Die Übernahmequote von Azubis im Handwerk ist in den letzten 15 Jahren deutlich gestiegen: von 57 auf 79 %. Eine gute Nachricht – so gut, dass sie der 20-Uhr-Ausgabe der Tagesschau am 5. August eine zweiminütige Meldung zum Thema Fachkräftenachwuchs wert war! Und was noch besser ist: Für den Bericht wurden eigens Stimmen aus einem Ausbildungsbetrieb eingeholt – und zwar aus einem Dachhandwerkerbetrieb, nämlich der Schaaf GmbH aus Zuffenhausen. Firmenchef David Schaaf und der Zimmerergeselle Paul Albrecht durften sich vor der Tagesschau-Kamera zum Thema Ausbildung äußern – neben Peter Haas, dem Geschäftsführer von Handwerk BW.
Handwerk BW vermittelte die Anfrage
Paul Albrecht betont, dass „die Betriebe gecheckt haben, worauf es wirklich ankommt – und nicht nur schuften, schuften, schuften bis zum Umfallen“. Vor einem Jahr hat er die Ausbildung zum Zimmerer erfolgreich abgeschlossen und möchte nun erst mal etwas Berufserfahrung sammeln. Seine Perspektiven sind gut, das weiß auch sein Chef David Schaaf: „Wer eine Ausbildung im Handwerk macht, hat für die nächsten 40 Jahre einen sicheren und auch monetär keinen schlechten Job.“ Seine Schwester Hanna, die gemeinsam mit ihrem Bruder das Unternehmen führt und die Öffentlichkeitsarbeit verantwortet, ergänzt im Interview mit BAUMETALL: „Es ist wichtig, für die junge Generation offen zu sein. Heutzutage gilt es, mit den jungen Leuten auf Augenhöhe zu kommunizieren. Sie wollen im Betrieb eingebunden werden, sich angenommen und integriert fühlen.“
Wie aber kam es zu dem Fernsehauftritt? Wie schafft man es als kleineres Familienunternehmen in die Tagesschau? Die Nachrichtenredakteure der ARD waren auf die Pressemeldung von Handwerk BW zu der gestiegenen Übernahmequote aufmerksam geworden. Daraufhin klopfte der Sender bei Handwerk BW an und fragte nach einem Betrieb. Handwerk BW wandte sich an die Handwerkskammer und die wiederum an die Schaaf GmbH. Aber warum nun ausgerechnet an diesen Zuffenhausener Betrieb?
Die ARD filmte auf dem Dach
Hanna Schaaf erklärt: „Wir sind in der Branche sehr präsent, auch bei der Handwerkskammer oder bei Veranstaltungen. Insgesamt sind wir sehr engagiert. Mein Bruder ist zum Beispiel in der Innung aktiv.“ Außerdem hat die Schaaf GmbH eine Bildungspartnerschaft mit einer örtlichen Realschule. Solche Partnerschaften werden von der Handwerkskammer initiiert. „Daher bestand der Kontakt und die Kammer wusste, dass wir ein Ausbildungsbetrieb sind“, sagt sie.
Auf die Anfrage reagierte sie sofort und nutzte die Chance. „Alles ging rasend schnell. Ich hatte nur eine Stunde Zeit für die Vorbereitung. Die ARD wollte auf einer Baustelle filmen. Deshalb holte ich vom Bauherrn eines laufenden Projekts das Einverständnis ein. Gleichzeitig musste ich mit unserem Gesellen Paul und meinem Bruder klären, ob sie den Auftritt vor der Kamera wagen wollten, und dann mit dem leitenden Redakteur alles Weitere absprechen.“ Schon kurz darauf rückte das Kamerateam an und machte Aufnahmen auf dem Dach sowie die begleitenden Interviews.
Instagram-Account als Fenster in den Betrieb
Rund eineinhalb Stunden hat die reine Filmaktion auf dem Dach
gedauert – dazu kam der Aufwand für die Absprachen und die Organisation vom Büro aus. Lohnt sich das denn für gerade mal eine Minute Präsenz in der Tagesschau? „Auf jeden Fall“, bekräftigt Hanna Schaaf. „Wir haben so viel positives Feedback von Kollegen aus anderen Betrieben in ganz Deutschland bekommen.“ Und was sie noch weit wichtiger findet: „Man muss das große Ganze sehen. Bei so einer Aktion darf man nicht erwarten, dass sie in neue Aufträge mündet.“ Vielmehr gehe es darum, das Handwerk insgesamt sichtbarer, bekannter zu machen, sein Image zu stärken.
Dafür ist die Tagesschau mit ihrer enormen, bundesweiten Reichweite ein Glücksfall. Die junge Firmenchefin fügt hinzu: „Es ist natürlich auch schön, dass wir uns als Betrieb dort zeigen konnten. Ausbildung ist uns einfach wichtig. In dem Bereich machen wir viel, zum Beispiel auf Instagram. Unser Account ist gewissermaßen das Fenster in den Betrieb, wo wir nicht nur informieren, sondern vor allem auch das Zwischenmenschliche zeigen.“
Der eigene Nutzen steht nicht im Vordergrund
Zur Sichtbarkeit und zum Engagement in Sachen Ausbildung und Berufsorientierung gehört auch die regelmäßige Teilnahme an der Hands-up, einer Ausbildungsmesse speziell für Handwerksberufe, die jedes Jahr auf dem Stuttgarter Marktplatz stattfindet. Dort ist die Schaaf GmbH mit einem eigenen Stand vertreten. Außerdem ist Hanna Schaaf ehrenamtlich bei den „Joblingen“ aktiv, einer Initiative für junge Leute mit Vermittlungsproblemen. Das können Jugendliche mit Migrationshintergrund oder mit einem instabilen sozialen Umfeld sein. Die Initiative unterstützt sie dabei, den Einstieg in einen Berufsweg zu finden.
Der eigene Nutzen steht dabei weniger im Vordergrund als die Freude, für das Handwerk insgesamt etwas zu tun. Hanna Schaaf findet es schön, dass auch viele andere Betriebe sich dafür einsetzen. „Schließlich sind die Azubis von heute die Fachkräfte von morgen, die wir unbedingt brauchen.“ Der Fachkräftemangel ist vor allem deshalb ein so großes Thema, weil die Altersgruppe der 15- bis 24-Jährigen insgesamt schrumpft. „Daher müssen wir selbst ausbilden und die jungen Menschen motivieren, nach der Ausbildung bei uns zu bleiben“, sagt sie.
Viele lockt zunächst das Material Holz
Zwei Azubis steigen pro Jahr bei der Firma ein. Im Optimalfall werden beide übernommen. Auch Abiturienten sind willkommen. Sehr oft haben die Azubis den Betrieb schon vorher in einem Praktikum kennengelernt. Zwischen 10 und 20 Praktikanten sind pro Jahr in Zuffenhausen zu Gast. Die meisten kommen über Schulen oder andere Netzwerke. In der Regel beginnt mindestens einer davon später eine Ausbildung bei Schaaf. Über Mangel an Interessenten kann das Unternehmen also prinzipiell nicht klagen. Allerdings peilen die meisten den Zimmerer oder den Dachdecker an. Vor allem das Zimmerergewerk ist populär – den Flaschner dagegen haben leider die wenigsten auf dem Schirm. „Das liegt vor allem daran, dass der Beruf kaum bekannt ist“, meint Hanna Schaaf.
Unter einem Dachdecker kann sich jeder etwas vorstellen. Den Zimmerer verwechseln zwar viele mit dem Schreiner, aber zumindest ist das Material Holz etwas, was viele lockt. Wenn sie dann im Betrieb sind und dort auch sehen, was ein Klempner macht, schwenken manche noch um. So kam zum Beispiel eine aktuelle Klempner-Auszubildende ursprünglich in den Betrieb, um ein zweiwöchiges Praktikum in der Zimmerei zu machen. In dieser Zeit erwärmte sie sich dann aber doch für die Flaschnerabteilung – ein Beruf, der andernorts unter der Bezeichnung Spengler, Blechner oder Klempner bekannt ist.
Die Freude am Beruf steckt an
Für Hanna Schaaf ist klar: „Wir profitieren sehr davon, dass wir alle drei Dachgewerke in unserem Betrieb vereinen.“ (BAUMETALL berichtete in Ausgabe 1/2025 ab Seite 28.) „So können wir den Praktikanten alle drei Gewerke zeigen, und so mancher begeistert sich dann am Ende doch fürs Metall.“ Und vielleicht trägt der Beitrag in der Tagesschau ja auch grundsätzlich dazu bei, dass es in Zukunft mehr jungen Menschen so geht wie Geselle Paul Albrecht: Für den 21-Jährigen war ein Studium keine Option – das Handwerk hat ihn mehr gereizt.
Hanna Schaaf ist gelernte Raumausstatterin und überzeugt: Handwerker haben allen Grund, stolz auf ihre Berufe zu sein. Die Unternehmerin freut sich, dass viele Handwerker wieder gelernt haben, diesen Stolz zu leben und die Berufsehre hochzuhalten. „Das tut uns allen gut. Die Freude und die Leidenschaft, mit der wir unsere Berufe ausüben, steckt einfach an. Die jungen Menschen heutzutage suchen nach Sinn. Wenn sie auf Social Media andere Menschen sehen, die offensichtlich Spaß an ihrer Tätigkeit haben, ist das die beste Werbung, die wir machen können.“