Springe auf Hauptinhalt Springe auf Hauptmenü Springe auf SiteSearch
AUSFÜHRUNGSMÄNGEL VERMEIDEN, TEIL 18

Im Spannungsfeld zwischen technischer Ausführung und juristischer Pflicht

Mit diesem Beitrag setze ich meine Gutachter-Themenreihe fort, deren erster Artikel in der BAUMETALL-Ausgabe 6/2023 sowie in der BAUMETALL-Fokusausgabe „10 Expertentipps – Ausführungsmängel vermeiden“ erschienen ist. Einsteigen möchte ich mit einem kurzen Ausflug in das Gebiet des Werkerfolgs. Dies fällt zwar nicht in den Aufgabenbereich bzw. den Auftrag eines Sachverständigen, jedoch sind entsprechende Anmerkungen für das weitere Verständnis unerlässlich.

Der Spengler bewegt sich bei der Erfüllung seines Werkvertrags im Spannungsfeld zwischen technischer Ausführung und juristischer Pflicht. Er schuldet seinem Auftraggeber den sogenannten Werk­erfolg. Um die daraus resultierenden Implikationen für die Mängelbewertung besser einordnen zu können, betrachten wir die zentralen Punkte zunächst im Detail.

  • Werkerfolg: Mit der Erstellung eines Angebotes durch den Spengler und der Auftragserteilung durch den Auftraggeber wird ein Werkvertrag geschlossen. Ein Werkvertrag muss nicht zwingend schriftlich abgeschlossen werden und ist im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in § 631 geregelt:
    (1) Durch den Werkvertrag wird der Unternehmer zur Herstellung des versprochenen Werkes, der Besteller zur Entrichtung der vereinbarten Vergütung verpflichtet.
    (2) Gegenstand des Werkvertrags kann sowohl die Herstellung oder Veränderung einer Sache als auch ein anderer durch Arbeit oder Dienstleistung herbeizuführender Erfolg sein.
    Der Spengler schuldet somit die Herbeiführung eines bestimmten Erfolgs, z. B. das Aufbringen eines funktionsfähigen und regensicheren Metalldaches.
  • Auslegung des Bausolls: Unter dem Bausoll versteht man die schriftlichen oder mündlichen Vereinbarungen zwischen dem Auftraggeber und dem Spengler. Dies kann ein Angebot, ein Leistungsverzeichnis oder eine Baubeschreibung sein oder auch Prospekte, die der Spengler dem Kunden übergeben hat.
    Alles, was von diesen Vereinbarungen abweicht, stellt einen subjektiven Mangel dar! Das kann z. B. die Rinnengröße, die Scharenbreite oder Farbe einer Verblechung sein. Und zwar unabhängig von der Ausführungsqualität oder der Funktion.
  • Funktion: Der Spengler schuldet nicht nur die vereinbarte Durchführung der Arbeiten, sondern das Ergebnis muss auch funktionieren und den vereinbarten Zweck erfüllen. Das Metalldach muss dicht sein!
  • Gesetzliche Vorgaben: Hierzu zählen z. B. die Einhaltung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) oder der Vorschriften aus den Länderbauordnungen.
  • Herstellervorgaben: Darunter versteht man die Anweisungen des Herstellers eines Produktes, um eine funktionsfähige und sichere Montage zu gewährleisten. Beachten Sie bitte hierzu auch meine Anmerkungen in der BAUMETALL-Ausgabe 6/2023.
  • Klempnerfachregeln: Unsere Klempnerfachregeln stellen die allgemein anerkannten Regeln der Technik (a. a. R. d. T.) dar und beschreiben die Mindestausführungsqualität, die der Spengler auszuführen hat.
  • Ein Beispiel zum Thema Werkerfolg

    Stellen Sie sich vor, Sie bringen für einen Kunden an seinem Gebäude mit einem Walmdach eine Dachrinne an. Dabei ist es zweitrangig, ob Sie hierzu ein Angebot erstellt haben oder nicht. An besagter Dachrinne ist es erforderlich, Rinnenwinkel einzubauen. Außerdem bauen Sie als gewissenhafter Spengler auch entsprechende Bewegungsausgleicher fachgerecht ein. Trotz Einhaltung der geforderten Mindestabstände nach den Klempnerfachregeln reißt die Lötnaht an einem Rinnenwinkel, woraufhin dieser undicht wird.

    Stellt dieser Fall nun einen Mangel dar oder nicht? Ich nehme es vorweg. Trotz Einhaltung der Klempnerfachregel haben Sie den Erfolg und die Funktion des eingebauten Rinnenwinkels nicht hergestellt und müssen nachbessern. Doch was bedeutet das in der Praxis?

    Wenn Sie aus Ihrer Erfahrung eine höherwertige Ausführung für den Werkerfolg für erforderlich halten (in diesem Fall z. B. mehr Bewegungsausgleicher in kürzeren Abständen einzubauen), müssen Sie dies mit Ihrem Auftraggeber abstimmen. Gegebenenfalls sollten Sie Bedenken anmelden.

    Mein Tipp: Auch wenn wir Spengler manchmal das Gefühl haben, mehr Papier als Blech zu verarbeiten, empfehle ich Ihnen, bestimmte Sachverhalte schriftlich zu vereinbaren. Hier gilt das alte Sprichwort: Wer schreibt, bleibt!

    Wie geht es weiter?

    Wenn nun Uneinigkeit zwischen den Parteien darüber herrscht, ob die vorgenannten Punkte eingehalten bzw. erfüllt wurden, kommt der Sachverständige ins Spiel. Er stellt fest, ob in den Vereinbarungen und der Ausführungsqualität Abweichungen zu den a. a. R. d. T. bestehen. Nicht mehr und nicht weniger. Dann erstellt der Sachverständige (ausschließlich zu den technischen Sachverhalten) ein Gutachten. Zu rechtlichen Fragen darf er keine Aussagen treffen.

    Unterschiedliche Gutachten

  • Privatgutachten: Das Privatgutachten ist ein Parteigutachten im außergerichtlichen Bereich. Es wird für Bauherren, Baufirmen, oder andere am Bau Beteiligte erstellt, jedoch immer nur für eine Partei. Das Privatgutachten wird häufig auch zur Vorbereitung von Gerichtsprozessen beauftragt.
  • Gerichtsgutachten: Das Gerichtsgutachten wird im Auftrag des Gerichts erstellt. Der Sachverständige unterstützt hierbei den Richter bei der Entscheidungsfindung (aufgrund fehlender Fachkenntnis des Richters). Zu beachten ist hierbei, dass der Sachverständige in seinem Gutachten nur die im Beweisbeschluss aufgeführten Fragen beantworten darf. Lesen Sie deshalb die im Beweisbeschluss aufgeführten Fragen sorgfältig durch und beantragen Sie unter Umständen Ergänzungsfragen, die Ihre Belange und Argumente untermauern können.
    Ein bereits vorher tätiger Privatgutachter wird im Gerichtsverfahren oftmals wegen Befangenheit abgelehnt. In Ausnahmefällen wird ein Privatgutachten als sogenannter qualifizierter Fachvortrag gewertet und fließt in die Entscheidung des Richters ein.
  • Schiedsgutachten: Beide Parteien können sich auf ein Schiedsgutachten einigen. Dies ist eine Möglichkeit, sich auf freiwilliger, vertraglich vereinbarter Basis außergerichtlich zu einigen. Ein Schiedsgutachten hat den besonderen Vorteil, dass es schnell und rechtsverbindlich ist. Es muss jedoch von beiden Parteien vertraglich vereinbart werden und ist dann bindend.
  • Versicherungsgutachten: Diese Gutachten werden im Auftrag von Versicherungen erstellt, und hier geht es meistens um die Feststellung der Schadenshöhe.
  • Tipps und Stichworte zum Umgang mit Gutachte[r]n

  • Sachlage selbstkritisch einschätzen
  • Sachverhalt offen und ehrlich darlegen
  • gegebenenfalls Lösungsvorschlag ausarbeiten und aushandeln
  • am besten die Sache außergerichtlich lösen
  • bei gerichtlichen Streitfällen unbedingt einen Rechtsbeistand (Prozessbevollmächtigten) suchen
  • pünktlich zum anberaumten Ortstermin erscheinen
  • konstruktiv mit dem Sachverständigen zusammenarbeiten
  • die gestellten Fragen beantworten und falls erforderlich auf wichtige Sachverhalte hinweisen
  • Hinweise zu Sachverhalten nicht unter „4 Ohren“ geben, sondern so, dass es alle Beteiligten mitbekommen
  • sachlich bleiben
  • das erstellte Gutachten sorgfältig lesen und prüfen
  • bei vermeintlich fehlerhaften Gutachten einen ö. b. u. v. Sachverständigen für das Handwerk zurate ziehen
  • eventuell Ergänzungsfragen oder Stellungnahme zu dem Gutachten einfordern
  • bei der mündlichen Gerichtsverhandlung gelassen und sachlich bleiben
  • Ein pragmatischer Ansatz zum Schluss

    Zur gewissenhaften Ursachenfeststellung ist oft ein Ortstermin unausweichlich. Sachverständige bestehen dann oftmals auf eine Bauteilöffnung, die nicht selten Überraschungen zutage fördert. Mein Tipp: Unabhängig von der oft emotional aufgeladenen und für die Beteiligten unangenehmen Situation sollte am Ortstermin eine konstruktive Zusammenarbeit mit dem Sachverständigen erfolgen. Wie sind Ihre Erfahrungen diesbezüglich? Schreiben Sie mir gerne.

    Bis demnächst und haben Sie eine gute Zeit.

    Ihr Peter Stelzer

    Peter Stelzer
    ist Flaschner-, Gas- und Wasser-Installateurmeister sowie ö. b. u. v. Sachverständiger für Klempnerarbeiten. Darüber hinaus engagiert er sich im Fachverband SHK BW als Obmann des technischen Ausschusses Klempner.

    Bild: Stelzer

    Jetzt weiterlesen und profitieren.

    + BM E-Paper-Ausgabe – jeden Monat neu
    + Kostenfreien Zugang zu unserem Online-Archiv
    + Themenhefte
    + Webinare und Veranstaltungen mit Rabatten
    uvm.

    Premium Mitgliedschaft

    2 Monate kostenlos testen