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Organisch geformtes Fassaden-Dach

Museum am Ginkgo

Organische Formen in der Architektur gibt es schon solange es Behausungen gibt – in den Wohnhöhlen und Baumhäusern unserer Vorfahren sogar noch authentischer als bei vielen kubischen Bauten heutiger Star-Architekten. Eine beeindruckende Verbindung von Natur und Architektur, von organischer Form und bemerkenswerter Wohnqualität, zeigt der Neubau „Museum am Ginkgo“. Das grüne rundgebogene Fassaden-Dach korrespondiert mit dem nahestehenden Naturdenkmal, einem Ginkgobaum. Die formschönen Blätter, des als „lebendes Fossil“ bekannten Fächerblattbaumes, inspirierten das Architektenteam bei der Formgebung des Gebäudes und seiner Details.

Der eigenständige Baukörper er­weitert das vorhandene Carl Bosch Museum in Heidelberg-Schlierbach. Zukünftig ­werden hier Sonderausstellungen zum Thema Technik sowie Sonder­veran­staltungen eine Bühne finden. In den oberen zwei Geschossen des Museumsneubaus entstand zudem eine Maisonette-Wohnung der besonderen Art. Durch dach­integrierte Glasbögen erhält die Wohnung eine ganz besondere Beleuchtung, Form und Funktion. Ob die Bewohner im Bett oder in der Badewanne liegend den reizvollen Blick in den nächtlichen Sternenhimmel genießen oder das Blätterdach der nahestehenden Bäume betrachten, das außergewöhnliche Architekturkonzept vermittelt Naturverbundenheit.

Fakten, Details und Hintergünde

Der unmittelbar nach Fertigstellung der Dach- und Fassadenarbeiten ausgelegte Rollrasen und die aufwendig gestal­teten Außenanlagen verraten es bereits von weitem: An diesem Gebäude wurde nichts dem Zufall überlassen. Beispielsweise die fensterumfassenden Beton­fertigteile. Abdrücke von zuvor in der Schalung eingelegten Ginkgoblätter sorgen für eine überaus interessante Betonoberfläche. Auch das Grün der Strukturglasflächen im Erdgeschoss zieht die Blicke auf sich, zumal die Struktur des Spezialglases nicht auf Anhieb verrät, um welchen Baustoff es sich überhaupt handelt. Die Spannung steigt je höher die Blicke schweifen bis schließlich über grüngetönten Fensterflächen das ebenfalls grüne ­Metalldach begriffen werden möchte. Ganz leicht fällt dieser Versuch indes nicht. Die ­Grenzen zwischen Dach- und Fassadenfläche, zwischen Oberlicht und da­hinter liegendem, waldbestandenem Hang scheinen zu verschmelzen. Das Grün der Natur mischt sich mit ­Grün- und ­Grautönen des Gebäudes. Das Spiel von Licht und Schatten, hervorgerufen vom Blattwerk der Bäume und dem ­zerfurchten bogenförmigen Fassaden-Dach, verstärkt diesen Eindruck zusätzlich.

Das Fassaden-Dach

Auf einer Gebäudegrundfläche von 16 x 14 m verarbeiten die Metalldachspezial-isten der Sima-Bau Siegler GmbH etwa 450 m² stückpatiniertes Kupfer. Die Aufgabe, entlang der gebogenen Ortgänge möglichst ohne störende Aufkantungen oder Abschlussblenden zu arbeiten und dabei zu verhindern, dass Niederschlagswasser über die Glasdachbögen läuft, birgt zunächst einen Widerspruch in sich. Erschwert wird die Detaillierung durch die Berücksichtigung der Lufteinlassöffnungen zur Hinterlüftung der hölzernen Unterkonstruktion. Erst ausgeklügelte Falztechnik und gerundete um 45º aus der Fläche ragende Lamellen lösen das Problem. Ein schöner Nebeneffekt: Auch die geschwungene Linienführung der Lüftungsschlitze erinnert an Form und Struktur eines Ginkgoblattes. Neben den Lufteinlässen an den Ortgangbögen sorgen gestanzte Lüftungsprofile an der Ortganguntersicht sowie am Traufbereich für den nötigen Luftaustausch.

Das Kupferdach selbst liegt auf einer Vollholzschalung aus sägerauen Brettern auf. Den entsprechenden Bogenweiten der unterschiedlichen Radien angepasst, weisen die Schalungsbretter unterschiedlichste Baubreiten auf. Ein regensicheres Unterdach aus selbstklebenden Bitumendachbahnen mit darüber liegendem Wirrfasergewebe trennt die horizontal verlegten Kupferscharen vom Montageuntergrund.

Stückpatinierte Gebäudeharmonie

Entgegen der bei vorpatinierten Kupfertafeln meist üblichen Lieferlängen von 3000 mm, weisen einige der einfach gefalzten Horizontalscharen Sonderlängen auf. Das stückpatinierte Material stammt aus der gut 10 m langen Klimabox des SHK-Betriebes Sanibär. Die im schwäbischen Nürtingen-Zizishausen ansässige Firma stößt mit dem chemischen Verfahren zur Nachpatinierung von Kupfer- und Titanzinkflächen in eine Marktlücke. Mittlerweile sind neben der Stückpatinierung bei Sonderlängen die patinierten Sonderbauteile vor allem im Bereich des Denkmalschutzes sehr gefragt. Geschäftsinhaber Jürgen Leuchte: „Wozu die Natur sonst 30 bis 50 Jahre benötigt, geschieht in unserer Klimabox innerhalb nur eines Tages. Selbst Sonderbauteile wie Turmspitzen, Wetterfahnen oder Ziergegenstände können wir patinieren.“ Durch den Einsatz der überlangen, patinierten Kupferscharen kommt die Dachflächenstruktur des Hauses am Ginkgo ohne störende Querfalze aus. Die lineare Dachstruktur ist dabei wichtiger Bestandteil der harmonischen Umsetzung des Gebäudekonzeptes.

* Mirko Siegler ist Klempnermeister und Mitgeschäftsführer der Sima-Bau Siegler GmbH, Bürstadt

Mirko Siegler*

Stückpatinierung

Das chemische Verfahren zur Nachpatinierung von Kupfer- und Titanzinkflächen ermöglicht (zum Beispiel bei komplexen Ornamenten) die Bearbeitung in einem Stück. In reiner Handarbeit werden in der sogenannten Klimabox etwa Bauornamente, Bänder und Profile mit bis zu 10 m Baulänge behandelt. Verglichen mit anderen Verfahren, entstehen deutlich weniger zu bearbeitende Nahtstellen, an denen die Patina abplatzen könnte. Ab Herbst 2008 sind sogar Baulängen bis zu 15 m möglich.

Wichtig für Jürgen Leuchte von Sanibär ist die Authentizität. Daher setzt er auf eine Patina, die der natürlichen so nah wie möglich kommt. So kann er, wenn dieses gewünscht wird, bei der chemischen Zusammensetzung auch auf regionale Aspekte Rücksicht nehmen. Beispielsweise entsteht in Küstennähe an salzhaltiger Luft eine andere Patina als im Gebirge. Patina kann selbst an einem Gebäude verschiedene Farbtöne aufweisen, etwa wenn Kupfer direkt mit Wasser in Berührung kommt. Selbst solche Effekte kann der Patinierungsexperte berücksichtigen. Durch den ausschließlichen Einsatz naturidentischer Stoffe ist das Verfahren toxisch für die Umwelt unbedenklich. Außer den klassischen Grautönen bei Titanzink und der grünen Patina bei Kupfer werden bei Sanibär auch unterschiedlichste Brünierungen bei Kupfer und Kupferlegierungen vorgenommen.

Stückpatinierte Kupfertafeln sowie Bandmaterial bis zu 10 m Länge vertreibt das Unternehmen Sanibär exklusiv für KME. Der Kupferhersteller aus Osnabrück betreute auch das Projekt Museum am Ginkgo. Informationen zur Stückpatinierung komplexer Ornamente oder anderer Sonderbauteile sind direkt bei Jürgen Leuchte erhältlich.

Bauherr:

Gerda Tschira, Heidelberg

Architektur:

N2Q Architekten GmbH, Heidelberg

Ausführender Fachbetrieb:

Sima-Bau Siegler GmbH, Bürstadt

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