Mit seinem in BAUMETALL-Ausgabe 6/25 veröffentlichten Leserbrief richtete sich Spenglermeister Georg Lummel aus Karlstadt ursprünglich an die Gründungsmitglieder des 2002 ins Leben gerufenen BAUMETALL-Treffs. Das von Manfred Haselbach† (BAUMETALL-Begründer und Chefredakteur bis 2006) initiierte Kollegennetzwerk war das erste seiner Art. In seinem viel beachteten Schreiben befasst sich Georg Lummel kritisch mit der Trägheit der „Ur-Besetzung“ dieses Netzwerks. Er beklagt außerdem den Verlust von Identifikation und Wohlstand. Dies sei, so Lummel, selbstverschuldet durch massive Überregulierung („Vollkaskogesellschaft“) und ein drastisches Missverhältnis zwischen Verwaltung und Produktivität (zu viele Projektsteuerer, zu wenig echte „Baumeister“). Die handwerkliche Flexibilität gehe verloren und dieser Abwärtstrend beschleunige sich stark.
Lummels Zeilen treffen ganz offensichtlich ins Schwarze, denn der Redaktion liegen inzwischen mehrere Leser-Zuschriften vor:
Bild: TN
Thomas Neger aus Mainz schreibt:
„Georg Lummel hat vollkommen Recht. Wir sind als Selbstständige für ALLES selbst verantwortlich und werden am Ende doch immer zur Verantwortung gezogen. Es fühlt sich aber ganz anders an, weil wir unzählige Regularien, Normen, Gesetze und Vorschriften einhalten müssen. Auch wenn wir alles befolgen und einhalten, sind wir doch am Ende verantwortlich, selbst für Verfehlungen anderer in dieser Kette. Denn selbstverständlich hätten wir das auch kontrollieren und überprüfen müssen. Zu allem Übel dürfen wir für die Befreiung der Regulierenden aus Ihrer Verantwortung auch noch einen Haufen Gebühren bezahlen. Das Datenschutzgesetz und diese Regulierungswut aus mangelnder Verantwortungsübernahme zerstört unsere eigentliche Kompetenz: Erfindung neuer Techniken, Innovationen, Risikobereitschaft etwas Neues zu probieren.
Jede neue Regierung hatte den Bürokratieabbau im Wahlprogramm. Passiert ist das Gegenteil. Wir brauchen Freiheit für Dichter und Denker! Leider fängt das Thema Verlust der Verantwortungsübernahme schon in der Schule an: Bundesjugendspiele ohne Platzierungen. Diskussion über die Abschaffung des Notensystems. Leistung muss bewertet werden. Gute Leistung muss belohnt werden. Schlechte Leistung muss Konsequenzen haben. Erfolg muss wieder belohnt werden und nicht mit immer mehr Auflagen bestraft werden.“
Bild: BAUMETALL
Stephan Muntwyler aus Tägerwilen, CH:
„Lieber Georg Lummel, Sie sprechen Themen an, die uns in der Schweiz ganz ähnlich beschäftigen. Auch bei uns ringt das Handwerk um Identifikation. Doch immerhin: Kampagnen in der obligatorischen Schule wie der „Tüftler-Workshop“, der „Kreativ-Wettbewerb“ für Lernende oder die „Goldene Spenglerarbeit“ auf Meisterstufe zeigen, dass die Wertschätzung für unser Handwerk wieder auf dem Weg zurück ist – wenn auch langsam. Dass Projekte heute oft mehr Köpfe in der Steuerung als Hände auf der Baustelle haben, kennen wir ebenfalls. Aber genau hier steckt eine Chance: Der Handwerker von morgen wird nicht nur ausführen, sondern auch beraten, steuern und damit wieder an Gewicht gewinnen. Wir hoffen, dass der Gebäudehüllenplaner/-in auf Meisterstufe hilft, um mehr Know-how und weniger Fremdeinfluss zu erhalten. Die „Vollkaskomentalität“ sehe ich wie Sie – und doch: Kunden wollen Sicherheit. Wer als Handwerker heute Verlässlichkeit ausstrahlt, gewinnt Vertrauen, Aufträge und am Ende auch Marktstärke.
Bei der Baukultur schmerzt uns dieselbe Beobachtung: Vieles wirkt seelenlos, standardisiert, genormt. Aber gleichzeitig wächst das Interesse an Nachhaltigkeit, Langlebigkeit und Schönheit im Bau. Das ist die Bühne, auf der das Handwerk glänzen kann.
Doch während Konzerne Masse produzieren, liefert das Handwerk Klasse. Und genau das überzeugt Kunden, die nicht einfach billig, sondern dauerhaft gut bauen wollen. Und die Jungen? Ja, sie wirken manchmal überfordert – aber sie suchen Sinn, Perspektive und Gestaltungsspielraum. Das Handwerk hat alles davon im Angebot, wenn wir es nur richtig erzählen, zeigen und Vertrauen geben. Die Herausforderungen sind dieselben, dies- und jenseits des Rheins. Doch wenn wir die Chancen erkennen, kann das Handwerk nicht nur bestehen – sondern seine Rolle als tragende Säule unserer Gesellschaft neu erfinden.“
Wortmeldung von Jens Hackbarth
Jens Hackbarth ist der Geschäftsführer der Wilhelm Roth GmbH, des ältesten Dachdeckerbetriebs Frankfurts, dessen Gründung auf das Jahr 1751 zurückgeht. Er schreibt: „Ich sehe das heute genauso wie Herr Lummel. Wir haben auf den Großbaustellen heute mehr Planer und müssen so viel dokumentieren. Auf einer unserer letzten größeren Baustelle haben wir zahlreiche Unterlagen abgeben müssen. Darunter eine Konformitäts-Erklärung, eine Fachbauleiter-Erklärung, eine Fachunternehmer-Erklärung, eine Übereinstimmungserklärung und ein Übereinstimmungsnachweis sowie eine vereinbarte Nomenklatur. Nicht zu vergessen die ganzen Produktdatenblätter. Es scheint fast, als wären den Auftraggebern diese Dokumente wichtiger als die von uns ausgeführten Arbeiten. Das ist für unser Büro ein großer Aufwand – zumal meine Sekretärin manchmal die einzelnen Unterlagen, die verlangt werden, nicht versteht.“
Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser, sich gleichfalls zu Wort melden möchten, dann schreiben Sie gerne und am besten per E-Mail und mit dem Stichwort „Zukunft“ an: