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Von mongolischen Gauben und chinesischen Bambusleitern

Walz mal anders


Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Dies erfuhr ich während meiner anderthalbjährigen Klempnerrundreise fast täglich aufs Neue. Zwar hatte ich meine Reise sorgfältig geplant, aber die Situationen vor Ort erforderten nicht selten Spontanität. Das Sammeln von Eindrücken und Erfahrungen stand dabei auf der Tagesordnung und verdrängte schon bald meine anfängliche Naivität.

Alles begann 2004 auf dem orientalischen Klempnerevent**. Dort lernte ich, kurz vor meiner Gesellenprüfung, Klempnermeister Bodo Hinz kennen. Dieser machte gerade Heimaturlaub und schilderte seine Arbeit beim australischen Klempnerfachbetrieb Architectural Roofing and Wall Cladding Pty Ltd. aus Sydney in schillernden Farben (siehe BAUMETALL 5/2007, Seite 32ff). Vom Fernweh angesteckt, musste ich es einfach erleben – dass Klempnerfeeling „Made in Australia“. Nach acht Wochen Seereise erreichte ich schließlich Sydneys Containerhafen und stand bereits am nächsten Tag auf meinem ersten australischen Dach! Es folgten sieben harte Monate, deren Arbeits-Rhythmus nicht selten von 14 und mehr Arbeitsstunden geprägt war. Die Klempnereindrücke aus Australien beinhalteten vom Dach, mit Blick auf das weltberühmte Opernhaus bis zur Fassade an einem 12 km langen, unverbauten Strand, unterschiedlichste Qualitäten. Die Arbeitsweise war geprägt von Kameradschaft zwischen den verschiedensten Gewerken und einem unvergleichbaren Optimismus an Probleme heranzugehen („No worries Mate!“ Frei übersetzt mit: „Hey mach Dir keine Sorgen mein Freund“). Probleme wurden auf sehr „unkonventionelle“ Art gelöst. An eine Anekdote erinnere ich mich sehr gerne zurück. Es war Freitagnachmittag, der Bauleiter trommelte uns zusammen und meinte: „Genug für heute, gehen wir Golf spielen!“ So fand sich die ganze Mannschaft, vom Innenausbauer über den Installateur, bis hin zum Bauleiter, kurz darauf auf dem Golfplatz wieder. Wie selbstverständlich zauberte der Installateur aus seinem total verbeulten und verrosteten, mit Werkzeug vollgestopften, Geländewagen einen Satz Golfschläger hervor. In verdreckter Baukleidung, mit den Sicherheitsschuhen an den Füßen, stiefelten wir dann 2 Runden auf dem edlen Grün herum.

Mein Rückweg führte mich entgegen erster Planungen über Bali und Singapore nach Hong Kong, Peking und Xian, wo mich die Terrakotta Armee erwartete. Weitaus spannender war es jedoch, mitzuerleben, wie chinesische Kollegen mit selbst gebastelten Bambusleitern das Dach über den Tonkriegern bestiegen.

Mongolische Gaube trifft deutsche Klempnertechnik

Per Transsibirischer Eisenbahn erreichte ich schließlich die Mongolei. Da meine Planung nun ohnehin völlig aus dem Ruder gelaufen war, sah ich mich kurzentschlossen in der mongolischen Steppe um. In Khatgal, unweit der sibirischen Grenze, lernte ich eine Missionarsfamilie kennen. Da an deren Wohnhaus gerade Dacharbeiten anstanden, kam der Klempner genau zum richtigen Zeitpunkt. Aus einer Holzbohle und ein paar Schraubzwingen baute ich eine Abkantbank. Damit fertigte ich aus mongolischem Qualitätsstahl Seitenkehlen, Brustbleche und Fenstersimsprofile. Nur mit einer Blechschere bewaffnet, passte ich diese Profile an die Dachgaube an. Mit viel Geduld entstand auf gleiche Weise eine Schornsteineinfassung. Dachrinnen konnte ich in der mongolischen Steppe nirgends entdecken. Dafür wurde ich Zeuge vom Siegeszug des PU-Schaums aus der Dose. Mit diesem „Wundermittel“ werden auch in der Mongolei Fensterrahmen abgedichtet. Besonders beeindruckte mich das Improvisationstalent der Mongolen. Mit primitivsten Mitteln entstehen dort Gebäude, die im Sommer über +30º und im Winter bis zu -56 º standhalten.

Nach so vielen Klempnereindrücken kann ich nicht sagen, ob mir das „High-Tech-Klempnern“ in Sydney oder die „Primitiv-Klempnerei“ in der Mongolei besser gefiel. Sicher weiß ich jedoch, dass fernab vom Stress der wirtschaftlich geprägten Betriebs-Strukturen Menschlichkeit sehr groß geschrieben wird.

* Der Autor ist Klempnermeister und beim Klempnerfachbetrieb Reinhardt in Bad Rappenau tätig. ** Der orientalische Klempnerevent wurde 2004 von https://www.baumetall.de veranstaltet.

Michael Schrodt*

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