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Energetische Sanierung aufgeständerter Flachdächer

Wärmeschutz vom Klempner

Situation: Eine auf größeren Gebäuden der 1960er- und 70er-Jahre häufig verwendete Dachkonstruktion war das auf die oberste Geschossdecke aufgeständerte Flachdach. Es liegt von außen unsichtbar hinter einer Attika. Die Entwässerung erfolgt meist innenliegend. Die Aufständerungen wurden entweder als Holzkonstruktion mit Brettschalung oder als Betonkonstruktion mit bewehrten Leichtbetonplatten als Tragschicht ausgeführt. Darüber erfolgte die eigentliche Dachabdichtung, meist aus Bitumen mit Kiesauflage, doch oft auch in Stehfalzdeckung. Obwohl das große Luftvolumen (40–70cm Höhe) unter der Dachhaut nahezu keine Verbindung mit der Außenluft hat, vereint diese bauphysikalisch und funktionell robuste Konstruktion die Vorteile einer hinterlüfteten Dachdeckung mit den zeitgemäßen ästhetischen Vorstellungen. In diese Konstruktionen wurde entsprechend der Wärmeschutzanforderungen jener Zeit entweder keine oder nur eine sehr dünne Schicht Dämmstoff eingebaut. Der Wärmedurchgang (U-Wert) beträgt ohne Dämmung 3,20 W/m2K und 0,70 W/m2K bei 5cm Dämmung WLS 045. Die Dachhaut vieler dieser Dächer ist mittlerweile schadhaft und sanierungsbedürftig. In diesem Zuge schreibt die EnEV den Einbau einer Wärmedämmung vor, welche die U-Wert-Anforderung von 0,20 W/(m2K) erfüllt. Häufig wird diese Forderung mit einer Fachunternehmererklärung umgangen. Sie hat zum Inhalt, dass solche Konstruktionen nur mit erheblichem, wirtschaftlich nicht zu vertretendem Aufwand nachträglich zu dämmen und damit nach §10(6) EnEV von der Pflicht zur Nachrüstung mit Wärmedämmung befreit seien. Diese Praxis erweist sich langfristig als sehr teurer Irrtum. Immerhin gehen durch diese Konstruk­tionen je nach vorhandener Dämmung jährlich pro Quadratmeter zwischen 50 und 280kWh Wärme verloren. Das entspricht 5–28 Liter Heizöl und kostet nach heutigen mittleren Wärmepreisen 3,45–19,30 € netto.

Nachträgliche Wärmedämmung mit ­Einblastechnik

Dabei sind genau solche Konstruktionen hervorragend zur nachträglichen Wärmedämmung geeignet – übrigens auch bei noch funktionierenden oder bereits erneuerten Dachdeckungen. Der Grund ist der große Luftraum, der mittels Einblastechnik sehr kostengünstig mit einer dicken Schicht faserförmigen Einblas-Dämmstoffs so gefüllt werden kann, dass der obere Abschluss Passivhausanforderungen genügt. Die Auswahl des Dämmstoffes richtet sich nach den Brandschutzanforderungen. Normalerweise kann ein kostengünstiges Zellulose-Recyclingprodukt eingesetzt werden. Bei erhöhter Brandschutzanforderung kommen Steinwollfasern zum Einsatz. Hierfür muss die Dachhaut punktuell oder an Hochpunkten linear geöffnet und nach getaner Arbeit wieder geschlossen werden. Die meisten Holzkonstruktionen bieten ausreichend Höhe, um hineinkriechen und den Dämmstoff gezielt verteilen zu können.

Der Dämmstoff wird mit einem Gebläse von einem LKW auf das Dach gefördert und innerhalb der Konstruktion gleichmäßig und fugenfrei verteilt. Dabei bleibt die eventuell vorhandene Dämmung erhalten und wird überschichtet. Aufwendige Transportarbeiten entfallen ebenso wie das Schneiden und Anpassen von Dämmstoff bei der Verlegung. Zu beachten ist, dass bei Holzkonstruktionen ein ausreichender Lüftungsquerschnitt unter der Schalung erhalten bleiben muss.

Mit Einblastechnik können zwei bis drei Personen stündlich bis zu 20 m³ Dämmstoff fertig verarbeiten. Das sind 50 m2 Dämmung mit 40cm Dicke. Der U-Wert des Daches verbessert sich dabei auf 0,10W/(m2K). Das ist ein passivhaustauglicher Standard. Nach der Maßnahme werden jährlich nur noch etwa 10 kWh/m2 Wärme emittiert. Die bauteilbezogene Heizkosten-Einsparung beträgt somit zwischen 75 und 97 %, bezogen auf die ursprünglichen Wärmekosten.

Vergleich der Lösungsmöglichkeiten für ­nachträgliche Dämmung

1. Übliche Praxis

Da das Einbringen von Matten- oder Plattendämmstoff sehr aufwendig ist, wird meist eine komplette Erneuerung des Daches mit Gefälledämmung (Polystyrol WLS 035) als unbelüftetes Warmdach mit Neuausbildung der Attika und Anschlüsse ausgeführt. Dabei werden aus Kostengründen überwiegend nur die EnEV-Anforderungen (U-Wert 0,20W/m2K) erfüllt.

  • Maßnahme: Vollständiger Abriss und Entsorgung der vorhandenen Konstruktion, 16 cm EPS-Dämmung WLS 035, Dachabdichtung
  • Herstellkosten netto: 120,00 € pro m<sup>2</sup> (inkl. Entfernung und Abfuhr der vorhandenen Konstruktion)
  • Neuer U-Wert : 0,20 W/m<sup>2</sup>K (EnEV-Standard)
  • Einsparung Wärmekosten: 2,44–16,13 € netto pro m<sup>2</sup> und Jahr (je nach vorhandener Dämmschicht)
  • Return on Investment: 7,5–50 Jahre

Diese Ausführungsvariante wäre aus energetischen Gründen nur zu rechtfertigen, wenn vorher keinerlei Dämmung eingebaut war.

2.Einblastechnik

  • Maßnahme: Öffnen der Konstruktion, Einblasen von 40cm faserförmigen Einblasdämmstoffs WLS 040 (Zellulose, Steinwolle), Schließen und Abdichten der Konstruktion
  • Herstellkosten: für 40cm Dämmdicke in fertiger Arbeit:
  • Öffnen und Abdichtung: max. 7 € pro m<sup>2</sup> Dachfläche
  • Dämmung: 18,00 €/m<sup>2</sup> (Zellulose) bis 28,00 €/m<sup>2</sup> (Steinwolle)
  • Herstellkosten: 25–35 € pro m<sup>2</sup>
  • Neuer U-Wert: 0,10 W/m<sup>2</sup>K
  • Einsparung Wärmekosten: 3,14–16,83 € pro m<sup>2</sup> und Jahr (je nach vorhandener Dämmschicht)
  • Return on Investment: 1,5–11 Jahre

Wärmedämmung bezahlt Metalldach!

Die meisten Konstruktionen weisen trotz Undichtigkeiten der Dachdeckung keine nennenswerten Schäden auf. Sie sind geeignet für Metalldächer, die nach Entfernen der Kiesschüttung entweder direkt oder mit strukturierter Trennlage auf die vorhandene Dachabdichtung verlegt werden können. Eine Metalldachdeckung im Edelstahl-Rollnaht-Verfahren kostet ca. 70–80€/m2, je nach Aufwand für Anschlüsse. Bei Dachneigungen>3° ist auch kostengünstigere Stehfalztechnik möglich. Die komplette Sanierung in Klempnertechnik kostet demnach inklusive Wärmedämmung in Einblastechnik 95–115 €/m2.

Wirtschaftlichkeit

Ist keine Dämmschicht vorhanden, was bei diesen Konstruktionen öfter der Fall ist, als man denkt, beträgt die Heizkosten-Einsparung bei heutigen Brennstoffpreisen ca. 16,80 € (!) pro m2 und Jahr. Bei 5cm vorhandenem Dämmstoff beträgt sie nur etwa 3,10 €/m2a. Je nach vorhandener Dämmschicht beträgt der Return on Investment (ROI) eines Metalldaches sieben bis 36 Jahre. Auch der längere ROI ist nur ein Bruchteil des Lebenszyklus (40–80 Jahre). Beim ROI ist die jährliche Energiepreissteigerung nicht berücksichtigt. Langlebige Investitionsgüter müssen jedoch über lange Zeiträume dynamisch bilanziert werden. Die Energiepreissteigerung und Kapitalverzinsung spielen dabei eine wichtige Rolle. Die folgenden Grafiken vergleichen die dynamische Amortisation von Einblastechnik ohne (rot) und mit Metalldach (silbergrau) mit einer Sanierung durch Neukonstruktion mittels Warmdachaufbau (blau). Dabei werden die jährliche Energiepreissteigerung von 6,45 % und eine Kapitalverzinsung von 1 % in den ersten zehn Jahren und 3 % ab dem elften Jahr berücksichtigt (KfW-Kredit).

Ist das Dach völlig ungedämmt, liegt die Amortisationszeit bei allen Varianten innerhalb zehn Jahren. Diese Maßnahme ist also hochrentabel! Die maximale Finanzierungszeit sollte zehn Jahre betragen. Sind bereits 5cm Dämmung vorhanden, sind die Amortisa­tionszeiten wesentlich länger. Wegen der deutlich geringeren Einsparung sollte langfristig (20 Jahre) finanziert werden. Eine Totalerneuerung der Dachdeckung durch ein Warmdach auf EnEV-Niveau wird sich im Lebenszyklus wegen des höheren Zinssatzes jedoch nicht amortisieren. Die Metalldachvariante ist förderfähig und innerhalb 20 Jahren amortisiert. Die Amortisa­tionszeit ist als Vergleichskriterium für die Wirtschaftlichkeit einer Maßnahme oft trügerisch. Maßnahmen mit sehr guter Amortisationszeit sind oft die langfristig ungünstigen. Abgerechnet wird nämlich zuletzt. Das wichtigste Entscheidungskriterium sollte also die Gesamtkostenbilanz aus Energie- und Kapitalkosten (Zins und Tilgung) nach einem bestimmten Zeitraum sein.

Vergleichende Bewertung

Der Vergleich der beiden Grafiken zur 20-Jahre-Bilanz zeigt, dass bereits 5cm Dämmung den Wärmedurchgang um etwa 80 % (!) verringert (schraffierter Balken). Die Amortisationszeit würde weniger als ein Jahr betragen, was jedoch langfristig deutlich ungünstiger ist, als eine 40cm dicke Einblasdämmung. Am günstigsten ist naturgemäß die Einblasdämmung in die vorhandene Konstruktion. Dies ist jedoch nur möglich, wenn die Dachdeckung intakt ist. Mit dieser Technik lassen sich kostengünstig passivhaustaugliche Dämmwerte erreichen, die eine Maßnahmenförderung zulassen. Ist das Dach undicht und insgesamt sanierungsbedürftig, ist das Metalldach auf vorhandener Unterkonstruktion eine sehr gute Wahl. Es ist auch bei vorher vorhandener Dämmung innerhalb 20 Jahren durch die Energieeinsparung refinanzierbar. Angesichts seiner Langlebigkeit ist das ein sehr guter Wert. Eine Neukonstruktion als Warmdach mit Gefälledämmung ist nur dann wirtschaftlich, wenn vorher keine Dämmung vorhanden war. Sobald auch nur 5cm Dämmstoff in der Bestandskonstruktion vorhanden sind, wäre es in 20 Jahren refinanziert, wenn ein Dachaufbau mit mindestens 30 cm Dämmstoff WLS 025 gewählt wird, was wiederum kostentreibend wäre.

Fazit

Es gibt keinen Grund, die aufgeständerte Dachkonstruktion abzureißen oder bei einer Sanierung der Dachhaut auf zusätzliche Dämmung zu verzichten. Im Gegenteil: Die energetische Sanierung durch Einblasdämmung ist möglich und die mit Abstand wirtschaftlichste Wärmeschutzmaßnahme. Zudem kommt der Eigentümer in den Genuss staatlicher Fördergelder. Sollte eine Dachsanierung erforderlich sein, amortisiert sich die Zusatzinvestition in ein Metalldach durch die Energieeinsparung innerhalb 20 Jahren. In Kombination mit Einblasdämmung ist die Metalldeckung eine funktionell, energetisch und ästhetisch äußerst hochwertige und langlebige Lösung.

AUTOR: Markus Patschke

INFO

Investitionsförderung

Durch die Kombination mit einer Verbesserung des Wärmeschutzes kommen auch Klempnerarbeiten in den Genuss staatlicher Förderung. Die staatliche KFW-Bank fördert Sanierungsmaßnahmen inkl. aller Nebenkosten bis 75000 €/Wohneinheit mit zinsgünstigen Krediten und Zuschüssen.

Einzelmaßnahmen 1 % Zinsen oder 10 % Zuschuss auf 50000 €/Wohneinheit

Effizienzhäuser 1 % Zinsen und je nach Standard 2,5 bis 17,5 % Tilgungszuschüsse oder bei Eigen­finanzierung 10 bis 25 % Zuschuss auf 75000 €/Wohneinheit

Erforderlich ist die Antragsbestätigung und ggf. Baubegleitung durch einen in der Beraterliste des Bundes gelisteten Effizienzhaus-Experten.

Infos zur Förderung, Finanzierung:

http://www.kfw.de

Effizienzhausexperten:

http://www.energie-effizienz-experten.de/expertensuche

Buchtipp

Wärmedämmstoffe, Kompass zur Auswahl und Anwendung

Die Neuerscheinung bietet eine umfassende und anschauliche Orientierung im Markt der wichtigsten Wärmedämmstoffe unter technischen, ökonomischen und ökologischen Bewertungskriterien. Der Wärmedämmstoff-Kompass ermöglicht, das geeignete Dämmverfahren und den geeigneten Dämmstoff für die jeweilige Bauaufgabe zu finden. Ob Leistungsfähigkeit, Kosten, Ökologie, Nachhaltigkeit, Brandverhalten oder andere Eigenschaften des Dämmmaterials im Fokus stehen, mit der kompakten Darstellung der Vergleichswerte ist die Auswahl des geeigneten Dämmstoffes leicht zu treffen. Die Dämmstoffe sind in acht Gruppen eingeteilt, die mittels Griffregister am Buchschnitt gezielt ausgewählt werden können. In jeder Gruppe sind die wesentlichen Eigenschaften, die als Auswahlkriterien infrage kommen, tabellarisch und in knappen Stichpunkten systematisch dargestellt und so schnell erfassbar. Rechtliche und wirtschaftliche Aspekte sowie praktische Hinweise zu Einsatzbereichen und technischen Verfahren ergänzen den umfangreichen Dämmstoffkatalog. Die ISBN-Nummer des Nachschlagewerks der Autorengruppe Arnold Drewer, Hanne Paschko, Kerstin Paschko und Markus Patschke lautet:

ISBN 978-3-481-03094-0

Markus Patschke

Ist Klempnermeister, Energieberater, Fachwirt für Gebäudemanagement, freier wiss. Mitarbeiter des IpeG-Instituts und gelisteter Effizienzhausexperte. Mit seinem übergreifenden Fachwissen unterstützt er auch Klempnerfachbetriebe.

Informationen und Expertisen können bei 3E-Consult Markus Patschke (https://3e-consult.de/) sowie beim IpeG-Institut in Paderborn (https://www.ipeg-institut.de/) angefordert werden.

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