Unvergessen sind die Bilder vom verheerenden Großbrand der Kathedrale Notre-Dame de Paris im April 2019. Sie gehören damit ebenso zum kollektiven Gedächtnis wie der Einsturz des World Trade Centers in New York oder hierzulande die Flutkatastrophe im Ahrtal. Spätestens seit der symbolischen Wiedereröffnung und ersten Gottesdiensten im Dezember 2024 erfährt die unglaubliche Leistung aller am Wiederaufbau beteiligten Handwerker weltweit Anerkennung. Zahlreiche TV- und Radioreportagen sowie Presseartikel berichten von der herausragenden Expertise der Handwerkerschaft und ihrer Handwerkskunst.
Dieser Fachaufsatz fokussiert sich auf die Schaffenskraft französischer Dachhandwerker und Compagnons, die einen wesentlichen Teil zum Wiederaufbau des UNESCO-Baudenkmals beitragen. Seit drei Jahren ist die Balas-Gruppe federführend am Wiederaufbau der Kathedrale beteiligt und stellt dabei ihr umfassendes Fachwissen in den Bereichen Dachdeckung und Steinmetzarbeiten unter Beweis. Ihre auf Dachdeckerei und Kulturerbe spezialisierte Abteilung beteiligt sich zusammen mit mehreren Unternehmen an der Restaurierung des Daches der Kathedrale. Dazu zählen beispielsweise der bemerkenswerte Spitzturm, das Querschiff oder das riesige Kirchenschiff.
Startschuss in Gennevilliers: Präzision vor Ort
Ein elementarer Bestandteil zum Wiederaufbau des Daches war die Errichtung einer spezifischen Werkstatt im Jahr 2022. Im Pariser Vorort Gennevilliers statteten die Experten von Balas einen auf diverse Anforderungen der Bleiverarbeitung abgestimmten Produktionsbereich zur Vorfertigung unterschiedlichster Bleielemente aus.
Auf Sand gegossenes Blei
Bei der Neueindeckung spielte auf Sand gegossenes Blei eine entscheidende Rolle. Dieses handwerklich hergestellte Material wird seit Jahrhunderten, teilweise schon in der Römerzeit, zur Dacheindeckung verwendet. Es unterscheidet sich grundlegend von modernem Walzblei (milled lead) und ist für Denkmalschutzprojekte wie Notre-Dame besonders gefragt.
Für die Dacharbeiten an der Kathedrale wurde Blei der britischen Sand Cast Lead Conservation Ltd. mit einem Reinheitsgrad von 99,97 % eingesetzt. Innerhalb von 18 Monaten lieferte das Unternehmen über 200 t des Metalls von Leicester nach Gennevilliers, wo es vor Ort ins Sandbett gegossen wurde. Dieser besondere Herstellungsprozess umfasst typischerweise folgende Schritte:
Als einer der führenden Experten bei der Herstellung von auf Sand gegossenem Blei hat Bradley Smith sein gesamtes Fachwissen eingebracht. Er war gemeinsam mit seinem Team maßgeblich dafür verantwortlich, dass die nach historischem Vorbild hergestellten Bleiplatten eine möglichst authentische Optik und Textur aufweisen.
Nichts in der Werkstatt geschieht zufällig
Jedes einzelne der erforderlichen Dachelemente wurde zunächst als Prototyp gefertigt. Es folgten die Begutachtung und die Freigabe durch den leitenden Architekten Philippe Villeneuve. Erst dann startete das Werkstatt-Team mit der Serienproduktion bzw. der Reproduktion der benötigten Stückzahlen. Um die Verarbeitung zu erleichtern und die körperliche Belastung der Mitarbeitenden zu reduzieren, hat das Unternehmen in mehrere Spezialmaschinen investiert. Darunter eine motorische Schröder-Schwenkbiegemaschine vom Typ PowerBend Professional mit drehbarer Oberwange sowie diverse Hebevorrichtungen und elektrisch betriebene Vakuumheber. Außerdem wurden spezielle Werkzeuge zur Weiterverarbeitung der gerollten Bleinähte entwickelt.
Logistische Meisterleistung
„Der Transport der Bleiplatten und Bleielemente von der Gießerei bzw. der Werkstatt bis zum Dach der Kathedrale wurde mechanisch unterstützt“, so Olivier Etienne, Leiter der Fachabteilung für Dachdeckerei und Denkmalpflege der Balas-Gruppe. Die Nähe zum Hafen von Gennevilliers erwies sich dabei als entscheidender Vorteil. So konnten die gesamten Bleielemente unkompliziert per Wasserweg angeliefert werden, was eine kontinuierliche Versorgung der Baustelle in knappen Zeitfenstern sicherstellte. Durch diese Logistikstrategie gelang es dem Team der Balas-Gruppe, die ambitionierten Fristen des Wiederaufbaus einzuhalten. Darunter die Fertigstellung des Hauptschiffs zur Eröffnung der Olympischen Spiele im vergangenen Jahr sowie die Übergabe des Vierungsturms bzw. der Turmspitze und der Querschiffe zur Wiedereröffnung der Kathedrale im Dezember 2024.
Fortsetzung folgt
Ergänzend zu dieser Beitragsreihe stellt BAUMETALL einige Videos und weitere Fotos zur Verfügung. Sie sind online im BAUMETALL-Extra zu finden oder über hier abgedruckte QR-Codes abrufbar. Der zweite Teil der Reportage richtet den Fokus auf interessante Details bei der Rekonstruktion des Bleidaches und der entsprechenden Montage.
Nicolas Bossard, Technischer Direktor und Leiter der Vorfertigungswerkstätten der Balas-Gruppe erklärt: „Die Teams arbeiteten in den Werkstätten mit großer Sorgfalt an unterschiedlichen Dachelementen. Neben überaus komplexen Bauteilen für die Turmspitze produzierten sie zum Beispiel unzählige Lüfterhauben in verschiedenen Formen, Größen und Ausführungen. Wenn alles nach Plan läuft, und davon gehe ich aus, wird die Montage der Statuen auf den Sockeln am Fuß der Turmspitze im Laufe des Sommers 2025 erfolgen. Damit wird zugleich ein außergewöhnliches Projekt vollendet. Die Ausführung der Bleiarbeiten am Dach der Kathedrale Notre-Dame de Paris ist für viele von uns das Projekt des Jahrhunderts. Für mich ist es sogar das Projekt meines Lebens.“

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Bild: Sand Cast Lead Conservation LTD / Associiation Contractors / Balas

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Kathedrale Notre-Dame de Paris
Die stadtbildprägende Kathedrale wurde zwischen 1163 und 1345 errichtet. Sie ist eines der ersten gotischen Gotteshäuser Frankreichs. Seit 1991 ist das Bauwerk als UNESCO-Weltkulturerbe gelistet.
Der Brand von Notre-Dame am 15. April 2019 zerstörte den gesamten hölzernen Dachstuhl. Dieser bestand aus etwa 1300 Eichenbalken aus dem 13. Jahrhundert. Auch der über 90 m hohe Vierungsturm stürzte ein. Durch den Einsturz des Daches entstanden zudem Löcher im Kreuzrippengewölbe. Die Bleieindeckung des Daches schmolz und verdampfte teilweise.
Für den Wiederaufbau des Daches wurden über 2000 Eichen gefällt. Nachdem die Arbeiten an Dach und Turm abgeschlossen sind, soll die Kathedrale vollständig wiedereröffnet werden.
Die für die Dacharbeiten verantwortliche Balas-Gruppe ist ein 1804 gegründetes, unabhängiges Familienunternehmen. Das Balas-Team blickt somit voll Stolz auf eine 220-jährige Fachkompetenz zurück.
Verantwortliche Personen
Technischer Direktor und produktionsverantwortlicher Leiter der Werkstätten für Dachdeckerei und Kunsthandwerk: Nicolas Bossard*
Direktor der Abteilung für Dachdeckerei und Denkmalpflege: Olivier Etienne
Balas-Projektleiterin: Louise Bausiere
Verantwortlicher für Methode und Innovation: Theo Le Gallet
Bauleiter und Polier der Baustelle Notre-Dame für Balas: Maxime Matysiak*

Bild: Balas