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Raue Schale ...

Corten-Stahlfassaden installiert Spenglermeister Georg Lummel nicht jeden Tag. Auch nicht an jedem Bauwerk. Der Werkstoff mit der spröden Oberfläche passt jedoch perfekt zum neuen Büro- und Betriebsgebäude der Firma Lesch Rohstoffhandel. Für das Unternehmen, das in der unterfränkischen Stadt Schweinfurt Altmetall verwertet, fertigte und montierte der Fachbetrieb Lummel GmbH & Co. KG eine vorgehängte Fassade mit mehreren Segmenttypen. Die Spengler aus Karlstadt / Main verlegten außerdem ein Edelstahldach auf dem Neubau und konstruierten Tragprofile für die Wandbekleidung im Innenhof. Das 2015 vollendete Projekt erhielt bereits den Theodor-Fischer-Preis 2015 und den BDA Preis Bayern 2016.

Robuste, industrielle Wirkung

Die etwa 650 m² große Stahlfassade symbolisiert das Material, das alle Arbeitsprozesse während des Rohstoffumschlags durchläuft. Seit Jahrzehnten transportiert, lagert, analysiert und bearbeitet das Familienunternehmen überaus erfolgreich Metallreste jeglicher Art. Der Spenglerfachbetrieb befestigte 3,0 mm starke Corten-Stahl-Segmente am Betriebsgebäude, das auf dem Gelände im Gewerbegebiet am Stadtrand steht. Geschäftsführer Georg Lummel: „Die meisten Tafeln sind etwa 3 m lang und ca. 1,5 m breit. Vier Mitarbeiter in der Fertigung und vier in der Montage arbeiteten über einen Zeitraum von 4 Monaten an der Fassade.“ Die Segmente mit integrierter Ornamentfuge existieren in zwei Varianten: Die planen Tafeln verleihen dem Baukörper die robuste, industrielle Ausstrahlung. Gut 60 m² wurden als gelochte Tafeln gefertigt und z. T. vor den Glasflächen installiert. Sie sind die eigentliche Hommage an die Schrottverwertung: Die kreisrunden Öffnungen mit jeweils vier Zacken entsprechen einem Stanzmuster in den Blechen von Automobilzulieferern. Die Größe der Lochungen, die interessante Schatten werfen, variiert mit der Etage. Vor dem Parterre wurden Segmente mit den größten Öffnungen befestigt, vor dem 1. Stockwerk sind die runden Löcher am kleinsten. Die Stahlplatten schirmen das Gebäude wie ein Schutzschild gegen den Staub und Lärm auf dem Werkshof ab.

Korrodiert, aber rostbeständig

Die Spengler installierten eine wärmegedämmte Einhangfassade. „Die Befestigung erfolgte ähnlich wie beim Keltenmuseum am Glauberg in Hessen, an dem wir vor drei Jahren auch eine Corten-Stahlfassade ausführten“, erklärt der Spenglermeister (BAUMETALL 5 / 2013 berichtete). In Schweinfurt sind die Segmente in eine Unterkonstruktion aus verzinktem, beschichtetem Stahl eingehängt. Zur Befestigung dienten verzinkte Stahlschrauben. Trageprofile, die in der Betonwand verankert sind, stabilisieren die Unterkonstruktion. Auf diese Weise gelangt der rostige Werkstoff weder mit dem Beton noch mit der Unterkonstruktion in Kontakt. Die Korrosion greift nicht auf andere Bauteile oder das Gebäude über, sodass der wetterfeste Baustahl ein optisch spannender, aber ungefährlicher Werkstoff bleibt: Die selbstbildende, unbehandelte Rostpatina entfaltet ihren Charme über natürliche, nuancenreiche Farbtöne, die von einem hellen Orange bis ins kräftige Rotbraun reichen. Auf der Oberfläche bildet sich unter dem korrodierten Bereich eine dichte Sperrschicht, die das Metall vor dem vollständigen Durchrosten bewahrt.

Flaches Dach

Der Fachbetrieb, der klassische Techniken der Spenglerzunft mit handwerklicher und industrieller Perfektion verbindet, verlegte ein rollnahtgeschweißtes Flachdach aus Edelstahl auf dem Bauwerk. Die ca. 400 m² große Eindeckung, die über eine umlaufende Aufkantung verfügt, korrodiert nicht, hält stehendem Wasser problemlos stand und weist nur ein geringes Gewicht pro verlegter Fläche auf. Die wartungsfreien, wasserdicht verschweißten Fugen erreichen eine lange Lebensdauer. Die Randverkleidung wurde in 3 mm starken Paneelen aus Aluminium ausgeführt, das im Farbton Weiß (RAL 9016) pulverbeschichtet wurde. Die Attikaabdeckungen bestehen aus 0,8 mm starken graubraunen Aluminiumprofilen (RAL 8019). „Zur Entwässerung verfügt das VA-Dach über innen liegende, senkrecht abgehende Dacheinläufe“, so der Spenglermeister. Während der Eindeckung wurden Dachbahnen aus Kunststoff verarbeitet. Die Niederschläge fließen durch ein Leitungssystem im Gebäude zum Boden hinab. Die mit Kiesauflast befüllte Dachkonstruktion ist ins Brandschutzkonzept des Hauses integriert. Die Spengler installierten ein Rauch- und Wärmeabzugsystem mit insgesamt 17 Lichtkuppeln und mehreren Entrauchungsöffnungen, die im Brandfall öffnen, sodass Wärme und Rauch nach oben aus dem Gebäude entweichen können. Durch die Lichtkuppeln gelangt außerdem Tageslicht ins obere Stockwerk. Das im November 2014 fertiggestellte Dach, das zudem über mehrere Fangeinrichtungen zum Blitzschutz verfügt, ist für Jahrzehnte gegen die Witterung geschützt.

Gestanzte Profile

Der Neubau ersetzt ein schlichtes, zweistöckiges Vorgängergebäude aus den 1960er-Jahren, das nur mit einfachen weißen Wellblechen verkleidet war. Der äußerlich sehr kompakte Neubau misst 20 x 25 m und gliedert sich in zwei Gebäudeteile, die um einen Innenhof arrangiert wurden. Für diesen Innenhof fertigte der Fachbetrieb ausgestanzte Halteleisten, die Lamellen aus Lärchenholz fixieren. Ungewöhnlicher Blickfang: Die Lamellen wurden schräg zur Fassade eingeschoben (Größe: ca. 150 m²). „Die Profile stanzten wir nach Vorgabe“, so der Handwerksmeister. „Abstände und Neigung hätten auch unregelmäßig sein können. Die Halteschienen sind auf einer senkrechten Unterkonstruktion befestigt, die mit Wärmedämmung und einer Zwischenlage Stamisol-Fassadenbahn versehen wurde.“ Darüber hinaus bekleidete der Fachbetrieb die Brüstung zwischen und oberhalb der großzügig verglasten Fenster im Innenhof. Auf dem Dach des zweistöckigen Gebäudes befindet sich ein Besprechungs-Pavillon, der einen weiten Blick über das Gelände eröffnet. Vor diesem Pavillon konstruierten die Spengler eine Terrasse mit Holzbelag und umlaufendem Stahlgeländer.

Gutes Arbeitsklima im weißen Kern

Das Firmengebäude steht am Rand des Betriebsgeländes und erschafft einen Ort der Stille inmitten einer lärmenden Umgebung, die Mensch und Maschine ständig in Bewegung hält. Täglich treffen auf dem Hof Hunderte Tonnen Schrott ein, den die Arbeiter abladen, sortieren, zu Blöcken komprimieren und zum Transport in die Gießereien wieder aufladen. Diese Arbeiten erzeugen einen ohrenbetäubenden Krach. Schwere Lastwagen, Bagger und Stapler manövrieren übers Gelände, auf dem sich der Schrott meterhoch türmt. Von diesen Halden aus gesehen fügt sich die verrostete Fassade harmonisch ins Umfeld. Die äußerlich raue Schale verrät nur wenig über die Innenarchitektur. Strahlend weiße Wände und ein helles Interieur tragen zur angenehmen Atmosphäre bei. Durch raumhohe Verglasungen scheint viel Tageslicht ins Gebäude. Die Fenster dämpfen gleichzeitig den Geräuschpegel, indem sie zweifachverglast und mit einer hohen Schallschutzklasse ausgeführt wurden. Der Lärm ist drinnen kaum zu hören. Der begrünte Innenhof, der durch ein gelochtes Stahlsegment verdeckt und erst aus der Nähe sichtbar wird, dient als Mittelpunkt und Aufenthaltsort während der Pausen. Die Konzeptarchitektur erhielt Ende Februar den BDA Preis Bayern 2016. Die vom Bund Deutscher Architekten in der Kategorie „Gewerbe- und Verwaltungsbau“ verliehene Auszeichnung würdigte u.a. das Raumkonzept mit Blickkontakt zum Firmengelände und Innenhof. Der Bürgermeister von Schweinfurt sowie der Architekten- und Ingenieursverein der Stadt ehrten den Neubau zuvor mit dem Theodor-Fischer-Preis 2015. Der Preis erinnert an den Stadtplaner, der 1862 in Schweinfurt geboren wurde und zahlreiche Bauwerke entwarf. Die Jury lobte das Projekt für seine hohe Durcharbeitungsqualität bei der Ausnutzung des Grundstücks sowie für die Gestaltung des Baukörpers, der Innenräume und der Corten-Stahlfassade. Unter der rauen Schale verbirgt sich ein eleganter Kern: Die Büros im Innern des äußerlich herben Gebäudes sind in edlem Weiß eingerichtet.

www.lesch-rohstoffhandel.de

www.lummel.de

www.schlichtlamprecht.de

Bautafel

Projekt:Corten-Stahlfassade und Eindeckung an einem neuen Büro- und Betriebsgebäude

Bauherr:Lesch Rohstoffhandel, Georg Lesch e.  K.

Architektur:SchlichtLamprecht Architekten, Schweinfurt

Tragwerk:Joachim Ingenieure, Schweinfurt

Material:650 m² Einhangfassade, Corten-Stahl, 3,0 mm und 400 m² Edelstahlflachdach rollnahtgeschweißt

Fachbetrieb:Lummel GmbH & Co. KG, Karlstadt/Main

Bauzeit:Oktober 2013 bis April 2015

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