Am ersten Septembersonntag beginnt unsere Reise nach Rumänien. In zwei Firmenbussen und einem PKW plus Anhänger fahren wir zur Kleinstadt Aleșd im Kreischgebiet (Crișana), die am Fluss Crișul Repede liegt und rund 43 Kilometer von der Großstadt Oradea entfernt ist. Wir, das sind elf Meisterschüler der Stuttgarter Robert-Mayer-Schule und Praxislehrer Daniel Wagner. Die 1280 km von Stuttgart nach Aleșd spulen wir gut gelaunt ab, denn schließlich wollen wir im Unterricht gelerntes Wissen zu einem guten Zweck einsetzen. Damit das gut gelingt, haben wir nicht nur den sprichwörtlichen Enthusiasmus und das ausgeprägte Know-how der Ausbilder und Meisterschüler der Stuttgarter Klempnermeisterschule an Bord, sondern auch das gesamte Material für die Eindeckung eines extrem steilen Daches. Dieses umfasst unter anderem Gerüstmaterial, Werkzeug und Maschinen. Ergänzend dazu führen wir im Reisegepäck großzügige Materialspenden mit: Zwei 500-kg-Coils (eines davon Prefa Grau), gespendet von den Firmen Prefa (Wasungen) und Lotter (Ludwigsburg), sowie Dachrinnenartikel vom Handelshaus Barth (Renningen).
Rückblick
Die Bodenplatte wird im Mai 2025 gegossen und die Wände des Gebäudes überraschend schnell aufgemauert. Auch der Holzbau entsteht in Windeseile und wird im August nahezu fertiggestellt, damit die Stuttgarter Schüler im September loslegen können. Aufmerksame BAUMETALL-Leser erinnern sich: Immer wieder sorgen die Meisterschüler mit teilweise legendären Einsätzen in der Gegend um Aleșd für Aufsehen.
Der Arbeitsauftrag für die Schüler des laufenden Klempnermeisterkurses an der Robert-Mayer-Schule lautete: 350 m² Dacheindeckung unter schwierigsten Bedingungen. Das Dach: 12 m Höhe. Die Neigung: 65°. Die Sicherheitsmaßnahmen: stellenweise bedenklich, denn Gerüstbaumaterial ist in rumänischen Dörfern kaum aufzutreiben, und so rüsten wir das Dach recht provisorisch ein. Nicht gerade nach deutschem Sicherheitsstandard, aber möglich.
Planung versus Improvisation vor Ort
Nicht nur von der logistischen Seite aus gesehen ist diese Aktion eine Herausforderung. Wir hatten nur vage Baupläne und wenige Fotos zur Vorbereitung vorliegen. Maschinen und Werkzeuge plus zwölf Personen mussten samt Gepäck in zwei Kleintransportern und einem PKW untergebracht werden. Darunter auch die 2-m-Schwenkbiegemaschine von Theorielehrer Rösch – in Rumänien eine echte Rarität.
Die Holzverschalung samt Dachaufbau wurde von rumänischen Handwerkkern erstellt. Eine Besonderheit ist die tiefliegend unter Lattung und Konterlattung angebrachte Unterspannbahn. Sie schützt das Gebäude während der Bauphase und ermöglicht zugleich, das steile Dach wie auf einer großen Leiter besteigen zu können.
Mithilfe unserer mitgebrachten Profilieranlage können wir unsere Aluminiumscharen aufstellen und perfekt verfalzen. Alles wird in deutscher Handwerks-Präzision ausgeführt – das Dach wird wohl weit über 70 Jahre bestehen.
Dachdeckung mit Sonderwunsch von Pater Peter
Ob es möglich sei, ein katholisches Kreuz oben auf der Krone zu haben? Ein kurzer Blickwechsel und eine Diskussionsrunde später steht fest: Aus Blech können Klempner fast alles machen – auch ein Kreuz für den First des Neubaus in Aleșd. Fun Fact: Das Aluminium-Kreuz grenzt schon fast an ein Meisterstück. Und es veranlasst offensichtlich einige Schüler mit entsprechendem Enthusiasmus an den Abgabetermin ihrer Meisterprüfungsarbeit zu denken. Im November muss der entsprechende Vorschlag auf dem Tisch der Meisterprüfungskommission liegen.
Doch zurück aufs Dach des Kindergartens.
Aus Angst, in der zur Verfügung stehenden Zeit nicht fertig zu werden arbeiten wir auch samstags und sonntags durch. Ziel ist es, das Dach wetterfest zu bekommen, und der nächste rumänische Winter kommt bestimmt. Ziel ist es, nach zehn Arbeitstagen wieder zu Hause zu sein. Wir sind guter Dinge, denn wenn zwölf angehende Meister zusammen anpacken, ist der Baustellenfortschritt immens. Früher als ursprünglich geplant packen wir unsere Sachen zusammen – finden sogar noch etwas Zeit, für kleinere Reparaturarbeiten an umliegenden Dächern. Ein Schüler deckt sogar noch schnell eine Hundehüte mit Prefa ein. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge kommen wir zurück nach Stuttgart. Erst mal schlafen bevor es wieder heißt: Schulbank drücken und theoretische Aufgaben lösen.
Fazit und Online-Extra
Einmal mehr zeigt sich, wie wertvoll ein solcher Einsatz für die angehenden Meister ist. Neben der Lösung technischer Probleme sind das Arbeiten im Team und die Kameradschaft eine Grundvoraussetzung für das Gelingen einer solchen Mission. Und auch der Blick auf Land und Leute ist mit einem Lerneffekt verbunden.
Die Leute in Rumänien verdienen im Durchschnitt etwa 180 Euro im Monat. Ihre Häuser gleichen eher einfachen Hütten, und dennoch scheinen die Menschen zufrieden zu sein. Ein Meisterschüler bringt es auf den Punkt: „Ist ja schon eigenartig – viele Rumänen arbeiten auf deutschen Baustellen mit guten Löhnen und nun kommen die Deutschen und decken kostenlos rumänische Dächer. Seltsam.“
Der Arbeitseinsatz in Rumänien hat aus Einzelkämpfern ein Team geformt. Persönliche Befindlichkeiten und Probleme wurden hintangestellt und erschienen plötzlich ganz klein gegenüber den vorgefundenen Problemen. Für die angehenden Meister wurden Erfahrungen und Eindrücke sowohl im technischen als auch im zwischenmenschlichen Bereich gemacht, von denen sie ihren Kindern und Enkeln noch erzählen können.
Bild: RMS
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Mission und Team
Der Kontakt für diese Hilfsaktion kam über Irmgard Rösch † vom Verein Oradea-Villingen e. V. aus Villingen-Schwenningen und ihren Sohn Hans-Peter Rösch zustande, der Abteilungsleiter an der Robert-Mayer-Schule und langjähriger Leiter der Klempnermeisterschule ist. Rumänien ist arm, viele Menschen könnten sich keinen Kindergarten leisten. Da die Eltern oft monatelang für Saisonarbeit im Ausland sind, lungern die Kinder auf der Straße herum und organisieren sich in Kinderbanden. Zurück bleiben die Alten, die mit ihrer minimalen Rente gerade genug zum Essen haben. Viele Kinder sind sogenannte Sozialwaisen, da die Eltern einfach nicht mehr zurückkehren. Der katholische Kindergarten nimmt diese Kinder auf – für viele ist er neben einer Oma die einzige Heimat.