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Perforierte transparente Vorhänge

Spenglermeister Michael Kirchen realisiert mit individuell gefertigten Lochprofilen ausgefallene Klempnerfassaden. Sein Fachbetrieb Ferisol stanzt und kantet die Bauteile dazu in der eigenen Werkstatt in Berbourg. Das Team verwirklichte in Luxemburg 2016 und 2017 mehrere Projekte, bei denen die Entscheidung schwerfällt, welche Fassade als Favorit gilt. Die Spengler bekleideten das neue Hauptquartier des Finanzdienstleisters Fernbach mit wabenförmig perforierten Profilen. Die renovierte Repräsentanz des Architekten Enzio Alleva erhielt eine Aluminiumfassade mit gedrehten Ringen. Fest steht, dass die Stanzarbeiten zur beachtlichen Wertschöpfung im Handwerksbetrieb führen.

Von der Matrize ins Metall

Für das Bürogebäude in Grevenmacher (Potaschberg) fiel die Wahl auf walzblankes Aluminium. „In das 1,5 mm starke Material stanzten wir Sechskantlochungen mit einem Durchlass von 62 %“, erklärte der Geschäftsführer von Ferisol nach Abschluss der Arbeiten. Wenn über die Hälfte des Aluminiums im Stanzschrott landet, wandeln sich natürlich auch die Eigenschaften. Das Erscheinungsbild wechselt von blickdicht zu transparent, der Werkstoff verliert an Gewicht und auf der vorher glatten Oberfläche dominiert nun ein geometrisches Muster! Der Fachbetrieb stanzte die Sechskantlochungen mit einer Kantenlänge von rund 13 mm in zwei Varianten in die entsprechenden Metalltafeln. Beim ersten Muster sind die Waben gegeneinander versetzt ins Aluminium eingearbeitet. Diese stark perforierten Bauteile montierte der Fachbetrieb vor den Fenstern. Die Platinen für das Parkhaus und dessen inneren Aufgang wurden weniger gestanzt. Aus diesem Grund wirkt dieser Teil nicht so transparent. Während der Vorfertigung, die vom Winter bis zum Frühjahr 2016 erfolgte, wurden die Aluminiumtafeln nach dem Stanzen mehrfach im rechten Winkel in wilder Deckung gekantet, sodass ein wildes, unregelmäßiges Erscheinungsbild entstand. Diese Bearbeitung verleiht den trapezförmigen Profilen eine höhere Stabilität, sodass sie sich durch Witterungseinflüsse wie Windsog oder -druck nicht verformen lassen.

Für das Architekturbüro in Pétange stanzten die Spengler kreisförmige und halbrunde Motive ins 1,5 mm starke Aluminium. Durch die Halbkreise zwischen den versetzt angeordneten Rundlochungen entstehen Ringe, die über zwei Stege mit dem umgebenden Werkstoff verbunden sind. Der Blickfang ist garantiert: Nach dem Perforieren drehte der Spenglermeister die Ringe manuell in verschiedenen Winkeln aus der Ebene heraus. Diese Drehungen erzeugen interessante Lichtreflexe, die an der installierten Fassade erst recht zur Geltung kommen. Der Aufwand für diese individuellen Muster ist durchaus hoch, da die entsprechende Schablone nach dem Entwurf am Computer in das sogenannte Stanzwerkzeug, bestehend aus Stempel und Matrize, gefräst wurde. „Alle Muster werden vorher mit CAD gezeichnet und somit digital entwickelt. Nach der Erstellung erster Zeichnungen wird dann mit vorhandenen Werkzeugen ein Prototyp gestanzt“, beschreibt der Geschäftsführer den kreativen Prozess.

Handwerk ermöglicht Sonderanfertigungen

Die Bandbreite an perforierten Bauteilen auf dem Markt ist bereits riesig. Führende Hersteller, darunter Schäfer Lochbleche und Mevaco, decken mit ihren Angeboten einen Großteil der Nachfrage von Verarbeitern ab. Verschiedene Werkstoffe, von Edelstahl über Kupfer und Titanzink bis hin zu Legierungen, sind mit zahlreichen Stanzformen erhältlich. Eingearbeitet werden können (halb-)runde, kreuzförmige und quadratische Löcher in verschiedensten Größen und Mustern. Dem Spenglermeister aus Berbourg gelang es jedoch, sich einige Alleinstellungsmerkmale zu erarbeiten. Dazu zählt in erster Linie die Kombination neuer Stanzmuster aus vorhandenen geometrischen Formen. Die manuelle Weiterverarbeitung, sprich das Drehen der Ringe, unterscheidet die handwerklich gefertigten Lochprofile zusätzlich von den Exemplaren ab Werk. Nicht zu vergessen: In der Spenglerwerkstatt können perforierte Tafeln und Coils auch in Sonderlängen und Sonderkantungen gefertigt werden: Schräg abgelängte Profile, extra lange Segmente oder komplizierte Einzellösungen lassen sich so gezielt auf ein Bauwerk abstimmen. „Die Fähigkeit, mit den digitalen Arbeitsweisen millimetergenau das zu liefern, was der Kunde und sein Architekt wollen, macht den Fachbetrieb unvergleichlich. Der eigene Maschinenpark ermöglicht ein schnelles Handeln und ein sehr hohes Maß an Kundenzufriedenheit“, präzisiert Michael Kirchen. Weiteres Potenzial besteht darin, dass Handwerksbetriebe beim Stanzen zusammenarbeiten können. Das gilt für Spengler mit und ohne eigenen Stanzautomaten. Werden perforierte (Spezial-)Bauteile für ein Projekt benötigt, empfiehlt es sich, den Schritt zur Kooperation zu gehen. Die Vorteile für beide Seiten liegen auf der Hand: Unternehmen mit Stanztechnik lasten ihren Maschinenpark aus, Betriebe ohne diese Technik erhalten Zugang zu einer besonderen Metall- und Profilbearbeitung für ihr Bauvorhaben.

Gewebe für eine neue Architektur

Die perforierte Fassade am Neubau in Potaschberg misst in der Fläche ca. 800 m². Die Aluminiumprofile wurden vor den Bürofenstern auf der Hofseite, rund um den Treppenaufgang und als Begrenzung der Balkone installiert. Die Spengler konstruierten unterschiedlich lange Profile: Vor den Fenstern der Hofseite erreichen sie eine Länge von 4400 mm, am Dach dagegen rund 1360 mm. Der Fachbetrieb installierte die Fassade an einer Unterkonstruktion aus massiven, verzinkten Stahlträgern, die am Betonrohbau verschraubt sind. An diesen Trägern wurden Aluminiumschienen befestigt, sodass die Fassade in einem Abstand von rund einem halben Meter vor den Fenstern bzw. der Betonwand hängt. Mit der Montage, die vom Frühjahr bis zum Sommer 2016 erfolgte, waren zwei bis drei Spengler vor Ort beschäftigt. Der Werkstoff büßte durch die Lochungen nicht nur Gewicht, sondern auch Angriffsfläche ein, sodass die Fassadenelemente starken Windlasten widerstehen.

Integriertes Blitzschutzkonzept

Da Aluminium nur sehr langsam oxidiert, behalten die Profile für Jahre ihren silbernen Farbton. Der Vorhang erschwert zudem den unerlaubten Zutritt über den Treppenaufgang und das Vordringen bis zu den Fenstern.

Ferisol fertigte für das Firmengebäude am Potaschberg zusätzliche Konstruktionen. Eine Einhausung für die Abfallbehälter beweist die vielseitigen Verwendungsmöglichkeiten von Lochprofilen, die dort an einem verzinkten Stahlgerüst installiert wurden. Ein Sahnestück der Klempnertechnik ist, dass die Spengler die perforierte Fassade ins Blitzschutzsystem des Gebäudes integrierten. Einschlagsgefährdet an Gebäuden sind häufig Firste, Traufen, Ortgänge und Dachaufbauten. Deshalb errichtete Ferisol auf dem Dach eine Barriere aus perforierten Aluprofilen rund um die Technik zur Gebäudeklimatisierung. Barriere und Fassade ragen ca. 1030 mm über die Dachfläche hinaus in die Höhe und dienen damit als Blitzfänger. Die Lochprofile schützen das Gebäude vor Überspannungsschäden, indem sie die elektrische Energie in den Boden ableiten. Darüber hinaus akzentuieren die Profile die spitzwinklige Geometrie des Baukörpers und ermöglichen den Blick durch die Fassade. Sichtachsen ins Gebäude und aus dem Inneren in die Umgebung bleiben erhalten. Die Transparenz und Kantung erinnern bei beiden Projekten an das Gewebe textiler Vorhänge. Man spricht also zu Recht von der Gebäudehülle.

Unikate für das Bauen im Bestand

Perforierte Fassaden bleiben nicht nur Neubauten vorbehalten. Bestandsbauwerke profitieren von gelochten Metallwerkstoffen, indem Sanierungen betagter Bausubstanz zu neuem Glanz verhelfen. So geschehen beim renovierten Architekturbüro in Pétange (dt. Petingen – lxbrg. Péiteng) im Süden Luxemburgs. Für das Anfang der 1960er-Jahre errichtete Bauwerk entwickelte Ferisol eine vorgehängte Konstruktion und installierte rund 3 m lange Profile in drei Reihen übereinander an den Außenwänden. Die gedrehten Ringe sorgen für wechselnden Lichteinfall im Gebäude. „In Pétange wurde das Muster gemeinsam mit dem Architekten verfeinert und in Bezug auf die technische Machbarkeit verbessert. Ein großer Vorteil war die sehr enge Zusammenarbeit mit dem Architekten. Die Arbeit auf Augenhöhe verschafft dem ausführenden Handwerker einen sehr hohen Stellenwert sowie die Möglichkeit, gestalterisch tätig zu sein“, bilanziert der Spenglermeister im Rückblick.

Die Motivation für den Umbau von 2012 bis 2017 bestand darin, etwas Besonderes zu erschaffen und eine Fassade zu kreieren, die es so im Handel nicht zu kaufen gibt. Bei der Montage der rund 800 m² großen Fassade im Frühjahr 2017 vollendeten die Spengler die Perforation bis ins Detail: Sogar im Stoß sind benachbarte Profile so präzise aufeinander abgestimmt, dass sie das gestanzte Muster aufrechterhalten.

Autor: Henry Rasch

Info

Titelbild: Perforierte Aluminiumfassade für ein neues Firmengebäude

Ort: Potaschberg, Grevenmacher, Luxemburg

Bauherr: Fernbach Financial Software

Architektur: WE+B Architekten, Grevenmacher, Luxemburg

Material: Gestanzte, gekantete Aluminium-Trapezprofile, 1,5 mm

Montage: Sommer 2015 bis Sommer 2016

Fertigung: Gestanzte, gekantete Aluminiumprofile, 1,5 mm, Sechskantlochungen. Sonderanfertigung im Klempnerfachbetrieb nach Kundenwunsch.

Fachbetrieb: Ferisol S.a.r.l., Berbourg, Luxemburg

www.ferisol.lu

www.archi-web.lu

www.mevaco.de

www.schaefer-lochbleche.de

www.baumetall.de/extra

www.baumetall.de/UBEB

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