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Arbeitsrecht

Arbeiten trotz Krankmeldung

Kein Mitarbeiter kann stets höchste Leistung erbringen. Unfall- und krankheitsbedingte Ausfälle gehören zum Berufsleben dazu. 2021 betrug die durchschnittliche Krankenrate 4,3 %, bei 220 Arbeitstagen fällt damit jeder Arbeitnehmer knapp zwei Wochen im Jahr aus, wobei in körperlich intensiven Berufen wie dem Klempnerhandwerk höhere Zahlen erreicht werden. Im Klempnerbetrieben mit ihrer mittelständischen Struktur können kranke Mitarbeiter einschätzen, was an zusätzlicher Arbeitsbelastung auf die verbleibenden Kollegen zukommt. Dann ist vielleicht die Versuchung groß, trotz Krankmeldung arbeiten zu gehen. Sicherlich mag dies im Einzelfall möglich sein, in der Regel kann ein kranker Mitarbeiter seine Arbeit aber nicht in der wie sonst erforderlichen und erwarteten Qualität ausführen. Außerdem können diverse Gefahren bestehen:

  • Durch verminderte Reaktionsfähigkeiten kann eine Gefahr für sich selbst und andere bestehen.
  • Infektionskrankheiten erhöhen die Gefahr einer Ansteckung von anderen Mitarbeitern.
  • Eine zu frühe Aufnahme der Tätigkeit kann eine bestehende Krankheit verschlimmern und die Genesung im Zweifelsfalle noch weiter in die Zukunft verschieben.
  • Vorgesetzte geraten so rasch in einen Interessenskonflikt. Jede Hand ist zwar willkommen, allerdings ist „Fürsorgepflicht“ kein leeres Wort, sondern eine Verpflichtung. Im Einzelfall gilt es, übereifrige Mitarbeiter vor sich selbst zu schützen.

    Formale Krankschreibung

    Der grundsätzliche Sachverhalt ist bekannt: Ist ein Arbeitnehmer krankgeschrieben, reicht dieser seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beim Arbeitgeber ein und kommt nicht zu Arbeit - gibt es keine Bescheinigung, muss er arbeiten. Mit der Krankschreibung erklärt der behandelnde Arzt, dass der Arbeitnehmer in dem Moment der Ausstellung arbeitsunfähig ist. Mit der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wird eine Prognose über den voraussichtlichen Verlauf und die Dauer der Krankheit abgegeben. Für die angegebene Dauer ist der Mitarbeiter von der Arbeit freigestellt.

    Dabei steht der Arbeitnehmer nicht in der Pflicht, seinen Arbeitgeber über die Ursachen im Detail zu informieren oder Gründe darzulegen, wie und warum sich die Symptome aus der Krankschreibung gebessert haben und eine Arbeitsaufnahme folglich wieder möglich sei. Der Arbeitgeber kann, falls der Arbeitnehmer seine Arbeit vorzeitig aufnehmen möchte, lediglich eine Einschätzung des Gesundheitszustandes vornehmen, um seiner Fürsorgepflicht nachzukommen.

    Arbeit bei Krankschreibung?

    Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung stellt eine Urkunde dar, in welcher der ausstellende Arzt eine Erkrankung feststellt und die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ist somit ein wichtiges Indiz, dass der Angestellte für die angegebene Dauer arbeitsunfähig ist. Im Umkehrschluss führt die Beurkundung jedoch nicht dazu, dass die Arbeitsfähigkeit nicht auch früher wiederhergestellt sein kann, sie ist kein Arbeitsverbot. Es liegt zunächst im Ermessen des Arbeitnehmers, bei vorzeitiger Genesung die Arbeitskraft während der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit wieder anzubieten. Hierzu bedarf es keiner ärztlichen Bescheinigung, die die bescheinigte Arbeitsunfähigkeit aufhebt. Eine „Gesundschreibung“, eine Attestierung der Arbeitsfähigkeit ist nicht erforderlich, wenn dies der Arbeitnehmer konkludent erklärt, indem er seine Arbeitsleistung anbietet. Eine Attestierung wäre von der Kostenerstattung der gesetzlichen Krankenkasse nicht gedeckt.

    Schutz in Kranken- und Unfallversicherung

    Durch das Arbeiten trotz bestehender Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung werden weder der Schutz in der Krankenversicherung noch in der gesetzlichen Unfallversicherung beeinträchtigt. In der Unfallversicherung greift der Versicherungsschutz allerdings nicht, wenn die Erbringung der an sich versicherten Arbeitsleistung gar nicht erst möglich ist, wie z.B. bei einem gebrochenen Bein oder einer erheblichen Alkoholisierung beim Fahrzeugführer.

    Fürsorgepflicht des Arbeitgebers

    Die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, festgeschrieben in §§ 611, 241 Abs. 2 BGB, verpflichtet zur Wahrung der Rechte, Rechtsgüter und Interessen des Arbeitnehmers. Nimmt ein Arbeitnehmer während einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit seine Tätigkeit vorzeitig wieder auf, begegnet die freiverantwortliche Entscheidung des Arbeitnehmers der gesetzlich verankerten Fürsorgepflicht des Arbeitsgebers. Bei der Abwägung möglicherweise widerstreitenden Interessen ist das Abhängigkeitsverhältnis des Arbeitnehmers zu berücksichtigen, der seine vorzeitige Arbeitsfähigkeit unter Umständen fälschlicherweise aus Angst vor einem Verlust des Arbeitsplatzes oder der Vermeidung des Eintritts von Krankengeld anzeigen.

    Im Rahmen der Fürsorgepflicht sind der Gesundheitszustand des betroffenen Angestellten zu berücksichtigen, als auch die Rechte der anderen im Betrieb tätigen Angestellten oder sonstiger Dritte wie zum Beispiel Kunden oder Leiharbeitnehmer.

    Die Beurteilung des Arbeitgebers, ob der Angestellte tatsächlich (vollständig) arbeitsfähig ist, sollte vorsichtig und gewissenhaft erfolgen, um den Anforderungen der Fürsorgepflicht zu entsprechen. Dabei ist zu bedenken, dass dem Arbeitgeber in der Regel die detaillierten Gründe für eine Arbeitsunfähigkeit nicht bekannt sind, sofern es sich nicht um offensichtliche Verletzungen handelt. Der Arbeitnehmer ist nicht verpflichtet, die ärztliche Diagnose offenzulegen. Der Arbeitgeber befindet sich in einem Spannungsfeld zwischen Fürsorgepflicht und Annahmeverzug, wenn er die angebotene Arbeitsleistung zurückweist und auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verweist. In der Praxis wird dieses Problem durch ein gemeinsames Gespräch mit dem zu lösen sein, um herauszufinden, ob eine vorzeitige Rückkehr an den Arbeitsplatz vertretbar ist.

    Beschweren sich andere Mitarbeiter über den frühzeitigen Einsatz, besteht das Spannungsfeld zwischen der Fürsorgepflicht den anderen Mitarbeitern gegenüber und dem Risiko des Annahmeverzuges dem (vermeintlich) gesundeten Arbeitnehmer gegenüber. Kommt der Arbeitgeber zu dem Schluss, dass ein Einsatz des Angestellten aufgrund wiederhergestellter Arbeitsfähigkeit möglich ist, besteht für weitere Mitarbeiter keine Rechtfertigungsgrundlage, die Zusammenarbeit abzulehnen. Diese müssten im Zweifel nachweisen, dass die Entscheidung des Arbeitgebers auf einer Fehleinschätzung beruht.

    Bei Arbeit an gefährlichen Maschinen, im Straßenverkehr oder der Bedienung von Maschinen wird von einer erhöhten Fürsorgepflicht ausgegangen, insbesondere wenn die Gefahr besteht, dass auch weitere Mitarbeiter oder Verkehrsteilnehmer zu Schaden kommen können, insofern bestehen im Klempnerhandwerk andere Vorrausetzungen als zum Beispiel im Einzelhandel.

    Umfang der frühzeitig aufgenommenen Tätigkeit

    Außerhalb einer gesetzlich geregelten Wiedereingliederungsmaßnahme sollte ein stundenweiser oder tageweiser Einsatz nicht ohne ärztliche Begleitung erfolgen. Denkbar wäre zwar, dem betroffenen Arbeitnehmer im Rahmen des Direktionsrechts eine andere Tätigkeit zuzuweisen, die er dann statt der arbeitsvertraglich vereinbarten Tätigkeit ausüben kann. Jedoch sollte dies nicht ohne (betriebs-)ärztliche Aufsicht geschehen, da der in der Regel medizinisch nicht vorgebildete Arbeitgeber die Folgen eines solchen geänderten Arbeitseinsatzes kaum einzuschätzen vermag.

    Es gibt keine Teilarbeitsunfähigkeit im Arbeitsrecht. Ein Arbeitnehmer gilt als arbeitsunfähig oder arbeitsfähig. Anweisungen im Rahmen des Direktionsrechts, müssen unabhängig von einer Erkrankung vom Angestellten grundsätzlich ausgeführt werden. Bietet der Angestellte aufgrund seiner Erkrankung nur eine teilweise Arbeitsleistung an, sollte diese vom Arbeitgeber mit dem Hinweis auf die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung im Zweifel abgelehnt werden.

    Durch das erneute Anbieten der Arbeitsleistung wird der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entkräftet und die ausgestellte Bescheinigung wirkungslos. Wird der Arbeitnehmer erneut arbeitsunfähig, muss er sich vom Arzt eine neue Bescheinigung ausstellen lassen.

    Pflicht zur ärztlichen Untersuchung?

    Hat der Arbeitgeber Zweifel an der Arbeitsfähigkeit, möchte aber aufgrund des Annahmeverzugsrisikos das Angebot der Arbeitsleistung nicht ohne Weiteres ablehnen, kann eine betriebsärztliche Überprüfung der Arbeitsfähigkeit gefordert werden. Zwar besteht seitens des Betriebsarztes eine Schweigepflicht über die exakte Diagnose, jedoch kann eine Mitteilung über die Arbeitsfähigkeit getroffen werden. Auf Basis dieses neuen Erkenntnisstandes kann der Arbeitgeber fundierter entscheiden, ob die Aufnahme der Tätigkeit trotz Krankschreibung zumutbar ist.

    Dokumentation der freiwilligen Arbeitsaufnahme

    Eine gesetzliche Verpflichtung zur Dokumentation besteht nicht, eine schriftliche Erklärung des Arbeitnehmers würde im Zweifelsfall aufgrund des Abhängigkeitsverhältnisses die bestehende Fürsorgepflicht des Arbeitgebers nicht entkräften. Dennoch ist es empfehlenswert, sich das freiwillige Arbeiten trotz Krankschreibung quittieren zu lassen. Ist beispielweise ein Mitarbeiter wegen eines gebrochenen Beins arbeitsunfähig, möchte jedoch an einer beruflichen Veranstaltung teilnehmen, die nur zwei Stunden andauert, so kann der Mitarbeiter daran teilnehmen und die Zeit seiner Krankschreibung für diesen Zeitraum unterbrechen, soweit dies vom Mitarbeiter ausdrücklich gewollt ist und seine Genesung nicht gefährdet wird.

    Aufgrund der Lohnfortzahlung im Krankheitsfall erhält der Mitarbeiter unverändert sein Gehalt im Rahmen der sechswöchigen Lohnfortzahlung. Befindet sich der Arbeitnehmer bereits im Krankengeldbezug und nimmt mit Billigung des Arbeitgebers vorzeitig die Arbeit wieder auf, muss der Arbeitgeber die Krankenkasse darüber informieren. Zusätzlich sollte der Angestellte seine Krankenkasse über die vorzeitige Aufnahme der Tätigkeit informieren, um nicht einem Sozialversicherungsbetrug Vorschub zu leisten.

    Entfernung vom Arbeitsplatz

    Wann immer ein krankgeschriebener Angestellter nicht gesund wirkt und sich oder andere gefährden könnte – etwa, weil er Maschinen bedienen –, muss der Arbeitgeber ihm das Arbeiten krankheitsbedingt verbieten. Auch dann, wenn der Arbeitnehmer, beispielsweise aus Pflichtgefühl den Kollegen gegenüber, hartnäckig darauf bestehen, wieder einsatzfähig zu sein. Ansonsten könnten sie im Extremfall schadensersatzpflichtig werden, sollte tatsächlich etwas passieren und festgestellt werden, dass der Arbeitgeber das Risiko wissentlich in Kauf genommen hat.

    Eine besondere Situation liegt vor, wenn drogen- oder alkoholabhängige Mitarbeiter in offensichtlich nicht arbeitsfähigem Zustand zur Arbeit erscheinen bzw. am Arbeitsplatz angetroffen werden. Diese müssen unverzüglich vom Arbeitsplatz entfernt und der sichere Nachhauseweg gewährleistet werden.

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