwendungstechnik des Herstellers Widopan).

Während Schule meist (handwerkliche) Wirklichkeit auf DIN-A4-Format zu bringen versucht, bestenfalls handlungsorientiert, bot sich hier die einzigartige Möglichkeit, an einem realen Objekt ganzheitlich zu lernen: Planung, Durchführung, Kontrolle und Bewertung der eigenen Tätigkeiten in enger Absprache mit dem Bauherrn, den Architekten und dem Denkmalschutz. Dabei wurden zwei Lernfelder angewendet und geübt, nämlich Lernfeld 6 „Anlagen zur Ableitung von Niederschlagswasser nach Kundenauftrag planen, anfertigen und montieren“ sowie Lernfeld 8 „Die Schüler besitzen die Kompetenz, verschiedene Dachformen mit nicht metallischen Werkstoffen nach vorgegebenem Auftrag zu decken“.

Neben dem fachlichen Lernzuwachs wurden vor allem persönliche und soziale Kompetenzen vermittelt. Dabei standen folgende Fragen im Vordergrund: Wer bringt welche Erfahrung mit? Wer möchte welche
Tätigkeit übernehmen? Wer fühlt sich verantwortlich? Wie gehen wir mit Konflikten um? Wie verhalten wir uns, wenn es nicht für alle etwas zu tun gibt? Warum geht es in der Firma schneller? Wieso ist der sonst so zurückhaltende Schüler hier auf einmal so engagiert?

Erfolgserlebnis mit Fortsetzung

Das übersichtliche Bauvorhaben, die Unterstützung der Schule und der Schulleitung sowie der aufgeschlossene Ansatz des Vereins machten diesen Praxisunterricht zu einem vollen Erfolg. Und die Jungklempner aus der Hamburger Berufsschule BS 13 freuen sich schon jetzt auf einen weiteren Bauabschnitt, bei dem sie lernen und helfen dürfen.

Gemeinsam mit den Mitwirkenden und vielen Gästen wurde im Mai 2019 die riesige sanierte Veranda der Villa samt oberem Balkon von Landesdenkmalpfleger Andreas Kellner, Landesschulrat Thorsten Altenburg-Hack und Andreas Reichel, Vorstand des Vereins „Werte erleben e. V.“, eingeweiht. Ein großes Dankeschön gilt den beteiligten Auszubildenden Linda, Cynthia, Phillip, Leander, Tom, Malte, Dario, Lucas, Daniel, Tikhon, Jerry und Brandon!

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