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Dachlawinen

Tauwetter in Deutschland

Hinter Deutschland liegt eine Tauphase sondersgleichen. Ein Temperatursturz, der das Thermometer in manchen Regionen binnen 24 Stunden um 20° C ansteigen ließ, brachte nicht nur Hauseigentümer, sondern auch Dachkonstruktionen an ihre Grenzen. Das Außergewöhnliche an dieser Wetterkapriole war, dass in üblicherweise schneearmen Gebieten mehr Schnee lag als in typisch schneereichen Regionen. Die Folge: Wo bislang kaum Schneelasten auftraten, stöhnten Dachkonstruktionen unter tonnenschweren Schneelasten – Schneefanganlagen versagten oder fehlten völlig. Pikant an dieser Entwicklung ist, dass durch die Klimaverränderung bedingte Wetterbedingungen auch in den kommenden Jahren auftreten werden und Hausbesitzer sowie Dachhandwerker somit zum Umdenken gezwungen sind. Einerseits sollten bestehende Schneefangfanlagen in Zukunft noch gewissenhafter überprüft, gewartet und gegebenenfalls optimiert werden – andererseits müssen Hausbesitzer, Planer und Architekten dringend auf die Notwendigkeit, funktionsgerechte Schneefanganlagen einzusetzen hingewiesen werden. Dies ist besonders dann der Fall, wenn von herabrutschenden Schneelasten, Eisbrettern oder Eiszapfen Gefahr für Sachgegenstände und Personen ausgehen kann.

Gebäudebesitzer unter ­Zugzwang?

Selbst in Regionen, wo sonst sogar Palmen im Freien überwintern, gefährdeten Dachlawinen und Eiszapfen Passanten und parkende Autos. Beispielsweise drohten in Freiburg nach tagelangem Schneefall besonders von steilen Dächern spitze Eiszapfen und kiloschwere Schneebretter abzurutschen. Bedauerlicherweise kam es in der sonnenverwöhnten Breisgaustadt in der Folge auch zu Personenschäden. So wurde ein Passant von einem herabstürzenden Schneebrett am Kopf und Arm verletzt und eine Passantin von einer Eisplatte am Kopf getroffen. An einem einzigen Tag musste die Feuerwehr sechsmal ausrücken, um mit Drehleitern Schnee und Eis an diversen Dächern zu entfernen. In der Folge herrscht nicht nur in Freiburg, sondern auch in vielen anderen Städten und Gemeinden Verunsicherung. Automatisch stellt sich in solchen Ausnahmesituationen die Frage, ob Gebäudeeigentümer und Hausverwalter zwingend besondere Vorsichtsmaßnahmen ergreifen müssen, doch leider gibt es keine allgemein gültige Antwort.

Eines Vorweg: Immer dann, wenn akute Gefahr im Verzug ist, gehört es zu den Aufgaben eines Hauseigentümers, Fußgänger und parkende Autos vor gefährlichen Eisgeschossen zu schützen. Sollte es nicht möglich sein, kurzfristig für entsprechende Schutzmaßnahmen zu sorgen, kann es sogar zu Feuerwehreinsätzen kommen, deren Kosten dann der verantwortliche Hausbesitzer trägt. Nach einer unverbindlichen Kostenschätzung liegen die Stundensätze für ein Feuerwehrauto mit Drehleiter bei etwa 150 Euro, für das Personal kommen weitere 200 Euro hinzu. Werden weitere Geräte und Betriebsmittel gesondert abgerechnet, können schnell 400 bis 500 Euro pro Einsatzstunde zusammenkommen.

Wann kann es gefährlich werden?

Wenn verschiedene Schneeschichten aufeinander liegen steigt die Gefahr, dass diese bei Tauwetter abrutschen können erheblich. Beachtlich ist dann auch die Zunahme der Schneelasten. So können 10 cm Nassschnee schnell mehr als 40 kg je m2 wiegen. Bei 10 cm Eis können es gar bis zu 90 kg sein. Sollte es trotz eingesetzter Schneefanganlagen und sonstigen Vorsichtsmaßnahmen dennoch zur Eiszapfenbildung oder dem herabrutschen von Schneebrettern kommen oder Schneelasten aus statischen Gründen vom Dach gefegt werden müssen, ist besondere Vorsicht geboten. Beim Räumen von Dachflächen sind Mindestabstände zu den Dachrändern von 1 m zwingend einzuhalten und auch der Einsatz persönlicher Schutzausrüstung samt entsprechendem Absturzschutz und geeigneten Fangeinrichtungen ist Pflicht. Zudem sollten Räumkommandos dringend darauf achten, nicht selbst in die Schusslinie zu geraten, denn je nach Fallhöhe treffen Eisgeschosse mit voller Wucht.

Randbedingungen für Schneefanganlagen überdenken?

Aufgrund bislang erfolgter Rechtssprechung müssen Schneefanggitter nur dort ausnahmslos angebracht werden, wo diese ortsüblich sind – also in tendenziell schneereichen Gebieten. Dass in diesem Winter bislang schneearme Gegenden wie Schleswig-Holstein, Hamburg oder Teile des Rheingebietes besonders unter den Schneemassen litten, erschwert die Ausgangssituation erheblich. Rechtsverbindlichkeit gibt es derzeit nur für Hausbesitzer, die durch entsprechende Gemeinde-Satzungen zur Montage von Schneefanggittern verpflichtet sind. In diesen Fällen müssen Eigentümer keine weiteren Sicherheitsvorkehrungen treffen. Was aber gilt in Regionen, die mit dem Thema bislang nicht konfrontiert waren? Und wozu sollen Klempnerfachbetriebe raten, wenn selbst die regionale Einteilung in klassische Schneelastzonen unzuverlässig zu sein scheint?

Ein Blick in die jeweiligen Landesbauordnungen (LBO) hilft weiter. So schreibt die „Landesbauordnung Baden-Württemberg“ vor, dass Dächer an öffentlichen Verkehrsflächen und über Ausgängen mit Schneefanggittern oder Ähnlichem gesichert sein müssen. Um vor Dachlawinen und Eiszapfen zu warnen, können zudem entsprechende Schilder aufgestellt werden. Entscheidend ist jedoch, dass Hauseigentümer fallabhängig haftbar gemacht werden können, selbst wenn sie die Schneeräumpflicht an Mieter, Hausmeister oder Verwalter übertragen haben.

Neben Verordnungen, Gemeindesatzungen und dem Info-Service diverser Bauämter, stehen auch tagesaktuelle Informationen zur Verfügung. So klärt beispielsweise das Internetportal http://www.schneelast.info über aktuell herrschende Schneelasten auf. Ferner stehen eine Online-Schneelast-Schule und eine Schneelast-Suchmaschine bereit. Zur weiteren Unterstützung der Schneelast-info-Nutzer gibt es im geschlossenen Bereich für Mitglieder weitere Werkzeuge, etwa zur dachformabhängigen Lastannahmen-Auswertung. Ferner können statischen Berechungen diverse Downloads beigefügt werden. Eine FAQ-Plattform in Verbindung mit einem direkten Kontakt zum professionellen Schneelast-Betreuungsteam, runden das Konzept der Internetplattform ab.

AUTOR: Andreas Buck

§§§ Paragraphen-Dschungel §§§

Pflichten der Verwortlichen und Rechte der Geschädigten

BGH VersR 1955, 300 Ein Hauseigentümer ist normalerweise nicht verpflichtet dafür zu sorgen, dass andere nicht geschädigt werden. Nur ausnahmsweise muss er Außenstehende aktiv schützen. Eine Haftung des Eigentümers für herabstürzenden Schnee vom Dach ergibt sich auch nicht aus § 836 BGB, da Schnee und Eis keine Gebäudebestandteile sind.

§ 823 BGB

Fordert ein Geschädigter Schadensersatz, muss er nachweisen, dass für den Haus­eigentümer eine Verkehrssicherungspflicht bestanden hat.

OLG Hamm, Urt. v. 23.07.2003

Grundsätzlich muss jeder auf sich selbst aufpassen und einschätzen, dass er oder sein geparktes Auto nicht von einer Dachlawine erfasst werden.

OLG Dresden, DAR 1997, 492

OLG Hamm, Urt. v. 23.07.2003

Dachlawinenschutz ist von der allgemeinen Schneelage des Ortes, der Beschaffenheit des Gebäudes, der allgemein ortsüblichen Sicherheitsvorkehrungen, dem allgemeinen örtlichen Verkehrsverhältnis, den konkreten Schneeverhältnissen, der Witterungslage sowie von Art und Umfang des gefährdeten Verkehrs abhängig.

AG Karlsruhe, BWGZ 1999, 681

Wenn Schneefanggitter vorhanden sind, müssen Hauseigentümer normalerweise keine weiteren Vorkehrungen treffen.

OLG Zweibrücken, OLGR 2000, 7

Sind Schneefanggitter nicht ausdrücklich vorgeschrieben und auch nicht ortsüblich, muss ein Hauseigentümer sie auch dann nicht anbringen, wenn ein Hausdach stark geneigt ist (53°) und die Dachtraufe bis zum Bürgersteig reicht.

LG Ulm, DAR 2007, 91*

In schneereichen Gebieten sind Schneefanggitter bereits bei hohen Dächern mit einer Dachneigung von mehr als 35° erforderlich – iIn schneearmen Gebieten erst ab 45°.

OLG Karlsruhe NJW 1983, 2946

In schneereichen Gebieten kann davon ausgegangen werden, dass die Gefahr von Dachlawinen bekannt ist.

OLG München, VersR 1972, 1176

OLG Frankfurt VersR 2000, 1514

Sondersituation auf Kundenparkplätzen: Wird beispielsweise das auf einem Hotelparkplatz abgestellte Auto eines Gastes durch eine abgehende Dachlawine beschädigt, haftet der Hotelbetreiber regelmäßig wegen Verletzung seiner Verkehrssicherungspflicht. Der Unterschied zu anderen Fällen besteht hier darin, dass der Hotelier den Parkplatz speziell für seine Gäste als Serviceleistung unterhält.

BGH NJW 2008, 1440

OLG Stuttgart OLGR 2000, 260

Die Verkehrssicherungspflicht trifft den Gebäudeeigentümer. Dieser kann sie zwar beispielsweise auf einen Hausmeister übertragen, bleibt weiter aber zur Überwachung und Kontrolle verpflichtet.

Mein Tipp

Die hier zitierten und zum Teil widersprüchlichen Rechtssprüche sorgen leider nicht für entsprechende Klarheit. Der Blick in die jeweils gültigen Landesbauordnungen sowie die örtlichen Bauämter geben darüber hinaus weitere Informationen. Unstrittig ist, dass funktionstüchtige Schneefanganlagen Sachschäden und kostspielige Streitigkeiten vermeiden. Darüber hinaus können Sie Menschenleben retten! Der fachgerechte Einbau solcher Systeme ist also mehr als sinnvoll. Nutzen Sie daher die Informationen und Berechnungsservices der Systemhersteller.

Die hier zitierten Urteile und Auszüge erfolgen sinngemäß ohne Gewähr.

* Bezugnehmend auf die Verhältnisse in Baden-Württemberg schreibt die LBO Schneefanggitter vor – soweit es die Verkehrssicherheit erfordert.

INFO

Das Wetter wird immer extremer…

Starke Schneefälle in Verbindung mit häufigen Frost-Tauwechseln führen nicht selten zu spontan von Dachflächen abrutschenden Schneemassen und gefährlichen Eisscheibenbildungen im Traufbereich, die wiederum eine latente Gefährdung der Verkehrssicherheit darstellen. Die Bauordnungen einzelner deutscher Bundesländer enthalten Aussagen zum Schutz gegen das Herabfallen von Schnee und Eis im Bereich von Verkehrsflächen sowie unter Gebäudezu- und Eingängen. Zur Schadensvermeidung sind daher geeignete Schutzmaßnahmen wie Schnee- und Eisfänge auf dem Dach zu installieren. Der Fachverleger hat den Bauherren auf diese Notwendigkeit hinzuweisen und entsprechende Angaben über die Anordnung und die Anzahl der Schneefangeinrichtungen und Eisfänger vorzugeben.

Fachverleger und Bauherren profitieren von einer umfangreichen Zubehörpalette für die Prefa-Produkte Dachplatte, Dachschindel, Falzschablone und Doppelstehfalzdeckung. Neben einer Reihe von erprobten und funktionstüchtigen Systemlösungen bietet der Aluminium-Spezialist an, die exakte Nachweisführung über Anzahl, Aufteilung und Abstandsberechnung der Schnee- und Eisschutzvorrichtungen zu führen. Die für den jeweiligen Standort und die Dachgeometrie spezifischen Ermittlungen werden dem Fachverleger als Prefa-Serviceleistung durch den technischen Innendienst zur Verfügung gestellt.

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